Trotz einiger „Empörung“ aufgrund der ausgefallenen Schranke in Gmund-Finsterwald ist die Situation nicht so klar, wie sie auf den ersten Blick erscheint. Denn Vorfahrt hat immer der Zug ‒ ob eine Schranke funktioniert oder nicht.
Als am Freitag gegen 19 Uhr ein Ehepaar aus Ensdorf mit ihrem Auto auf den Bahnübergang in Finsterwald zusteuert, ahnen die beiden noch nicht die Gefahr, die sich dem frei befahrbaren Übergang nähert. Von rechts kommend, befindet sich die BOB mit rund 60 Passagieren an Bord nur noch wenige Hundert Meter vor dem Übergang.
Die 61-jährige Autofahrerin bemerkt den herannahenden Zug jedoch nicht. Da die Schranke oben ist, geht sie davon aus, dass sie freie Fahrt hat. Ein fataler Irrtum, der am Ende fast zur Katastrophe führt. Der Lokführer sieht im letzten Moment die offene Schranke und leitet eine Vollbremsung ein. Aufgrund der Geistesgegenwart des Fahrers, so die derzeitige Faktenlage, touchiert der Zug das Auto nur leicht ‒ und das bei geringer Geschwindigkeit. „Er hat absolut richtig reagiert“, so der Chef der Tegernsee-Bahn Heino Seeger.
Seeger, seit dem 1. Juli Geschäftsführer der Tegernsee-Bahn, ist in seiner Funktion gleichzeitig Herr über die Bahnhöfe und Bahnübergänge im Bereich des Tegernseer Tals. Der 58-Jährige war bis Ende letzten Jahres Chef der Bayerischen Oberland und kennt sich aus mit knappen Situation. „Hier sind wir noch mal mit einem blauen Auge davongekommen“, weiß Seeger.
Ursache unklar
Was genau zu dem Ausfall der Automatik an dem halbbeschrankten Bahnübergang in Finsterwald führte, das werde derzeit noch untersucht. „Überspannungen aufgrund eines Gewitters sind zum Beispiel typische Gründe für einen Ausfall“, erklärt der 58-Jährige. Doch im aktuellen Fall habe es kein Gewitter gegeben. „Wir suchen noch nach der genauen Ursachen“, so Seeger, der gleichzeitig versichert, dass die Anlage direkt nach dem Vorfall am Freitagabend wieder einwandfrei funktionierte. „Wir mussten das wie einen Computer reseten, dann ging alles.“
Klar ist eines: der Sachschaden von rund 6.000 Euro, der an beiden Fahrzeugen entstand, hätte noch viel höher ausfallen können. Und auch dass niemand verletzt wurde, ist eine glückliche Fügung. Vor etwa vier Monaten ereignete sich etwa zehn Kilometer nördlich am Übergang in Piesenkam ein schwerer Zusammenstoß zwischen einer BOB und einem Pkw. Im völlig zerstörten Auto starb damals die 53-jährige Beifahrerin.
„Schienenfahrzeuge haben immer Vorrang“
Dabei ist die Rechtslage an Übergängen grundsätzlich eindeutig. Schienenfahrzeuge haben immer Vorrang, so steht es in der Straßenverkehrsordnung ‒ unerheblich, ob eine Schranke da ist und ob sie funktioniert. So heißt es in § 19, dass sich ein Auto einem Bahnübergang mit Andreaskreuz nur in mäßiger Geschwindigkeit nähern darf. Wenn ein Zug kommt, müssten Autos oder Fußgänger vor dem Andreaskreuz warten.
Doch das sei graue Theorie, wie Seeger erklärt. „Was wir schon alles erlebt haben an den Übergängen. Fußgänger auf den Schienen, Autos, die Halbschranken umfahren ‒ die Menschen haben meines Erachtens den notwendigen Respekt vor Zügen verloren.“
Und auch am Bahnübergang in Gmund ist von mäßiger Geschwindigkeit bei den Autofahrern nichts zu spüren. Die meisten bremsen vor dem Übergang nicht ab und hätten so aufgrund einer gewissen Unübersichtlichkeit vor Ort auch kaum eine Chance, noch kurzfristig zum Stehen zu kommen.
Doch das fehlende Wissen oder der laxe Umgang mit Schienenfahrzeugen, die den normalen Straßenverkehr kreuzen, kann schnell gefährlich werden, wie man an diversen Fällen sieht. Am Freitag ist zwar alles noch mal gut gegangen. Beim nächsten Aufeinandertreffen könnte der Zusammenstoß für die Insassen fatal sein.
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