Zum Gemeinwohle!

Er gehört bei uns mittlerweile zu den dienstältesten Bürgermeistern: Seit 2002 gibt es den Euro – und genauso lange schon lenkt Jakob Eglseder die Geschicke der „ersten Gemeinde im Landkreis“. Gemeint ist natürlich die nördlichste, so nördlich, dass man das Bier vom Seefranzl-Bräu in Arget zu Fuß nach Otterfing holen könnte.

Jakob Eglseder Otterfing Seefranzl 1

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Sag mir was Du trinkst, und ich sage Dir, wer Du bist. Nein, so arg ist es nicht – dennoch scheinen sich so manches heimische Bier und manche Gestalt des öffentlichen Landkreislebens einfach gesucht und gefunden zu haben. Im letzten Jahr – pünktlich zum Fünfhundertsten des Reinheitsgebots – haben wir Ihnen in einer launigen Serie die Biere der Region und ihre „gschleckerten“ Paten vorgestellt. Das Ergebnis wollen wir unseren Lesern auch heuer nicht vorenthalten.

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Die Patenschaft wird in würdigem Rahmen in Eglseders Gartenpergola besiegelt – zu einer flankierenden kleinen Brotzeit wartet in der temperierten Bügelverschlussflasche des Bürgermeisters Patenkind auf seine Reise ins Glas: Es ist ein „Niederhamer“ vom Seefranzl Bräu, benannt nach einem Argeter Ortsteil.

Die “Seefranzl-Saga” ist insofern ein beinahe ein Kuriosium, als sich dort im Südzipfel des jetzigen Landkreises München zwei Generationen einer Familie einfach gedacht haben “Bier. Mmm. Bauen, jetzt!” – und innerhalb weniger als einem Jahr im Sommer 2015 auf der grünen Wiese eine richtige Brauerei samt kleinem, feinen Gasthof und sagenhaft gelegenem West-Südwest-Wirtsgarten hingestellt haben. Zögern ist anders.

Das Niederhamer ist vom Körper her ein Märzen, gehopft wie ein IPA, gemalzt wie ein Export – brauspezifisch ist die kräftige Argeter Craft-Halbe also das Gegenteil eines blassen „Fernsehbieres“, sondern hat sozusagen eher einen eigenen Kopf. Läuft.

Damals noch im Kreis verbunden

„Durch die Gebietsreform damals“, so Eglseder mit Blick auf das Etikett, „ ich war selbst noch ein Jugendlicher, wurde eigentlich ein Gebiet durchgeschnitten, das strukturell und kulturell sehr verbunden war. Arget, Otterfing, Altkirchen, Endlhausen, Eichenhausen oder Baiernrain – allesamt Rodungsinseln mit einer ähnlichen Landwirtschaft, ja, es war sogar eine typische Heiratsachse, die dann plötzlich auf drei Landkreise aufgeteilt wurde. Wir haben es zwar mit dem Landkreis Miesbach nun gut erwischt, aber ich erinnere mich schon noch, dass es damals auch böses Blut gab.“

So erfahren wir etwa neben manch anderer Anekdote aus längst vergangenen Tagen, dass die eine oder andere – jetzt Dietramszeller – Gemarkung im Holzlande damals dagegen gestimmt hat, nach Otterfing eingemeindet zu werden. Otterfing, diese „Stadt an der Bahn“. Lieber nicht.

Das mag aus unserer Warte freilich borniert und zukunftsfeindlich klingen, ganz Unrecht hatten sie damit jedoch nicht: In den frühen 1970er Jahren hatte sich die Einwohnerzahl in Otterfing verdoppelt – das dürfte damals im Alt-Landkreis konkurrenzlos gewesen sein.

Und so fügt es sich zum Ende der ersten Halbe „Niederhamer“, dass diese Patenschaft ein wenig im Sinnbild der Kontraste steht: Der Dienstälteste im Nordlandkreis mit dem jüngsten Bier des Altlandkreises – beide mit Kanten, aber dennoch ausnehmend bayerischen Genen.

Wie groß darf klein sein?

Und das in einer Gegend, die manchmal so bayrisch gar nicht mehr ist, weil die große Metropole schon in Rufweite liegt und diesen kleinen Ort demographisch mehr verschiebt, als es so manchem Otterfinger recht ist.

Besonderen Niederschlag – und das war auch über die Ortsgrenzen hinaus in letzter Zeit deutlich wahrnehmbar – hat das alles in einer konfliktbehafteten Gemeindepolitik gefunden, die sich grob auf die Frage verdichten lässt: Was ist das Richtige für einen kleinen Ort, der nicht mehr klein ist?

Während die einen die dörfliche Beschaulichkeit zu bewahren versuchen, wird der Siedlungsdruck immer größer. Gewerbesteuer durch Betriebe. Betriebe brauchen Arbeitnehmer. Arbeitnehmer sind Zuzügler. Zuzügler haben Kinder. Kinder brauchen Infrastruktur. Infrastruktur heißt KiTas, Kindergärten, Schulen, Wege, Freizeit- und Sportliegenschaften. Und das alles auch nicht auf Kosten der Senioren.

Umkämpftes Gemeinwohl

Wie groß oder mittelgroß, wie nachhaltig oder vorübergehend das alles auszufallen hat, darüber hat dieses Dorf nun bitterlich gestritten: Befürworter mit Gegnern, Rote mit Schwarzen, Sportler mit Nichtsportlern, Presse mit Politik, Partizipation mit Entschlusskraft, Neubürger gegen Altbürger – um nur einige zu nennen.

Wir kommen nicht umhin, während der Verschluss der zweiten Flasche Niederhamer „schnacklt“, ein wenig über das Klima und die politischen Scharmützel der letzten Monate zu sprechen:

Obwohl ich ja nun schon eine Weile im Amt bin und eigentlich robuste Otterfinger Gene habe, waren manche Erfahrungen in der jüngeren Vergangenheit für mich – von Amts wegen sowieso – aber auch menschlich schwer nachzuvollziehen. Man konnte zu manchen Sachfragen so oder so positioniert sein, man ist hüben wie drüben mal übers Ziel hinausgeschossen oder hat vielleicht einen Verfahrensfehler in der Meinungsbildung gemacht. Aber dass es irgendwann nicht mehr um ein Projekt oder um den Ort, sondern nur noch um persönliche Animositäten ging und das mit allen verfügbaren Bandagen, hat für mich nichts mehr mit Dialog zu tun.

Eglseders Holzkirchner Amts-, Partei- und Bierpatenkollege Olaf von Löwis hatte an dieser Stelle von seiner Maxime gesprochen, es grundsätzlich möglichst Allen recht machen zu wollen. Per se nicht Eglseders Credo:

Einem jeden Recht getan ist eine Kunst, die keiner kann – wie man so schön sagt.

Klappt Großes noch, wenn es keinen kleinen Nenner mehr gibt – und einen gemeinsamen schon gar nicht? Beginnt Veränderung mit Idee, mit Protest oder mit Gutachten?

Jeder sollte sich vor Augen halten, dass die Zukunft für die nächsten Jahrzehnte vorbereitet werden muss und nicht nur für eine Legislaturperiode. Für mich geht ab einem gewissen Punkt einfach das Gemeinwohl vor Einzelmeinung – es geht um den Ort, in dem wir die Infrastuktur für alle Schichten und auch zukünftige Generationen sichern müssen.

Eglseder betrachtet anerkennend die Seefranzl-Flasche:

Einfach machen. Hat was.

Jakob Eglseder Otterfing Seefranzl 2

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