Mit einem selbst geschriebenen Zettel in der Hand sitzt der 57-jährige Angeklagte aus Gmund neben seinem Verteidiger Max-Josef Hösl. Als ihn Richter Walter Leitner dazu auffordert, diesen zu verlesen, setzt sich dieser seine Brille auf und legt los.
Am 21. November vergangenen Jahres sei er in das Büro seines Arbeitskollegen, einem 52-jährigen Holzkirchner, gegangen, um von ihm zu erfahren, wie viel „Brotzeitbrettl“ er denn nun für die Weihnachtsgeschenke bestellen müsse. Bereits im Vorfeld hätte er versucht gehabt, ihn telefonisch zu kontaktieren, sei aber immer wieder abgeblockt worden. Mit den Worten „Ey, reg Du mich nicht auf“, soll ihn sein Kollege angeblafft haben.
Auf dessen Antwort hin: „Was soll der Scheiß? Ich muss die Bestellung machen“, hätte der 52-Jährige ihm entgegnet: „Hau ab, Du Arschloch.“ Dann sei der Kollege aufgesprungen und hätte ihm dreimal mit der Faust auf die Brust geschlagen. Der Gmunder konterte mit einer Ohrfeige und nahm den Holzkirchner daraufhin in den Schwitzkasten.
Zehn Jahre Kollegen – auf einmal eskaliert Situation
Dabei muss sich der Kollege wohl verletzt haben, mutmaßt der Gmunder, denn durch die Rangelei sei dieser mit dem Kopf an die Wand geprallt. „Mir tut es leid, dass er sich verletzt hat“, sagt der Gmunder, „aber ein Opfer ist er nicht.“ Der Kollege hätte einfach seine Frage nicht beantworten wollen, erklärt der 57-Jährige. Darüber sei er so „genervt gewesen, dass er ihn attackierte.
Seit zehn Jahren arbeite man gemeinsam im selben Betrieb, fährt der Angeklagte fort. Erst als er vom Außendienst in die Administration wechselte, hätte sich das Verhältnis der beiden verändert. Weil sein Kollege den Chef nach dem Vorfall damit erpresst hätte, zu gehen, wenn er weiter mit ihm arbeiten müsste, kündigte man ihm den Job.
„Wieso bleibt der Böse in der Arbeit, und der Gute wird entlassen?“ hakte Richter Leitner nach. Der Chef sei von ihm abhängig gewesen, begründet der Angeklagte heute vor Gericht die Entscheidung seines Vorgesetzten. „Er war einer von vier Außendienstmitarbeitern. Mein Chef war von ihm abhängig.“
Kollege von Angriff „geschockt“
Dass sein Kollege entlassen worden war, davon wiederum wusste der Arbeitskollege nichts als er heute als Zeuge aussagt. Der 52-jährige Holzkirchner schildert stattdessen eine ganz andere Version. Nicht er, sondern der Angeklagte hätte ihn mit Schlägen attackiert. Mindestens sechsmal soll er mit beiden Handballen auf ihn draufgehaun haben. „Du spinnst doch. Du hast doch `n Knall“, hätte er ihm daraufhin völlig geschockt entgegengeschrien.
Die Anzahl der Brotzeitbrettl hätte er ihm zudem bereits im Oktober per Email das erste Mal mitgeteilt. Das zweite Mal kurz bevor der körperliche Angriff in seinem Büro stattgefunden hat . Sodann zückt der Holzkirchner sein Handy und zeigt dem Richter den Schriftverkehr. „Das letzte Mal habe ich mit 17 gerauft. Ich bin dafür viel zu klein und viel zu langsam.“ Von seinem blauen und geschwollenen Auge, das er durch die Rangelei davontrug, hatte die Polizei – nach Aussage des Holzkirchners – ein Foto gemacht.
„Das war ein Überfall, kein Gerangel“
Zur Anzeige hätte er den Vorfall erst gebracht, nachdem ihm sein Arbeitskollege eine Entschuldigung per WhatsApp schickte, in der von „Gerangel“ und nicht von „Überfall“ die Rede war. Seine Absicht sei lediglich gewesen, den Vorfall polizeilich registrieren zu lassen. „Damit sowas nicht noch einmal passiert.“ Verteidiger Hösl reibt sein Kinn und studiert seine Unterlagen.
Auf keinen Fall hätte er seinen Chef dazu aufgefordert, wie der Angeklagte behauptet, seinen Kollegen zu entlassen, so der Zeuge weiter. Im Gegenteil. Er hätte ihm sogar seine eigene Kündigung vorgeschlagen. Doch das wiederum hätte der Chef nicht akzeptieren wollen. Richter Leitner unterbricht die Verhandlung für fünf Minuten. Verteidiger und Staatsanwalt sollen über eine Einstellung des Verfahrens gegen Geldzahlung nachdenken.
„Der Zeuge will kein strafrechtliches Verfahren, und der Angeklagte ist mit seiner Kündigung genug gestraft“, begründet Leitner seinen Vorschlag. Mit einer Zahlung in Höhe von 1.500 Euro zeigen sich sowohl Staatsanwalt als auch der Verteidiger einverstanden.
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