Zwei Männer und ihre Hausaufgaben

Gut ein Jahr ist vergangen, seit Bernd Rosenbusch und Fabian Amini als Geschäftsführer bei der BOB angefangen haben. Kein leichter Job, denn auf Kapazitätsengpässe, Unpünktlichkeit oder Zugausfälle reagieren die Pendler zunehmend verärgert. Wie die beiden Chefs mit der Unzufriedenheit ihrer Kunden umgehen und wann es endlich stabiles WLAN in der BOB gibt – wir haben nachgefragt.

Amini und Rosenbusch
Fabian Amini und Bernd Rosenbusch in der Holzkirchner BOB-Zentrale.

Holzkirchner Stimme: In der Wahrnehmung vieler Kunden haben sie beide mit der BOB einen Trümmerhaufen übernommen. Fehlender Service, schlechte Kundenkommunikation – vor allem Zugausfälle oder Überfüllung nerven. On Top kommt noch der hohe Preis. Irren die Menschen, oder haben sie da eine Mammutaufgabe vor sich?

Fabian Amini: Sicherlich haben wir einige Hausaufgaben zu bewältigen. Allerdings sehe ich es nicht ganz so dramatisch. Es hat sich schon einiges getan. Beispielsweise haben wir die Pünktlichkeit im Vergleich zu den letzten Jahren verbessert. Nichtsdestotrotz: die Hausaufgaben bleiben groß.

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Holzkirchner Stimme: Apropos Pünktlichkeit. Warum kommt es immer wieder zu Verspätungen?

Bernd Rosenbusch: Bei einer eingleisigen Strecke ist eine dauerhaft hundertprozentige Pünktlichkeit schwierig. Jede Störung wirkt sich immer auf den Gegenverkehr aus. Das ist so, wie wenn sich zwei Autos auf einer engen Straße begegnen. Einer kommt nicht weiter und muss in einer Ausbuchtung stehen bleiben. Da reicht eine kleine Störung, mit wenigen Minuten Verspätung, die dann der andere ausbaden muss. Das führt zu Unpünktlichkeit.

Holzkirchner Stimme: Und wie kommt es zu den Überfüllungen in der BOB? Wir denken da unter anderem an das immer wiederkehrende Chaos mit den Radlern.

Rosenbusch: Wir sind das – ich sage mal – „Opfer“ einer attraktiven Region. Sie sind mit uns so schnell in München wie mit keinem anderen Verkehrsmittel. Wir sind doppelt so schnell wie die S-Bahn und zwei- bis dreimal so schnell wie das Auto. Und – und das ist eine Erfolgsgeschichte – wir haben seit 2013 noch besser ausgelastete Züge.

Amini: Probleme mit den Radlern gibt es seit Bestehen der BOB. Es gibt zwei Trends: Zum einen steigt der touristische Verkehr, zum anderen sinkt die Toleranzschwelle. Hinzu kommt, dass der Platz im Zug begrenzt ist. Der Faktor Wetter spielt auch eine Rolle. Wenn es regnet, kann es passieren, dass ein Zug, der auf der Hinfahrt noch leer war, auf der Rückfahrt schon wieder voll ist – sowas ist nur begrenzt vorhersehbar.

Rosenbusch: Schwierig wurde es in diesem Jahr nur einmal im Juli, seitdem läuft es gut. Wir haben Fahrradeinweiser, Ersatzbusse und lassen auch mehrere Züge fahren, wenn nötig. Viel Aufwand, der sich für unsere Reisenden aber lohnt.

Holzkirchner Stimme: Und wie wäre es mit Fahrradreservierungen?

Rosenbusch: Auch das haben wir überlegt. Dann bräuchten wir aber an jeder Haltestelle eine Person, die darauf achtet, dass Fahrgäste ohne Reservierung nicht in den Zug steigen. Und das würde zu Verspätungen führen. Organisatorisch ist das nicht zu schaffen.

Holzkirchner Stimme: Warum ist Ihr Vorgänger, Kai Müller-Eberstein nach nur 18 Monaten „mit sofortiger Wirkung“ gegangen?

Rosenbusch: Das müssen Sie ihn selbst fragen. Er hatte ein neues Jobangebot.

Holzkirchner Stimme: Danach gab es dann die „Doppelspitze“. Hat sich das Konzept bewährt?

