Unsere Redaktionsleiterin ist a.) Mutter und b.) im Urlaub. Mit den Kindern. Und dem Mann. Da kommt man auf komische Ideen. Ein kulinarischer SOS-Ruf:
Liebevoll hat der Mann das Weckglas mit dem mühsam hergestellten Kimchi vielfach mit Frischhaltefolie umwickelt und auf die hinteren Plätze im Kühlschrank verdammt. Jetzt sitzt der Kimchi im Fußraum des E-Autos und atmet seine fermentierte Liebe stoßweise in die Blechbüchse aus.
Viele fortschrittlich gläubige, gerne kinderlose Menschen sind dem Irrglauben verfallen, Familie und Beruf könne man doch heutzutage recht gut verbinden. Stimmt zwar nicht, macht aber nichts. Hält Eltern nicht davon ab, sich und der Gesellschaft täglich zu beweisen, dass sie zu den Auserwählten zählen. Einzige Endgegner: Kinderkrankheiten und Schulferien.
Während man gegen Schulferien und mangelnder Kinderbetreuung auf dem Land (Stichworte: Hortplätze, Ganztagsschule, klassische Rollenverteilung) nur bedingt tätig werden kann; etwa durch nervende journalistische Berichterstattung darüber, müsste sich zweiteres doch bewerkstelligen lassen?
Meine Lösung ist orange, grün gefleckt: Kimchi! Damit werde ich dem Endgegner eins ein Schnippchen, ach was, einen Haken schlagen. Kimchi bedeutet im Koreanischen „fermentiertes Gemüse“. In Korea gibt es viele verschiedene Arten von Kimchi und jede Familie hat ihre ganz eigene Rezeptur, auf die sie schwört.
Nach dem Angriff der Streptokokken (Teil eins und zwei), gibt es eine Woche Probiotika-Präparate zur Auferstehung diverser Milchsäurebakterien (Antibiotikum sei Dank). Eine weitere Woche stehen Bratwürste mit Sauerkraut, Sauerkraut mit Spiegeleiern, Blaukraut mit Äpfeln und ohne, sowie diverse stichfeste Joghurt auf dem Speiseplan. Beilage? Sehr viel gutes Zureden. Erfolgsquote? Die Bratwürste gehen weg.
Ich zünde entschlossen die zweite Stufe: Einen ganzen Vormittag schnipple ich Chinakohl und Radieschen, reibe Karotten und Knoblauch, filetiere noch ein paar Frühlingszwiebeln und gönne dem Weißkraut ein ausgiebiges Bad. Hab ja jetzt Urlaub, also los.
Es kommt dann anders: Der Großteil der Familie verschmäht das koreanische Wunderkraut. Denn je mehr Milchsäuregärung, desto mehr Mief. Erste beiläufige Hinweise, ob ich da nicht einen Deckel drauf anbringen möchte? Nein, das muss so! Entscheide mich dann aber aus Höflichkeit, die empfohlene Durchlüftung von drei Tagen auf einen runterzuschrauben. Nur einen weiteren Tag später können wir keinen Besuch mehr empfangen, der nach einem ersten Hallo vorschlägt, in den Garten zu gehen. Ist eh schön draußen. Kimchi ist drinnen.
Nach nur einem weiteren Tag werden erst Kimchi, dann ich, streng, aber liebevoll, verdammt: Das Weckglas wird in Hochsicherheitsfolie verpackt und erinnert entfernt an eine Miniatur-Christo-Installation. Die Frau muss aufs Sofa.
Die Kinder verzichten weiterhin hartnäckig auf ein „Probierele”. Da hilft kein Peppa-Wutz-Hubschrauber-Löffel, kein Verweis auf die lahmen Playmobil-Kinder bei Familie Hauser, die alles probieren, wenn es nur gesund aussieht. Auch die Großmutter enttäuscht, als wir endlich bei ihr angekommen sind und die Kinder mit glasigen Augen und dünstend das Auto verlassen. Wir haben Kimchi mitgebracht, sage ich strahlend und versuche von meinem Körpergeruch abzulenken.
„Das riecht wirklich schlimm”, sagt die Großmutter und weicht geschickt einer Umarmung aus. Beim Aufschrauben des Deckels verzieht sie ihr Gesicht. „Ich vertrage das gar nicht”, redet sie sich raus und dass sie doch böhmische Knödel gemacht habe, da passe das auch nicht.
„Ach, was” sage ich und nehme zwei große Esslöffel aus dem Glas und schiebe sie mir in den Mund. Die Kinder weinen. Die Oma reißt die Fenster auf.
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