“Wir sollten uns fragen, welchen Tourismus wir am Tegernsee überhaupt wollen”

Thomas Mandl ist SPD-Stadtrat in Tegernsee. Als Einzelkämpfer muss er sich, wie auch schon Karl Deisler von der Rottacher FDP, mit keinem Fraktionskollegen abstimmen, um auf wichtige Fragen zu antworten.

So haben wir den SPDler zu einigen talweiten Themen befragt, die die Bevölkerung des Tegernseer Tals immer wieder beschäftigen.

Herr Mandl, was sagen Sie zum Verkehr am Tegernsee und woher kommt ihrer Meinung nach die hohe Verkehrsbelastung?

Thomas Mandl: Oberstes Ziel muss meiner Meinung nach sein, den Verkehr im Tal zu reduzieren. Das ist gut für die Umwelt, auch für den Tourismus und auch für uns. Das fast schon vergessene Maschke-Konzept beweist, dass die hohe Verkehrsbelastung für viele Übernachtungsgäste ein Grund ist, nicht wieder ins Tal zu kommen.

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Thomas Mandl von der Tegernseer SPD.

Obwohl es unstrittig ist, dass der Autoverkehr reduziert werden muss, setzen manche immer noch auf eine auf das Auto fixierte Mobilität. In Tegernsee will man sogar eine Parkgarage bauen, um mehr Sonntagsfahrer anzulocken.

Dabei ist die kostenlose Beförderung unserer Gäste durch den RVO ein großer Schritt in die richtige Richtung. Aber das kann meiner Meinung nach erst der Anfang sein. Warum nicht eine günstige Jahreskarte auch für die Bevölkerung? Meiner Meinung sollte auch immer wieder Versuche unternommen werden, die Seenschifffahrt wieder in den OPNV zu integrieren. Früher sind meine Schulkameraden mit dem Schiff in die Schule gekommen. Warum soll das heute nicht mehr gehen?

Wie wichtig ist für Sie in dem Zusammenhang das Thema Elektromobilität?

Mandl: Elektromobilität bietet vor allem in ökologischer Hinsicht Chancen, auch wenn sich die Autos (noch) schlecht verkaufen. Ich glaube, der Löwenanteil aller Fahrten sind Kurzstrecken. Auch Berufspendler fahren selten mehr als 50 km. Da ist das Elektroauto eine echte Alternative. Man muss die eMobilität aber auch fördern. Durch günstige Kredite und durch Anreize. So würde ich Elektroautos von der Parkgebühr befreien. Kostenlos tanken kann man im Tal ja bereits heute. Aber das reicht natürlich nicht. Es muss insgesamt eine passende Infrastruktur aufgebaut werden, mit regenerativen Energien als Basis.

“Welchen Tourismus wollen wir überhaupt?”

Vor kurzem wurden die aktuellen Übernachtungszahlen bekannt gegeben. Auch für Tegernsee sieht es nach einer nachhaltigen positiven Entwicklung aus. Worin sehen sie die Vorteile im Zusammenschluss der TTT mit der ATS? Gibt es hier Ihrer Meinung nach auch Risiken?

Mandl: Aktuell rennt man da noch einer Entwicklung hinterher, die man vor 20 Jahren verschlafen hat. Positive Ergebnisse sind aber erkennbar. So bei der Ausschilderung der Wanderwege oder die Entwicklung von Mountainbike-Touren, um nur einige Beispiele zu nennen. Die Übernachtungszahlen steigen wieder. Allerdings ausgehend von einem niedrigem Niveau. Das darf man bei aller Euphorie nicht vergessen.

Das Problem dabei ist, dass es meines Erachtens bis heute für das Tal kein umgreifendes Konzept gibt. Alle wollen Tourismus, aber wichtige Fragen werden nicht gestellt oder bleiben unbeantwortet. Was für einen Tourismus wollen wir eigentlich? Wo wollen wir hin? Konzentrieren wir uns auf einen sanften Tourismus oder wollen wir die Autoschlangen am Wochenende mit Schneekanonen auf den Bergen? Wie wirkt sich der demografische Wandel auf den Tourismus aus? Und nicht zuletzt: wie viel Tourismus wollen wir überhaupt?

Ich habe manchmal auch den Eindruck, dass im Tal wenig kreativ zu Werke gegangen wird. Man macht, was alle Tourismusorte machen, nur meistens etwas später und in kleineren Dimensionen. Und dann wird alle Hoffnung auf die Vermarktung gesetzt, nach dem Motto: Wir müssen nur auf Messen präsenter sein oder mehr und besser werben, dann erstrahlt das Tal wieder in alter Größe. Dass sich vielleicht auch Strukturen im Tal ändern müssen, wird für mich viel zu selten hinterfragt.

Was wäre denn für Sie ein passender neuer Tourismus für das Tegernseer Tal?

Mandl: Wir als SPD werden uns für einen landschaftsschonenden, sanften Tourismus einsetzen. Tagestourismus ja, aber dann bitte mit dem ÖPNV. Die Menschen, die mit der Bahn kommen, müssen belohnt werden. Das Bräustüberl macht es mit seinem Freibier für Fahrkartenbesitzer ja vor. Bitte mehr davon. Und auch mehr Strategien, wie man die Besucher vom Bahnhof in die Lokale und Geschäfte lotsen kann.