Rosenbusch: Wir haben einen großen Laden und eine Vielfalt an Themen, die zu bearbeiten sind. Da machen zwei Geschäftsführer Sinn. Unser Vorgänger war vorrangig mit der Inbetriebnahme der Marke Meridian beschäftigt – er konnte sich nicht um alle Themen kümmern.

Amini: Und eines unserer Hauptthemen ist: wir wollen wachsen. Dazu gehört auch der Ausbau des Streckennetzes. Wir haben es beispielsweise geschafft, das Streckennetz in Augsburg zu gewinnen – 2018 werden wir dort fahren. Mit dem Gewinn der Ausschreibung der Bayerischen Eisenbahngesellschaft werden wir dann von München und Augsburg nach Füssen fahren, eine schöne Ergänzung. So können die Oberländer mit unseren Zügen von Bayerischzell bis Füssen fahren, mit einem Umstieg in München.

Holzkirchner Stimme: Was haben sie aus ihrer Sicht vorgefunden, als sie Ihren Job anfingen?

Rosenbusch: Ein spannendes Unternehmen.

Holzkirchner Stimme: Mit viel Chaos?

Rosenbusch: Nein, aber viele Themen, die man immer wieder angehen muss, wie beispielsweise die Reiseinformationen.

Holzkirchner Stimme: Die BOB – wo steht sie ihrer Meinung nach im Moment?

Rosenbusch: Wir sind noch mehr Teil der Region geworden, und wir sind jederzeit erreichbar für die Ansprechpartner, die wir haben. Vor allem denken und handeln wir problemlösungsorientiert.

Amini: Das versuchen wir auch unseren insgesamt 600 Mitarbeitern zu vermitteln. Wir haben immer ein offenes Ohr. Wir wollen, dass unsere Mitarbeiter kreativ sind und sich einbringen. Unser Ziel ist es, transparent und kundennah zu sein. Dazu gehört auch beispielsweise, sich zu den Radlfahrern an den Bahnsteig zu stellen oder beim Flüchtlingsstrom in Salzburg dabei zu sein, so wie Herr Rosenbusch es gemacht hat.

Holzkirchner Stimme: Klingt sehr motiviert. Gilt das auch für den Servicebereich der BOB?

Amini: Wir haben 25 Kundenbetreuer an Bord. Auf der Strecke München-Holzkirchen ist mindestens einer, in den Süden rein sind teilweise Zweidrittel der Züge besetzt. Wir haben sehr engagierte Mitarbeiter, die hier aus der Region kommen, sich dementsprechend auskennen und die Fahrgäste beraten können.

Holzkirchner Stimme: Gibt es zukünftig WLAN in den Zügen?

Amini: Nein. Das hätten wir gerne, ist aber technisch nicht einfach. Viele Strecken haben überhaupt kein Kommunikationsnetz. Man kann ja noch nicht einmal telefonieren, weil keine Funkmasten da sind. Deutschland hat hier definitiv Nachholbedarf. Aber die Reise MUSS dahin gehen. Reisezeit ist Nutzzeit – der heutige Fahrgast will seine Sachen unterwegs erledigen und die Zeit sinnvoll nutzen. Das hat Verkehrsminister Dobrindt erkannt.

Die beiden BOB-Geschäftsführer im Interview.
Die beiden BOB-Geschäftsführer im Interview.

Holzkirchner Stimme: Es gab ja viele Beschwerden über die Art der Kommunikation bei der BOB – wie informieren Sie denn Ihre Kunden, wenn beispielsweise kurzfristig ein Zug ausfällt oder überfüllt ist?

Amini: Die beste Quelle, um an Informationen zu kommen, ist natürlich das Internet. Auf den Bahnhöfen selbst haben wir entweder Anzeigetafeln oder geben über Lautsprecher das Wichtigste durch. Allerdings muss man wissen, dass die Beschallungs- und Anzeigenanlagen der Deutschen Bahn gehören – wir haben also keinen Einfluss darauf, wenn an einigen Bahnhöfen die Lautsprecher fehlen. Die Bayerische Eisenbahngesellschaft hat zum Beispiel eine App mit dem Bayernfahrplan herausgeben, auf der auch die Reisedaten der BOB in Echtzeit abrufbar sind. So kann der Fahrgast genau sehen, welcher Zug Verspätung hat und welcher nicht.

Holzkirchner Stimme: Und was macht die BOB in dem Punkt selber?

