“Wir wollen keine Ideologie verkaufen”

Eine Institution verändert sich. Der kleinteilige Weltladen, bis jetzt in der Holzkirchner Marienstraße, wird nach Ostern größere Räume am Hochgehweg in der Münchner Straße beziehen. Der Umzug zeigt, wie sich der Verein zwischen Marktwirtschaft und sozialer Orientierung im fairen Handel neu verortet. Und das, obwohl der “Exot eigentlich zum Scheitern verurteilt ist.”

Hogger und Pflügel wollen fair gehandelte Ware und keine Ideologie verkaufen.
Hogger und Pflügel wollen fair gehandelte Ware und keine Ideologie verkaufen.

Für den Holzkirchner Eine-Welt-Verein ist es ein großer Schritt, aus der Enge einer ehemaligen Werkstatt mit Pelletsofen in ein frisch renoviertes Ladenlokal mit Fußbodenheizung umzuziehen. Bis Karsamstag findet man die Waren aus fairem Handel noch in Marktplatz-Nähe, am 11. April wird der neue Standort eröffnet. Für Vorstand Rudolf Hogger ist der Wechsel nur logisch. „Wir verfolgen damit das Professionalisierungskonzept unseres Dachverbandes.“

Die ehrenamtliche Führungscrew und die rund 100 Mitglieder aus Holzkirchen, Otterfing und Umgebung haben sich über die Jahre das Handwerkszeug von Einzelhandelsprofis angeeignet. Ein Blick auf eine Sinus-Milieu-Studie etwa hat klar gezeigt, dass sich die Kundschaft vorwiegend in der gebildeten Oberschicht bewegt, die Wert legt auf „Qualität, Kunst und Kultur“.

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Von Lebensmitteln bis Kunsthandwerk

In den Läden gibt es daher ein breites Sortiment an Lebensmitteln, Kunsthandwerk, Schmuck und Textilien aus Mittel- und Südamerika, dem Nahen Osten, Afrika und Asien. Überwiegend werden die Waren in Kleinbetrieben und Genossenschaften hergestellt. Der Faire Handel garantiert langfristige Partnerschaften zu einem kostendeckenden Preis, unabhängig von den stark schwankenden Weltmarktpreisen. Die Vereinsmitglieder stemmen den Laden und ergänzende Aktionen komplett ehrenamtlich.

„Im Einzelhandel sind wir ein absoluter Exot und eigentlich zum Scheitern verurteilt“, sagt „Chef-Einkäuferin“ Inge Pflügel. Doch sie hat bei der Sortimentsgestaltung offenbar ein gutes Händchen. Laut Hogger ist der Umsatz in den vergangenen Jahren durchschnittlich um 3 bis 5 Prozent auf aktuell rund 120.000 Euro angewachsen. Aufgrund der Rücklagen aus den vergangenen Jahren könne auch der Umzug aus eigener Kraft gestemmt werden. „Für die Einrichtung kommen professionelle Handwerker des Dachverbandes“, freut sich der Vorstand.

Die Verantwortlichen haben es sich bei der Standortsuche nicht leicht gemacht. Vorausgegangen waren unter anderem eigene Zählungen von Passanten. Seit der Eröffnung des HEP und der Einführung von Parkgebühren am Herdergarten seien diese deutlich zurückgegangen. Die Vereinsvertreter setzen nun auf gute Sichtbarkeit an der Hauptstraße gegenüber von Post, Hofpfisterei und Franzetti. Dazu kommt die Hoffnung auf Laufkundschaft durch Wohnungen und Boarding-House auf dem ehemaligen BayWa-Gelände: „Es wird wohl einige Zeit brauchen, bis sich die Stammkunden umgewöhnt haben. Aber wir hoffen, dass sich das bis zum nächsten Jahr einpendelt.“

Professionelle Präsentation

Die angebotenen Produkte sollen weiterhin qualitativ hochwertig sein und entsprechend präsentiert werden. Als Beispiele dienen Leder-Handtaschen und afrikanische Skulpturen aus Sandguss-Messing mit Preisen über 200 Euro. Ein weiteres Aushängeschild im Sortiment seien so Inge Pflügel modische Textilien aus Alpaka.

Im Vergleich zu Boutiquen sind wir hier auch im Preis konkurrenzlos.

Eine Küchenzeile bietet künftig die Möglichkeit, Kaffee oder andere Produkte verkosten zu lassen. Der Umsatzanteil an fair gehandelten Lebensmitteln – Tee, Kaffee, Zucker, Schokolade, Gewürze, Trockenfrüchte – geht zwar in den Weltläden seit Jahren zurück. Ein Grund ist unter anderem, dass Naturkost-Läden und mittlerweile sogar Discounter Waren mit Fairtrade-Logos führen. Dennoch bleiben die Produkte ein wichtiger Bestandteil des Sortiments – und des Einkaufserlebnisses.

Anders als dem Weltladen-Dachverband geht es Hogger mit dem Laden nicht primär um die Vermittlung politischer Botschaften zur gerechten Weltwirtschaft. Sein Credo: „Ich will Ware verkaufen, keine Ideologie. Die Leute sollen Spaß haben am Einkaufen.“ Natürlich habe jedes Produkt im Laden seine eigene Projektgeschichte. Aber daraus ließen sich keine Modelle für den globalen Handel konstruieren. „Da zählt nur Marktwirtschaft. Wir unterstützen diejenigen, die durch das Raster fallen.“

Der Weltladen zieht bald um.
Produkte von Menschen, die durch das Raster fallen.

Gewinne aus dem Laden fließen unter anderem in Projekte, die Selbständigkeit und Wettbewerbsfähigkeit fördern. Zu verschiedenen Produzenten bestehen persönliche Kontakte, wie zu K.K.M. einer Textilgenossenschaft ehemaliger Leprakranker in Indien, einem Straßenkinderprojekt in Delhi oder einer Kooperative in Peru.

Damit können teilweise Zwischenhändler ausgeschaltet und Waren direkt importiert werden. Dazu gibt es gezielt Unterstützung für die Menschen vor Ort, beispielsweise im medizinischen Bereich, beim Brunnenbau oder bei der Versorgung mit Solarlampen oder –kochern.

Der Verein meistert den Spagat zwischen Marktwirtschaft und fairem Handel nicht nur mit den Ländern des Südens. Der Otterfinger Weltladen führt zusätzlich regionale Produkte wie Honig oder Schaffelle. Damit will man auch den einheimischen Produzenten unter die Arme greifen.

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