Wird ihm seine Tegernsee-Liebe zum Verhängnis?

Über ein halbes Jahr nach Beginn des Ukrainekriegs wird es am Tegernsee für einen russischen Oligarchen immer ungemütlicher. Heute rückte das BKA an, um seine zahlreichen Villen zu durchsuchen.

Nach Tagen strahlt die Sonne wieder über dem Tegernsee. In Rottach-Egern ist es verdächtig ruhig. Einige Anwohner schneiden leidenschaftlich ihre Hecke. Sie beschweren sich im Vorbeilaufen über den kleinen Medienauflauf am Ende der Straße. Eine Frau auf einem Balkon spricht lauter: “Weg von meinem Grundstück. Was soll des dann hier immer.”

Am Ende der Straße hängt ein Absperrband. Vermummte Polizisten stehen vor den Villen von Alisher Usmanow. Vor der Kamera steht Thomas Tomaschek, Gemeinderat der Grünen, und gibt ein Interview. Er war es, der nach Beginn des Krieges in der Ukraine den Ball mitunter ins Rollen gebracht hat. Eine Demo sollte auf die Oligarchen am Tegernsee aufmerksam machen. Ein Freund und Verbündeter Putins? Heute wissen wir, dass im Verborgenen des Tegernseer Tals schon lange einige Dinge gewaltig schiefliefen.

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Beschaulich ja – Idylle wohl eher weniger im Moment

Den alten Spruch “Jede Presse ist gute Presse” scheint man dem beschaulichen Ort am Ufer des Tegernsees nicht anzuhängen. Am liebsten, hat es den Anschein, würden viele Bürger und Geschäftstreibende in Rottach-Egern den Schleier des Vergessens über den unglückseligen russisch-usbekischen Oligarchen hängen. Und über die weltweite Aufmerksamkeit, die das temporäre Gemeindemitglied dem Ort am südlichen Ufer des Tegernsees beschert.

Selbst aus Amerika reisten in den letzten Monaten Journalisten der New York Times an, um Interviews mit den Handwerkern, Politikern und Nachbarn des russischen Oligarchen zu führen. Bürgermeister Christian Köck geriet in Bedrängnis ob seiner etwas widersprüchlichen Kommentierung des Geschehens: Mal wollte er den als Putin-Freund bekannten Geschäftsmann als gar nicht so schlimm darstellen, um dann nur Tage später in den Medien den Vorstoß zu wegen, ukrainische Flüchtlinge in den Villen des sanktionierten Oligarchen unterzubringen zu wollen.

Auch Nachbarn und ehemalige Angestellte des Rottacher-Zweitwohnsitzlers wussten eigentlich nur Gutes über den “unscheinbaren” und, wie es hieß, “scheuen” Mann, zu berichten. Die meisten Bürger jedoch, erfuhren erst aus den Nachrichten, dass der Oligarch einer von Ihnen im Dorf ist.

Es ist aber auch nicht einfach, wenn sich eine Gemeinde von gerade mal rund 5.500 Einwohnern aus heiterem Himmel damit auseinandersetzen muss, einen Freund des russischen Präsidenten, der von einem Tag auf den anderen zur “Persona non grata” in Europa wurde, über Jahre freudig hofiert zu haben. Der russische Oligarch wurde kurz nach dem Beginn des Angriffskriegs des russischen Militärs gegen den Nachbar- und ehemaligen Bruderstaat die Ukraine auf die EU-Sanktionsliste gesetzt. Im Jahr 2016 siedelte er sich in Rottach-Egern an. Wohlgemerkt zu einer Zeit, als Berlin noch rege Kontakte nach Russland und zu dessen Präsidenten pflegte.

Rauschende Feste und viele Aufträge für die heimische Wirtschaft

Wie schon viele Russen vor ihm, genoss der milliardenschwere Großindustrielle, der sein Vermögen wohl auch mit freundlicher Unterstützung des russischen Präsidenten anhäufen konnte, das luxuriöses Leben am Tegernsee. So sehr, dass er sich insgesamt drei Anwesen in Seenähe zulegte. Im benachbarten Luxushotel, dem Hotel zur Überfahrt, mietete der Russe regelmäßig Luxussuiten an, in denen er Freunde und besondere Gäste unterbrachte. Dafür sollte man schon das nötige Kleingeld haben. Immerhin kosten die schönen großen Villen am Tegernsee mindestens so viel, wie entsprechende Anwesen in Kampen oder Baden-Baden.

Von rauschenden Festen mit Champagner und Kaviar ist die Rede. Bilder gibt es keine. Was aber auch nicht verwundert, da man sich im Nobelort am Tegernsee schon immer in Diskretion übte. Immerhin konnten Handwerker, Hotels und Dienstleister am Luxusleben des russischen Oligarchen durchaus partizipieren – und das nicht schlecht, wie man sich rund um den See erzählt.

