Eine Zeigefinger-Besuch im Olaf-Gulbransson-Museum
Wir Deutschen erziehen gern

Es regnet ohne Unterlass. Da sucht man mit Gästen aus dem Ausland gern die Kultur auf. In diesem Fall: Das Olaf-Gulbransson-Museum in Tegernsee. Die glänzen gerade mit eindrucksvollen Werken. Hat nur ein Haken: Unser deutscher Hang zur pädagogischen Bevormundung.

Der spanische Bischof hat die Nummer 63…Im Hintergrund: *raschel, falt, knitter

Anzeige

Kennt jeder. Irgendein Schlaumeier zwingt einen, die Augen zu schließen, den Mund zu öffnen und etwas zu probieren. Warum? Wenn er sagt, was es ist, dann ist die Überraschung ja kaputt. Erst die Sinne, dann der Verstand. Nur: Diese passiv-aggressive Art der Bevormundung schmeckt nicht jedem.

“Eberhard, streng’ dich mal an!”

So auch im Olaf-Gulbransson-Museum in Tegernsee: Da hängen derzeit Werke von Hodler, Lüpertz, Kirchner oder Dix neben gotischer Kunst. Titel der Sammlung: “Der andere Blick” aus der Sammlung Anna & Michael Haas.  Der vermeintliche Clou: Was da hängt, wird nicht erklärt. Nur ein schnöder Barcode und eine Nummer hat man danebengeklebt. Kein Name, keine Einordnung. Bitte wirken lassen. Die eine Hälfte des schwäbischen Ehepaars neben uns hat es verstanden: “Eberhard, nun streng’ dich mal an.”

Kurzer Blick auf die PR-Phrasentafel am Eingang: “Die international bekannte Cross-Collection von Anna und Michael Haas zeigt das ganz individuelle Verständnis des… manischen Sammlers…” Klar, manisch muss sein.

Heiße Luft im Keller

Und weiter mit dem Heiße-Luft PR Ballon: “Ein spannendes (wenn nichts mehr hilft: die rhetorische Hülse ‘spannend’ geht immer) Zusammentreffen verschiedenster (nie ohne Superlativ aus dem Haus gehen!) Techniken und Stile, die sich auch mit unseren aktuellen Themen von Integration, Krieg, Vertreibung, Diversität und die Unantastbarkeit der Würde des Menschen auseinandersetzt.” Puuh. Fehlt nur noch der Klimawandel. Aber sonst ist das Bullshit-Bingo kunstwissenschaftlicher Geschwätzigkeit perfekt.

Konkret bedeutet das für den Besucher: Geh’ runter in den Keller. Nimm dir ein usseliges Faltblatt. Lauf ratlos herum. Und such’ auf dem Faltblatt die Infos zusammen. Hat man die Nummer zum Werk gefunden, erklärt es in Miniaturschrift dem Betrachter, was er da gerade vor sich hat. Also: Lauf’ weiter herum, schau’ weiter verzweifelt auf das Faltblatt und fühl’ dich überfordert. Das ist das Prinzip. Kunst muss wehtun.

Tolle Exponate – aber das nächste Mal mit Einordnung

Kunst braucht Einordnung, ist für die Allerwenigsten nur ein visuelles Erlebnis. Diese Faltblatt-Odyssee ist das Resultat einer kunstpädagogischen Bevormundung, wie sie vermutlich an einer drittklassigen Provinz-Kunsthochschule für möglichst bald zu verheiratenden Höheren Töchtern gelehrt wird.   

Dabei sind die Exponate unglaublich und unbedingt sehenswert. Sie sind für das kleine Hangstädtchen ein Knüller.

Aber irgendwie alles zusammenhängen, ist bestenfalls eine “Bares für Rares”-Sammelsurium, schlimmstenfalls Sammler-Protzerei, einer Oldtimer-Sammlung am Leeberg nicht unähnlich.

Nahezu erholsam ist dann der Gang in die Nebenräume zum Namensgeber des Museums Gulbransson. Hier will man noch erklären und erzählen.

Cross-Collection “Der andere Blick”: noch bis Januar 2024 im Olaf Gulbransson Museum zu sehen. 12 Euro Eintritt, 6 Euro mit TegernseeCard. Öffnungszeiten: 10 bis 17 Uhr, Dienstag bis Sonntag

SOCIAL MEDIA SEITEN

Anzeige
Aktuelles Meinung

Diskutieren Sie mit uns
Melden Sie sich an und teilen Sie
Ihre Meinung.
Wählen Sie dazu unten den Button
„Kommentare anzeigen“ aus

banner