Etwa 50 Waakirchner kamen bei der von Michael Futschik veranstalteten Bürgerversammlung am 7. Mai im Sportheim Kray überein, dass der Charakter von Waakirchens Dorfmitte erhalten bleiben sollte. Niemand der Anwesenden konnte sich mit dem Konzept der Gemeinde anfreunden, auf der freien Fläche zwischen Sparkasse und Bäckervoitl-Anwesen 30 bezahlbare Wohnungen samt Geschäften zu bauen.
Kritisiert hatte man Bürgermeister Sepp Hartl vor allem dafür, dass „ein so großes Projekt“ ohne Bürgerbeteiligung in nichtöffentlichen Sitzungen abgesegnet worden war. Futschik wollte wissen, was die Bürger wirklich wollen und holte sich dafür professionelle Unterstützung. Mit dem Fachbüro Identität & Image erarbeitete eine kleine Gruppe am 7. Mai acht Alternativ-Vorschläge, die man der Gemeinde im Anschluss präsentieren wollte.
Rechnung fällt höher aus als gedacht
Zuvor hatte die Gemeinde Michael Futschik eine Art „Anschubfinanzierung“ in Höhe von 500 Euro genehmigt. 1.500 Euro hatte Futschik beantragt. Nach der Veranstaltung im Sportheim stellte sich jedoch heraus, dass das Fachbüro, dessen Tagessatz bei 750 Euro liegt, etwas länger mit der Ausarbeitung der Vorschläge beschäftigt war und deshalb eine Rechnung über 3.200 Euro stellte.
Damit hatte der Waakirchner nicht gerechnet. Ihm seien „erhebliche Kosten“ entstanden, teilt Futschik der Gemeinde in einem Schreiben vom 6. Juni mit, weshalb er nun um deren Erstattung bitte. Die Kosten für Flyer, Plakate und diverse Fahrten trage er selbstverständlich selbst. Außerdem bat er darum, am 30. Juni eine „Bürgerversammlung“ im Rahmen eines öffentlichen Ortsplanungsausschusses einzuberufen, damit die Vorschläge präsentiert werden können.
Verwunderung im Gemeinderat
In seinem Schreiben, das von Bürgermeister Josef Hartl (FWG) vorgetragen wurde, erinnerte Futschik an die Aussagen vom ersten und zweiten Bürgermeister von vor zehn Jahren, in denen von einer „bürgernahen Gemeinde“ die Rede war. Norbert Kerkel (FWG) zeigte sich über die Frage nach einer weiteren finanziellen Unterstützung „sehr verwundert“. Man habe in der letzten Gemeinderatssitzung doch ausführlichst darüber diskutiert, so Kerkel.
Wie kann man jemanden für 3.200 Euro beauftragen, wenn man weiß, man hat nur 500 Euro zur Verfügung?
Kerkel ließ keinen Zweifel daran, dass es ihm zwar „sehr wichtig“ sei, was die Bürger wollen, dass dieser Wille sich aber auch im geplanten Gemeindeprojekt wiederspiegele. Ganz zu schweigen davon, jetzt „auf die Schnelle“ einen Ortsplanungsausschuss einzuberufen, solange die Finanzierung nicht geklärt sei.
Georg Bachhuber (ABV) widersprach: „In der Bürgerversammlung hatte man Michael Futschik doch gesagt, er solle seine Veranstaltung selbst in die Hand nehmen. Gleichzeitig wurde ihm versprochen, dass er jede Unterstützung von der Gemeinde bekommt“. Der Bürgermeister mischte sich ein. Es sei immer von 1.500 Euro die Rede gewesen, nicht von 3.200 Euro. „Ein Zuschuss von 500 Euro war der Gemeinderatsbeschluss“.
Hölscher lässt sich Wohnprojekt „nicht nehmen“
Das sah Gisela Hölscher (FWG) genauso: „Man kann nicht 1.500 Euro veranschlagen und hinterher das Doppelte präsentieren“. 500 Euro seien schon „großzügig“ gewesen, ist sie der Meinung. Außerdem bedeute Unterstützung nicht zwangsläufig, dass es sich hierbei um eine finanzielle handeln muss. Auch eine moralische sowie beispielsweise die Bereitstellung eines Raumes sei damit gemeint.
Sie werde um bezahlbaren Wohnraum kämpfen, betonte Hölscher. In ihren 13 Jahren Tätigkeit als Behindertenbeauftragte sei ihr bewusst geworden, wie wichtig dies sei. Sie wolle den Gemeindebürgern die Möglichkeit für günstigen Wohnraum bieten. „Das werde ich mir von einer kleinen Gruppe nicht nehmen lassen“. Auch den von Futschik vorgegebenen Termin am 30. Juni empfand sie als „arg knapp bemessen“.