Als dann im Februar der russische Oligarch durch den Angriffskrieg in den Fokus der europäischen und bundesdeutschen Ermittlungsbehörden geriet, versiegte der Geldfluss abrupt und Katerstimmung machte sich breit in Rottach-Egern. Die Villen des vielfachen Milliardärs wurden beschlagnahmt. Noch laufende Ausbaumaßnahmen des lokalen Architekten und der Handwerker stoppten die Behörden augenblicklich. Ebenfalls wurden die Konten des Oligarchen und seiner Verwandtschaft eingefroren. Was die Bezahlung noch offener Rechnungen der einheimischen Dienstleister bis heute verhindert.

Eine Demo brachte das “Empörungsfass” zum Überlaufen

Als dann auch noch die Medien ihr Interesse an dem Lieblingsort der sanktionierten Oligarchen entdeckten, wurde es richtig kompliziert. Das “Empörungsfass” zum Überlaufen brachte dann eine vom lokalen Grünen Gemeinde- und Kreisrat Thomas Tomaschek organisierte Demo gegen den Oligarchen und gegen Putins Krieg in der Ukraine im Frühjahr im hiesigen Kurpark.

Die Demonstration der über 300 empörten Bürger stellt wahrscheinlich ein Novum in der Gemeindehistorie dar. Demonstrationen kennt man hier im tiefsten bayerischen Oberland eigentlich nur aus den Medien oder von den heimischen Almbauern. Und das auch noch direkt an der berühmten Seestraße und in direkter Nachbarschaft all der Luxusboutiquen und Restaurants in Rottach. Tomaschek berichtet bis heute über Beschimpfungen und Anfeindungen für sein Engagement.

Das wird sich nach dem heutigen Tag wohl kaum schnell ändern. Denn wieder war es der Grünenpolitiker, der als einziger offizieller Vertreter der Gemeinde den Medien, die vor Ort über die Razzia berichteten, Rede und Antwort stand. Spannend wird auch noch sein, wie die Reaktion der vielen ukrainischen Flüchtlinge auf das harte Durchgreifen des Bundeskriminalamtes aussehen wird. Denn man darf bei aller Ortsschelte auch nicht vergessen, dass in der Gemeinde Rottach-Egern, wie sich auch bei der Demo gezeigt hat, viele Menschen leben, die dem Treiben des Oligarchen durchaus skeptisch gegenüberstehen. Auch über alle Parteigrenzen hinweg.

Wenn der Oligarch zu lange am See verweilte, wird’s teuer

Eines scheint seit dieser Nacht jedoch klar: Die Zeit des Abwartens und Zauderns der deutschen Ermittlungsbehörden ist vorbei. Schon in der Nacht wurde der Luxusliner des Oligarchen, den der Milliardär bereits seiner Schwester überschrieben hat, aus dem Dock von Blohm und Voss an einen sicheren Hafen in Bremen geschleppt. Dazu heute die sehr aufwendige Razzia in den Anwesen des Oligarchen.

Gestern noch im Dock von Blohm & Voss – der private Luxusliner des Rottacher Oligarchen / Quelle: TS

Wenn es stimmt, was man aus den investigativ recherchierenden Medien des Spiegels, der SZ, dem NDR und vielen anderen hört, soll sein Vermögen auf schlappe 15 Milliarden Euro geschätzt wird, fast eine halbe Milliarde Euro am bundesdeutschen Fiskus vorbeigeschleust haben. Was aber nur schwer zu beweisen sein wird. Immerhin heißt es, dass der Multimilliardär seine Geschäfte über Scheinfirmen, Offshore Konten und diverse Mittelsmänner verschlüsselt haben soll.

Federführend ist die Staatsanwaltschaft München II. Insgesamt wurden heute 24 Objekte des Oligarchen durchsucht. Dabei waren 250 Beamte im Einsatz. Der Schwerpunkt des Einsatzes soll dabei in Bayern gewesen sein, wie die Staatsanwaltschaft informierte. Offiziell wird gegen den Mann wegen möglichen Verstößen gegen das Außenhandelsgesetz ermittelt, wie es weiter heißt. Wozu eben auch die Steuerhinterziehung gehört – ebenso wie Geldwäsche und auch Verstöße gegen die EU-Sanktionsrichtlinien.

Schon seit einem halben Jahr kämpfen sich die Ermittler durch das gewollt komplexe Geschäftsgebaren des russischen Oligarchen. Die Frage wird für das deutsche Finanzamt sein, wie lange der Oligarch sich wirklich dabei am Tegernsee aufhielt. Denn laut deutschem Gesetz ist er dann auch im Land steuerpflichtig. Es könnte für ihn also kostspielig werden.

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