Die Züge sind übrigens an einem schönen Wochenende teilweise so voll, dass nicht einmal der Schaffner mehr hineinpasst. Da muss unbedingt am Takt gearbeitet werden, an den Anschlüssen in die einzelnen Orte am See. Und natürlich am Erscheinungsbild. Nehmen wir nur den Tegernseer Bahnhof. Was für einen Eindruck muss ein Gast gewinnen, der hier zum ersten Mal eintrifft? Und da geht es nicht nur um die Toiletten.

Macht für Sie der Zusammenschluss der beiden Tourismusorganisationen Sinn?

Mandl: Den Zusammenschluss von TTT und ATS halte ich prinzipiell für richtig. Ich sehe da mehr Chancen als Probleme. Wichtig wäre aber, dass TTT und ATS ein Leitbild formulieren, welches Ziele sowie Art und Weise der Zusammenarbeit beschreibt. Ich halte es für sehr bedenklich, dass es die TTT bis heute nicht geschafft hat, sich ein solches Leitbild zu geben. Das lässt auf eine gewisse konzeptionelle Unsicherheit schließen.

Und natürlich braucht es auch eine nachvollziehbare Erfolgskontrolle. Die TTT bekommt sehr viel Geld. In der vorletzten Stadtratssitzung wurde noch ein deutlicher Nachschlag beschlossen. Ich habe in der Vergangenheit ein im TTT-Management verankertes Erfolgsmonitoring angemahnt. Wir werden das auch weiterhin genau beobachten, was mit dem Geld der Steuerzahler passiert, und ob es erfolgreich verwendet wird. Ein Fehlschlag wie in Moosrain darf sich nicht wiederholen.

Energiewende: “Der Elan fehlt”

Bis 2035 soll der Landkreis Miesbach, und somit auch das Tegernseer Tal, energieautark sein. Ist dieses Vorhaben Ihrer Meinung nach realistisch?

Mandl: Erstmal muss ich sagen, dass wir die Ziele der Energiewende Oberland und des Landkreises unterstützen. Ich darf sogar behaupten, dass der „Arbeitskreis Energiewende“ in Tegernsee nicht zuletzt auch wegen meiner Anträge einberufen wurde.

Allerdings habe ich den Eindruck, dass im Tal die Ziele des Landkreises nicht mit dem nötigen Ehrgeiz verfolgt werden. Mir geht das alles zu langsam. Der Elan fehlt.

Ich halte die Energieautarkie bis zum Jahr 2035 für realistisch, wenn man den Landkreis als Ganzes zu Grunde legt. Dass das Tegernseer Tal alleine autark wird, halte ich für sehr schwierig. Trotzdem muss man es natürlich anstreben.

Windkraft scheidet als größere Energiequelle im Tal mangels Wind aus. Bestimmt geht aber im Landkreis etwas. Geothermie im größeren Umfang geht am Tegernsee wohl auch nicht. Wohl aber im Norden des Landkreises. Vielleicht kann im Tal die erdnahe Geothermie ausgebaut werden, was für Hausbesitzer durchaus eine interessante Option ist. Interessant finde ich die Idee, den Tegernsee selbst mittels Wärmepumpe als Energiequelle zu nutzen. Die Schweizer machen das schon vor: So werden beispielsweise in St. Moritz ein großes Hotel, ein Schulhaus sowie zwei Mehrfamilienhäuser mit Energie aus dem See beheizt. Das spart fast 500.000 Liter Erdöl pro Jahr.

Gestatten Sie mir eine Anmerkung. Wir haben hier die einzelnen Punkte separat abgehandelt. Aber alles hängt zusammen. Ein Zahnrad greift ins andere. Wir können auf Dauer als touristische Destination meiner Meinung nach nur erfolgreich sein, wenn die Energiewende gelingt. Die Energiewende kann aber nur gelingen, wenn wir den Verkehr in den Griff bekommen. Als energieautarkes Tal hätten wir endlich ein attraktives Alleinstellungsmerkmal. Wenn wir weiter zögern, werden uns wieder andere Destinationen zuvorkommen.

“Eine einzige Talgemeinde? Das hat was!”

Letzte Frage. Wie kann Ihrer Ansicht nach die Zusammenarbeit unter den Tal-Gemeinden, auch auf politischer Ebene noch verbessert werden? Und was ist Ihre Vision für das Tal?

Mandl: Hier sind schon deutliche Fortschritte in den letzten Jahren erkennbar. Die Zusammenlegung der Standesämter im Tal ist da ein immer wieder genanntes und gutes Beispiel. Auch die Freiwilligen Feuerwehren gehen mit gutem Beispiel voran und stimmen ihre Anschaffungen untereinander ab.

Als Leiter einer Volkshochschule halte ich den Zusammenschluss der Volkshochschulen im Tal für absolut notwendig. Bildung ist eine Schlüsselkompetenz und wird immer wichtiger.

Insgesamt wird dem Tal nichts anderes übrig bleiben, als weiter zusammen zu wachsen. Die TTT ist ja dafür ein Paradebeispiel. Die Herausforderungen werden immer komplexer und können von einer Gemeinde alleine gar nicht mehr geschultert werden. Für mich hat die Vorstellung einer einzigen Talgemeinde einen großen Charme.

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