Hartl pflichtete ihr bei, indem er Futschiks Terminvorgabe als „anmaßend“ bezeichnete. „Wir haben immer gesagt, dass wir die Bürger mit ins Boot holen, wenn wir eine Lösung haben“, betonte er. Zumal die Wünsche der Bürger in seinen Augen „ziemlich konträr“ seien. Auf der einen Seite wolle man keinen Lärm, wünsche sich aber ein Mehrgenerationenhaus, führte Hartl als Beispiel an. Dann wiederum bestehe man auf einer grünen Wiese, befürworte aber Parkplätze.
Welzmiller:”500 Euro sind ausreichend”
Der dritte Bürgermeister Rudi Reber (ABV) versuchte einzulenken, indem er darauf hinwies, man lebe „in einer Demokratie“. Michael Futschik habe sich deshalb professionelle Unterstützung geholt, weil er „neutrale Leute“ haben wollte, so Reber. Seine Fraktion habe gesammelt und Futschik mit 900 Euro unterstützt. Diese Summe müsse man von den 3.200 Euro abziehen, wenn man von einer weiteren finanziellen Unterstützung spreche. Reber schlug deshalb vor, Futschik eine Summe von 1.500 Euro zu genehmigen. Diesen Vorschlag konnte auch Balthasar Brandhofer (ABV) akzeptieren.
Waakirchens zweiter Bürgermeister Erwin Welzmiller (CSU) wollte seine in Futschiks Schreiben erwähnte Aussage von vor zehn Jahren nicht unkommentiert im Raum stehen lassen. Er freue sich über eine Bürgerwerkstatt, so Welzmiller, gebe aber auch zu bedenken, dass sich der Gemeinderat zwei Tage lang mit seinem Wohnprojekt befasst habe, um den Bürgern einen „untermauerten, finanziell abgesicherten“ Vorschlag unterbreiten zu können.
Und weiter stellte er klar, dass die „Anregung des Gemeinderats nicht in Stein gemeißelt“ sei. Die 500 Euro, die Futschik für seine Bürgerveranstaltung von der Gemeinde bereits bekommen hat, hielt er für „ausreichend“. Dem pflichtete Gwendolin Kalch (SPD) bei:
Jeder normale Mensch kann moderieren, ein Flipchart aufhängen und Punkte verteilen, da braucht’s keine Edelleute, die 750 Euro am Tag kosten.
Profis könne man zu einem späteren Zeitpunkt hinzuziehen. Auch Günter Jeske (FWG) sah das Vorgehen von Futschik als „absolut verfrüht“ an. Erst müsse man abwarten, ob das von der Gemeinde geplante Wohnprojekt von der Regierung gefördert wird oder nicht. Und er fügt hinzu: „Ein Seniorenzentrum war immer unser und der Wunsch der Bürger. Diese Punkte lässt die Bürgerwerkstatt völlig außer Acht“.
Ein Raunen ging durch den Gemeinderatssaal, als Rudi Reber den Fehler einräumte, die Bürger bei der Entscheidung außen vor gelassen zu haben. „Wir haben ihnen den Stand der Dinge nicht mitgeteilt, weil wir Angst hatten, sie zerreden uns den Dorfplatz.“ Für ihn sei es regelrecht „befremdlich“ gewesen, so Reber, dass die Bürger bei Futschiks Veranstaltung im Sportheim „null Interesse“ an günstigem Wohnraum hatten und stattdessen eine grüne Wiese priorisiert hatten.
Antrag abgelehnt
Für Hartl unverständlich. Schon vor drei Jahren hätten die Bürger ein Seniorenzentrum befürwortet, sagt er. Immer habe es geheißen, „man brauche was für Senioren“, wolle einen „Ort der Begegnung mit Café oder Eisdiele“. Reber will noch einhaken: „Aber wir hatten auch den Beschluss gefasst, jedes Jahr eine öffentliche Ortsplanungsausschuss zu machen…“, wird aber von Hartl mit dem Satz unterbrochen: „Das letzte Wort habe ich“.
Er gebe ihm insofern Recht, so der Bürgermeister abschließend, dass die letzten beiden Jahre keine stattgefunden habe, dies sei aber der Tatsache geschuldet gewesen, dass in dieser Zeit fast jeden Monat zwei bis drei Sitzungen organisiert werden mussten. Viel Zeit sei also nicht geblieben. Nach diesem letzten Statement wurde einstimmig abgelehnt: sowohl Futschiks vorgeschlagener Termin für eine Bürgerversammlung am 30. Juni, als auch die von ihm beantragte finanzielle Unterstützung in Höhe von 3.200 Euro.
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