Wie viel “Staat” braucht es wirklich?

„So viel Markt wie möglich, so viel Staat wie nötig“, sagte der ehemalige Wirtschaftsminister Karl Schiller irgendwann Ende der 60er-, Anfang der 70er-Jahre. Was möglich und was nötig ist, ist bis heute ein Streitpunkt, bei dem Staats- und Marktsympathien immer wieder die Seiten wechseln.

Aktuell ist der Ruf nach mehr Staat auf dem Vormarsch. Eine Resolution im Landkreise zeigt das: Münchner sollen Rücksicht nehmen, wenn es darum geht, unbegrenzt Wasser aus dem Landkreis zu entnehmen.

Miesbach, Warngau und Valley sowie Vertreter von Wasservereinen brachten jüngst eine Resolution auf den Weg.

Noch sind die Stadtwerke München ein Tochterunternehmen der Stadt. Und dennoch macht sich im Landkreis, getrieben durch Privatisierungspläne der Wasserversorgung durch die EU, langsam die Sorge breit: Was passiert, wenn die Stadtwerke ‒ auch nur teilweise ‒ in private Hände fallen? Könnte das den Ausverkauf des Wassers im Landkreis nach sich ziehen?

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Das Misstrauen stammt dabei aus den vergangenen 20 Jahren ‒ und wurde dennoch einst gefeiert. Die 1990er- und 2000er-Jahre haben einen regelrechten Privatisierungsboom vorgebracht: Deutsche Bahn, Energieversorger, Müll- und Wasserwirtschaft. Nicht zu vergessen die Deutsche Post, die bis zur Privatisierung eher den Ruf eines behäbigen Beamtenapparates genoss.

Gesellschaftlich gewünscht

Natürlich haben Privatisierungen so auch sehr viel Geld in die Kassen von Bund, Ländern und Kommunen gespült, die andernorts dringend gebraucht wurden. Heute sieht man es aber oft genau andersherum: Die Erfahrung hat gezeigt, dass nicht alles nur günstiger geworden ist, seit die private Hand darüber „wacht“.

Nicht zuletzt durch die Bankenkrise der letzten Jahre sind die Privatwirtschaft im Allgemeinen und Konzerne im Speziellen zu neuen gesellschaftlichen Feindbildern aufgestiegen. Privatisierung steht für viele fast gleichbedeutend mit höheren Preisen bei schlechterer Leistung. Mit Ausbeutung und Profitgier.

Nicht zu vergessen das Risiko, dass „am Ende sowieso wieder die Allgemeinheit bezahlt“, wenn raffgierige Konzerne sich weigern, in die Instandhaltung der erworbenen Infrastruktur zu investieren.

Rekommunalisierung ist nicht der Heilsbringer

Der Ruf nach „Rekommunalisierung“ hallt landauf, landab durch die Sitzungssäle von Städten und Gemeinden. Das sei besser für die Angestellten, die fairere Löhne erhielten und so bessere Qualität der kommunalen Dienstleistungen bieten könnten. Es sei besser für die Umwelt, weil dann mehr in Klimaschutz und ökologischen Ausbau investiert würde, als es profitgetriebene Unternehmen leisten würden. Es sei nachhaltiger, weil man dann wenigstens weiß, was man hat, und nicht das letzte Tafelsilber der Gemeinden verscherbelt.

Der Ruf nach Rekommunalisierung klingt dabei allzu oft wie der Ruf nach einer guten alten Zeit. Nach der Rückbesinnung auf eine Welt, in der schon mal alles besser war. Der Ruf nach der alten „kommunalisierten Traumwelt“ ist dabei nichts anderes wie der vor zwanzig Jahren erschallende Ruf nach der „privatisierten Traumwelt“. Man verspricht sich und versprach sich in beiden Fällen mehr Leistung für weniger Geld.

Langfristige Pläne statt hektischer Rückkäufe

Mit einem Blick zurück in die 90er-Jahre sollte man diese Gedanken vielleicht noch mal ganz in Ruhe fertig denken: Die damals hektisch vorangetriebenen Privatisierungen haben rückblickend nicht immer das gebracht, was man sich erhoffte. Vermutlich werden es gleichsam hektisch vorangetriebene Rückkäufe oder Reglementierungen genauso wenig tun. Eine langfristige Planung gegen die kurzfristige Gewinnmaximierung wird oft als Vorteil kommunaler Eigenbetriebe gesehen. Auf diese vorausschauende Sichtweise sollte man sich auch jetzt bei den Entscheidungen besinnen.

Wasser, wie hier im Gmunder Klärwerk, ist im Tegernseer Tal aufgeteilt zwischen Gemeinden und Vereinen.

Es kann nicht im Interesse aller sein, wenn Monopole als solche den Besitzer wechseln. Eine staatlich monopolisierte Wasserversorgung wird nicht effektiver, günstiger und besser, wenn sie in ein privates Monopol übergeht. Das gilt gleichsam auch andersherum. Aufgabe sollte sein, die Monopole aufzubrechen oder einen bereits bestehenden Wettbewerb zu erhalten.

Dort, wo bereits Wettbewerb da ist, sollten die Kommunen allerdings die Spielregeln festsetzen, so wie sie es aktuell bei der Wasserversorgung versuchen. Ein Kommentator hatte es so vor einiger Zeit einmal relativ klar auf den Punkt gebracht:

„Grundlegende, lebensnotwendige Infrastruktur sollte in staatlicher Hand bleiben oder in staatliche Hand zurückgehen. Wenn Unternehmen eine gesamte Gesellschaft in Geiselhaft nehmen können, weil sie beispielsweise die Wasserpreise kontrollieren können oder den Stromnetzausbau mangels wirtschaftlichem Interesse nicht vorantreiben, zeigt das, dass Gewinnstreben Einzelner nicht dem Gemeinwohl dienen kann.“

Keine Unternehmer im eigentlichen Sinne

Bei aller Rekommunalisierungseuphorie darf man aber auch nicht vergessen, dass die Gemeinden keine Unternehmer sind und das auch nur in Ausnahmefällen werden sollten. Die verantwortlichen Behörden sollte sich vielmehr darauf beschränken, die Bereitstellung öffentlicher Güter zu sichern, wo es nötig ist. Im Zweifel natürlich auch immer dadurch, dass sie es selbst möglich machen, wie beispielsweise die Wasserversorgung auf der Sutten, die privatwirtschaftlich schlicht nicht möglich wäre.

Auch die Tegernseer Müllabfuhr ist so ein Beispiel: Anstatt durch die VIVO-Warngau, wie sonst im Tal, wird der Müll durch die Stadt Tegernsee geleert. Und obwohl die Kosten höher sind, besteht im Stadtrat Einigkeit darüber, dass die Leistung durch den größeren Entsorger leiden würde, was damit auch mehr Nachteile als (Preis-)Vorteile für die Tegernseer bringen würde.

„So viel Markt wie möglich, so viel Staat wie nötig.“ Über das richtige Verhältnis wird wohl auch in Zukunft noch viel diskutiert werden. Man sollte nur nicht der Versuchung erliegen, sich von Start weg auf eine Seite zu schlagen. Schwarz oder Weiß greift hier einfach zu kurz.

Quelle Startbild: Matthew Bowden

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