Amini: Wir selbst sind gerade dabei, unsere gesamten Reiseinformationen zu digitalisieren, auch die über unpünktliche Züge. Momentan machen unsere Mitarbeiter noch viel manuell – das ist ein großer Zeitverlust, und natürlich auch eine Fehlerquelle. Wenn das einmal erledigt ist, dann kann der Prozess der Information automatisiert und zeitgleich an die verschiedenen Systeme übertragen werden. So verbessern wir unsere Qualität.

Rosenbusch: Zudem programmieren wir gerade unsere eigene App, auf der die Reisedaten abrufbar sein werden, und über die auch der Ticketverkauf laufen wird. Die App wird im Dezember kommen.

Veraltete Züge sind ein Problem

Holzkirchner Stimme: Im August wurde das Zwischenergebnis des Qualitäts-Rankings der Bayerischen Eisenbahngesellschaft (BEG) bekannt. Die BOB liegt mit gerade mal 1,13 – von 100 möglichen Punkten – gerade mal so im Plusbereich. Wie kommt`s?

Amini: Wir sollten es so sehen: wir sind das allererste Mal seit Beginn der Tests bei der BOB im positiven Bereich. Und dafür müssen wir unseren Mitarbeitern danken. Verbessserungen gab es vor allem in der Außensauberkeit, im Sanitärbereich liegen wir eindeutig zurück. Das liegt daran, dass 17 unserer 28 Züge Integralzüge sind und seit 1998 bei der BOB in Betrieb sind. In diesen Zügen sind die Toiletten sehr speziell. Wir arbeiten in diesen Zügen zwar mit Bioreaktoren, die einmal bei Abfahrt und einmal bei Ankunft im Bahnhof gereinigt werden, aber unterwegs kann man bei Verunreinigungen nicht viel machen.

Rosenbusch: Man darf auch nicht vergessen, dass die Punkte, die vergeben werden, in Relation zu allen anderen Nahverkehrssystemen zu sehen sind. Das heißt, im Ranking muss man sich gegenüber den anderen qualifizieren und besser sein. Die Oberpfalzbahn beispielsweise hat kaum Fahrgäste. Im Vergleich zu ihr fahren wir einen viel engeren Takt, haben viel mehr Gäste. Wir sind eben nicht nur ein Pendlerzug, sondern ab 9 Uhr vor allem auch ein touristischer.

Holzkirchner Stimme: Und trotz der vielen Gäste gab es jüngst Kürzungen im Fahrplanangebot.

Rosenbusch: Die Grundlogik lautet: Wir fahren das, was bestellt ist. Der Fahrplan wird uns vorgegeben. Eigentlich haben wir unser Angebot sogar um zwei bis drei Angebote erhöht. Kürzungen gab es nur bei Baustellen. Das Fahrplanangebot ist aus unserer Sicht wirklich sehr gut, immer Stundentakt und morgens und am Abend auch halbstündlich.

Holzkirchner Stimme: Und auch die Preise erhöhen sich ständig.

Rosenbusch: Die Preise steigen einmal im Jahr, und zwar bundeseinheitlich. Aus dem einfachen Grund, weil auch die Kosten steigen. Unser Preissystem ist aber in der Tat absurd. Wir leben in einer Genehmigungswelt: sechs Wochen vor einer Preisänderung muss man einen Antrag beim Regierungspräsidium stellen. Das ist wie in den 70ern. Wenn wir heute wissen, dass es am Wochenende regnet, dann können wir gar nicht kurzfristig reagieren – selbst dann nicht, wenn wir die Preise senken wollten.

Amini: Der bundesweite Tarif ist eben nicht zu umgehen…

Bernd Rosenbusch: Richtig, aber wir suchen immer Mittel und Wege, um tariflich attraktiver zu werden. Beispielsweise mit unserem Guten-Tag-Ticket, dem BOB-Oberland-Ticket oder dem Bayernticket, die sich inzwischen bewährt haben.

Holzkirchner Stimme: Das heißt – Rabatte, weil es der BOB finanziell gut geht?

Rosenbusch: Sie werden auf jeden Fall nicht reich damit, aber wenigstens ein bißchen wäre gut. Es herrscht ein großer Wettbewerb und es gewinnt der, der dem Freistaat den günstigsten Preis bei guter Qualität anbietet. Das versucht aber jeder. Die nächste Ausschreibung kommt 2021 mit der Inbetriebnahme 2024 oder 2025, dann müssen wir erneut wieder knapp kalkulieren, um zu gewinnen.

