Adel aufm Radl

Martin Calsows persönlicher Held im vergangenen Jahr war der ausscheidende Bürgermeister von Gmund. Ein lustiger Gesell, der nur scheinbar ein unglückliches Händchen mit renitenten Bauern bewies. Unser Kolumnist glaubt: dahinter steckt ein dynastischer Plan Wittelsbacher Prägung.

Auch eines der ungelösten, kommunalpolitischen Probleme 2017: Der Radweg zwischen Finsterwald und Dürnbach / Foto: F. Wolf

Ein Kolumne von Martin Calsow:

Wenn ich auf meinen Lesungen im Norden der Republik – also genauer: nördlich der A8 – vom Tal und seinen Mitbewohnern erzähle, darf nicht der Radweg zwischen Finsterwald und Dürnbach fehlen. Der Radweg und der dazugehörige Gmunder Bürgermeister Georg Graf von Preysing. Klar, man kann von den asozialen Geldigen in den Außenbereichen reden, von den Zwistigkeiten in den Gemeinderäten oder den Kuhglocken-Allergikern.

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Aber am schönsten ist die Geschichte vom Radlweg. Ein Bürgermeister will Fördergelder abgreifen, unterschätzt mit einer gehörigen Portion Allmachtsphantasie die Dickköpfigkeit der Bauern, denen das Land nun einmal gehört und fällt auf die Nase. Zurück bleibt ein Stückwerk, über das dank nationaler Berichterstattung nun ganz Deutschland lacht.

Ein Stückerlweg als Touristenattraktion?

Hinten wird die Ente fett, sagt man in Westfalen. Da kann man eine lange Amtszeit hinlegen. Aber wenn man am Ende nicht einen Radweg verhandelt bekommt, diesen Misserfolg auch noch jeden Tag besichtigen kann, dann überschattet das eben auch die Erfolge. Denkt man so als Bürger. Aber da fehlt uns Kleingeistern eben das Gefühl für den großen Wurf. Für etwas, was in die Jahrzehnte hinausstrahlt.

Generell ist das mit Bauvorhaben bei Adels so eine Sache. Neuschwanenstein wurde erst posthum für den irren Wittelsbacher und aktuell für den Staatssäckel eine Erfolgsstory. Vielleicht wird aus dem Stückwerk-Weg von Gmund ja in fernen Jahren eine Touristenattraktion, deren Bedeutung wir Ahnungslosen jetzt noch gar nicht begreifen können.

Oder ist es gar eine fulminante Kunstperformance des scheidenden Bürgermeisters, die sein potentieller Nachfolger, wenn er dynastisch korrekt die Kette umgehängt bekommt, weiterführen kann? Der Adel denkt anders – in längeren Zyklen. Das werden wir bürgerlichen Einfaltspinsel wohl nie verstehen. Scherzbolde errichteten ein Schild: der Georg-von-Preysing-Gedächtnisweg. Wir lachten. Aber die anonymen Freunde des Bürgermeisters hatten damals schon die Weitsicht. Insofern: Chapeau, Georg von Preysing, mein Held.

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