Bürgernähe gerne auch mal etwas anders, nur bitte nicht bei uns. Die Absage der Gemeinderäte aller fünf Tal-Gemeinden an eine Live-Übertragung war eindeutig. Entscheidungen, Debatten und Diskussionen der interessierten aber nicht anwesenden Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen, scheiterte an diversen Bedenken.
Dabei braucht es nicht viel, um via Internet-Stream live aus den Rathäusern rund um den Tegernsee auf die Sitzungen zuzugreifen. Kamera, Mikrofon und eine Internetverbindung. Ohne Zeitverzögerung. Mit ausreichender Bild und Tonqualität.
Der Vorsitzende der Wiesseer SPD Robert Kühn beispielsweise äußerte sich im November 2012 tendenziell positiv zu den Aussichten eines erneuten Antrags im: „Wir schätzen heute die Chancen der dadurch entstehenden Transparenz deutlich größer ein als die Risiken.“, so Kühn, der anfügt:
Digitale Beteiligung wird kommen und wir brauchen das auch. Darin stecken noch viele Möglichkeiten. Ich habe selbst beispielsweise nur wenig Zeit die Sitzungen persönlich zu besuchen. Ich würde sie mir aber gerne Zuhause anschauen oder mich anderweitig an der lokalen Politik beteiligen, wenn ich die Zeit dazu finde. Und so geht es bestimmt noch viel mehr Menschen.
Eine Bedingung müsste aber in jedem Fall erfüllt sein: „Die Übertragung datenschutzrechtlich einwandfrei sein und durch die Gemeinde oder eine unabhängige Stelle erfolgen“, so die Aussagen mehrerer Politiker.
Andere Räte rund um den Tegernsee waren dagegen skeptischer bei soviel moderner Technik und Transparenz, und vermuteten, dass durch ein Live-Streaming die „Diskussionsfreudigkeit“ und „Spontanität“ verloren geht. Die Befürchtung: diverse „Aussagen werden nur noch für die Kamera fabriziert“, um dadurch beim Bürger Eindruck zu machen.
Fehlende Fakten
Mittlerweile haben sich auch viele andere Gemeinden im Landkreis mit dem Thema auseinandergesetzt. Im Gegensatz zu einigen Tal-Gemeinderäten in der Mehrzahl in öffentlichen Sitzungen. Doch auch das hat die Argumente für oder gegen eine Live-Übertragung nicht nachvollziehbarer gemacht. Oft genug wird mit falschen Fakten, tendenziöser Moderation durch die Bürgermeister und einem im Vorfeld klar vereinbarten Abnicken gegen einen Antrag von Bürgern oder einzelnen Politikern der Status Quo gewahrt.
So wie aktuell in Miesbach. Dort wurde auf der Stadtratssitzung am vergangenen Donnerstag über den Antrag eines Bürgers auf Streaming von Stadtratssitzungen abgestimmt. Norbert Hirsch, unter anderem Mitglied bei der Piratenpartei Miesbach, hatte den Antrag eingereicht. Die Art und Weise, wie der Miesbacher Stadtrat das Thema behandelte, weckt Erinnerungen. Die Piratenpartei kritisiert die Art und Weise in einer aktuellen Stellungnahme:
Es entsetzt uns, dass von Hirschs Antrag selber nur Adresse und Datum, jedoch keinerlei Argumente genannt wurden. Wir bezweifeln, dass die Mitglieder des Stadtrates Gelegenheit hatten sich ausführlicher mit Herrn Hirschs Darstellungen zu beschäftigen, da die Ausführungen der Verwaltung, welche den Gemeinderäten vorlagen und während der Sitzung behandelt wurden ein verzerrend negatives Bild des Streamings von Gemeinderatssitzungen wiedergaben.
Insbesondere fehlten folgende Argumente:
– Das günstige Angebot der Firma “Streaming-Services” über ca. 600 Euro pro Jahr wurde nicht genannt
– Die CSU-Bürgerbefragung 2012, welche als Beleg genannt wurde, dass 2/3 der befragten Bürger der Gemeinde Bad Wiessee der Meinung waren, dass ihre Gemeinde transparenter sein solle wurde nicht genannt
– Verweise auf einen Fernsehbericht der die Außenwirkung, die durch vergangene Ablehnungen im Landkreis entstand wurden nicht bekannt
Hirsch indes zeigt sich über die Vorgänge verständlicherweise enttäuscht: “Offenbar hat die Bürgermeisterin Frau Pongratz den Stadtrat in Unkenntnis über den gesamten Inhalt des Antrags gelassen, damit eine Entscheidung in ihrem Sinne zustande kommt.”
“Der Antrag wird dermaßen runtergebügelt….”
So sei laut Hirsch beispielsweise das Bedenken des Stadtrates Alfred Mittermeier (CSU) über die Kosten des Streamings trotz des vorliegenden Angebotes nicht entkräftet worden. “Als die Sprache auf die Kosten kam, referierte Bürgermeisterin Ingrid Pongratz nur von den Erst-Anschaffungskosten im vierstelligen Bereich.” Pongratz hatte in ihren Ausführungen auch klargemacht, dass Zuschauer der Stadtratssitzung gefilmt werden können. Andere Gemeinden in Bayern zeigen jedoch, dass eine Kamerapositionierung möglich ist, die die Zuschauer nicht zeigt.
Insgesamt, so die Meinung der Piraten, sei der Eindruck entstanden, als wäre es in der Miesbacher Stadtratssitzung nicht um einen “beratenden, erörternden Effekt” gegangen. So hatte sich ein Ratsmitglied schon vor Beginn der Sitzung zu Hirsch gewandt und die folgende Aussagen fallen lassen: “Der Antrag wird so dermaßen runtergebügelt….”
Für den Antragssteller ist der Verlauf der Miesbacher Sitzung dagegen bezeichnend und beweist eines: “Das Vorgehen der Bürgermeisterin zeigt wie dringend mehr Transparenz in der Politik ist.”
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