“Müssen zuerst auf unsere Leute schauen”

Lange hat es gedauert, bis in der Gemeinde Rottach-Egern die ersten Asylbewerber untergekommen sind. Bürgermeister Christian Köck bezog nun auf der gestrigen Bürgerversammlung Stellung. Trotz Drohbriefen, die auch er persönlich erhalten hat, soll der Ortsfrieden unbedingt erhalten bleiben. Dabei stellte Köck klar: “Seine” Bürger gehen vor.

Lange wurde gegen die Traglufthalle in Rottach protestiert - auch auf der Bürgerversammlung kam das Thema erneut zur Sprache. / Archivbild
Lange wurde gegen die Traglufthalle in Rottach protestiert – auch auf der Bürgerversammlung kam das Thema erneut zur Sprache / Archivbild

Asyl polarisiert das Tal. Obwohl die Tegernseer Turnhalle bis Pfingsten leer sein soll und damit eine zentrale Forderung vieler Bürger und Politiker im Tal erfüllt wurde, gibt es pausenlos Diskussionen. Zuletzt wurde stark über die neue Unterkunft in Tegernsee, das Hotel Bastenhaus, debattiert. Dort sollen in Kürze knapp 60 Asylbewerber leben. Die Entlastung der Turnhalle sei jedoch nur durch die Errichtung der Traglufthallen in Holzkirchen und in Rottach-Egern möglich, erklärt Birger Nemitz, Pressesprecher des Landratsamts Miesbach am Mittwoch auf Nachfrage.

Maximal 120 Personen können in Rottach-Egern untergebracht werden. Derzeit sei sie also knapp bis zur Hälfte belegt, überwiegend mit Afghanen, so Köck auf der gestrigen Bürgerversammlung in Rottach. Doch in den kommenden Wochen bekommt die Gemeinde weiteren Zuwachs, da dann auch die restlichen Asylbewerber aus der Tegernseer Turnhalle umziehen. Diese wird nach dem Auszug für die Schüler des Gymnasiums Tegernsee und die Sportvereine saniert. Köck ist zufrieden:

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Es ist ein gemeinsames Ziel der Tal-Bürgermeister, dass die Turnhalle bald wieder frei wird. Man muss sich da immer gegenseitig unterstützen und interkommunal zusammenarbeiten.

Er verteidigt damit die immer wieder laut gewordenen Vorwürfe, die Gemeinde leiste in der Flüchtlingsproblematik keinen Beitrag.

Forderung nach bezahlbarem Wohnraum

Es klingt nach neuen Tönen aus Rottach. Denn lange sträubte sich die Gemeinde gegen die Aufnahme von Flüchtlingen – zumindest war sie die letzte Talkommune, die überhaupt eine Unterkunft für Flüchtlinge zur Verfügung stellte.

Auch eine Gruppe von Bürgern versuchte das Aufstellen einer Traglufthalle mit einer Unterschriftensammlung zu verhindern. Doch nach vielen Verhandlungen sei damals beschlossen worden, dass „für uns – wenn dann – nur eine Notunterkunft im Rahmen des Notfallplans im Landkreis in Frage kommt”, so Köck gestern. Diese sei auf drei Jahre befristet, es gäbe aber die Option auf ein Jahr Verlängerung.

Köck stellte jedoch bei der Versammlung fest, dass es keinen Sinn habe, eine weitere politische Diskussion zu führen, „denn wir sind die unterste Ebene, gewisser Maßen nur die Befehlsempfänger und wir haben jetzt mit dieser Aufgabe irgendwie umzugehen.“

Während seines Rechenschaftsberichts betonte er erneut die Bedeutung Rottachs:

Wir haben immer wieder an das Landratsamt appelliert, dass wir als Gemeinde eine besondere Verantwortung tragen, nicht nur touristisch. Sondern wir haben hier auch ein Klientel vor Ort, das sich für viel Geld hier niedergelassen hat und das natürlich erstmal lernen muss, mit der Situation umzugehen.

Diese deutlichen Worte bestätigen den Eindruck, dass sich Rottachs Bürgermeister derzeit vor allem um das künftige Image seiner Gemeinde sorgt, das auch mit dem Verbleib anerkannter Asylbewerber zusammenhängt. Denn in Rottach wird die Forderung nach bezahlbarem Wohnraum lauter – nicht nur für Flüchtlinge, sondern vor allem auch für Einheimische und ältere Menschen.

Doch für den Bürgermeister ist die Sache klar: „Dann müssen wir uns als Gemeinde Gedanken machen und eine Reihenfolge zurechtlegen. Denn zuerst müssen wir auf unsere Leute schauen, bevor wir dann an die anderen denken“, betonte er mehrfach. Den Bürgern gefiel das offenbar. Köck erntete für sein klares Statement viel Applaus von den Besuchern im Seeforum.

Drohbrief an den Bürgermeister

Dass Politiker und andere Verantwortungsträger immer wieder Kritik oder gar Beschimpfungen ausgesetzt sind, wurde durch die Flüchtlingsdebatte fast schon zur Regelmäßigkeit. Doch vergangene Woche war Köcks Geduld zu Ende. Ein drei Seiten langer, anonym verfasster Drohbrief flatterte auf seinen Schreibtisch. Der Inhalt richtete sich persönlich gegen ihn, enthielt volksverhetzende Parolen und Drohungen. „Ich habe die drei Seiten zur Polizei nach Bad Wiessee gefahren.“

Für Rottachs Bürgermeister ist klar: Die Situation ist keine einfache. Dennoch müsse man auf den Ton und die Wortwahl untereinander achten, „schließlich hat sich das niemand von uns ausgesucht.“ Er habe, so Köck abschließend, aber Hoffnung, dass der Ortsfrieden bewahrt werden könne.

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