Holzkirchner Stimme: Was heißt „ein bißchen“ reich werden?

Bernd Rosenbusch: Mit „ein bißchen“ meine ich etwas über der schwarzen Null. Unsere Träume sind Gewinne wie die von BMW.

“Das Geld muss definitiv in den Nahverkehr”

Holzkirchner Stimme: Stimmt es, dass die Bahn unter einer „chronischen Unterfinanzierung“ leidet, wie Norbert Moy, Vorsitzender des Fahrgastverbandes Pro Bahn jüngst erklärte?

Amini: Ja, das ist richtig. Bei der Bahn werden Milliarden in Strecken nach Hamburg oder Stuttgart gepumpt. Wir haben je nach Zug zwischen 700 und 1.000 Sitzplätzen und fahren das im Halbstundentakt, wenn der Bedarf da ist. Bisher wurde viel zu wenig in die Netze des Nahverkehrs investiert. Im europäischen Vergleich liegt Deutschland bei Investitionen in die Schiene mit 56 Euro pro Einwohner weit abgeschlagen hinter Österreich, 192 Euro pro Einwohner, und der Schweiz 383 Euro pro Einwohner.

Rosenbusch: Das Geld muss definitiv in den Nahverkehr. Wir sind hier nicht in der Pampa – wir sind 30 bis 100 Kilometer von München entfernt. Aber unsere Stellwerktechnik ist noch aus den 70ern.

Holzkirchner Stimme: Inwieweit haben sie Ihr 4-Stufen-Konzept umgesetzt?

Rosenbusch: Wir gesagt, wir werden die Reiseinformationen über die App verbessern, haben mit Fahrradverleihern Verträge abgeschlossen und rund um den Tegernsee das Mietradsystem zur Diskussion gebracht.

Holzkirchner Stimme: Wir haben gehört, dass die BOB in Zukunft mit Wasserstoff fahren will?

Rosenbusch: Ein Teil des 4-Stufen-Konzeptes ist es, das Oberland auch ökologischer zu machen. Dabei unterstützen wir die Forderung nach einer Elektrifizierung, aber arbeiten auch selber zusammen mit BEG, Fahrzeughersteller, Wirtschafts- und Innenministerium an alternativen Antriebstechniken. Da spielt die Brennstoffzelle eine große Bedeutung. Damit könnten wir den Diesel abschalten und bei sauberer Stromgewinnung umweltfreundlich durch das Oberland fahren. Ein spannendes Projekt.

Holzkirchner Stimme: Immer wieder wird eine Taktverdichtung bei der BOB gefordert – wie sieht es damit aus?

Amini: Zur Zeit laufen Gespräche mit der BEG. Das Angebot soll auf jeden Fall ausgeweitet werden. Wir haben vor, an den Wochenenden von April bis Oktober mehr Zwischenzüge fahren zu lassen. Damit wollen wir die Zeiten um 10:30 Uhr und 11:30 sowie an zwei Zeiten am Nachmittag abdecken. Mehr geht nicht. Den Rest fahren wir schon im Halbstundentakt.

Holzkirchner Stimme: Welche Perspektiven hat die BOB denn die nächsten fünf Jahre?

Rosenbusch: Die Qualität zu steigern ist das A und O. Und wir brauchen gute Reiseinformationen.

Amini: Wir haben ein tolles Netz und super Mitarbeiter. Daraus kann man sehr viel machen.

Holzkirchner Stimme: Was genau? Wie sind Ihre Ziele?

Rosenbusch: Wir wollen die nächste Ausschreibung gewinnen. Auch, um als Arbeitgeber hier im Ort zu bleiben.

Amini: Und wir wollen etwas für die Umwelt, für die Leute tun. Hier weiß ich: Wenn ich die Straßen entlaste, dann mache ich eine sinnvolle Arbeit.

Rosenbusch: Wir tun sicherlich etwas Sinnvolles. Wir haben ein schönes Produkt zum Anfassen. Mein Sohn sagt immer zu mir: „Schau mal, Papa, da fährt Deine Bahn.“

Holzkirchner Stimme: Herr Amini, Herr Rosenbusch, herzlichen Dank für das ausführliche Gespräch!

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