In einem halben Jahr sind Landtagswahlen. Da passte es für die örtliche CSU sicher gut ins Konzept, dass sich Aigner „vom Dieselskandal bis zur Verbesserung des ÖPNV“ der Diskussion stellte. Im Herbst findet auch die Wahl für den Bezirkstag statt. So nutzte auch CSU-Kandidat und Holzkirchens Bürgermeister Olaf von Löwis mit seinem Erscheinen auf der Bildfläche die Gunst der Stunde.
Angesichts des gut gefüllten Saals in der Naturkäserei Tegernseer Land meinte Mit-Veranstalter Josef Bierschneider zur stellvertretenden Bayerischen Ministerpräsidentin, „Ilse, du ziehst immer“. Hans Leo, Chef der Naturkäserei, verwies auf die steile Karriere Aigners. „Du warst zuerst als Bundesministerin, dann als Wirtschafts- und bist nun als Superministerin bei uns“. Statt regionaler Produkte schenkte Leo Aigner lieber eine Glocke. „Wenn die Franken zu aufdringlich werden, kannst sie mit der Glocke zurückrufen“, zitierte Bierschneider noch Leo.
Der ÖPNV und die Elektrifizierung
Das aktuellste Thema sei neben dem Dieselskandal die Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV), erklärte eingangs Bierschneider. Dafür habe man mit Aigner nun die „kompetenteste Ansprechpartnerin überhaupt“. Das Thema ÖPNV beschäftige den Landkreis schon länger, da man vor allem an den Wochenenden „vom Verkehr überrollt werden“, so Bierschneider auch als CSU-Fraktionssprecher im Kreistag.
Deshalb müssten die Verbindungen auf der Schiene dringend verbessert werden, ebenso der ÖPNV im Nahverkehr. Dafür habe die CSU im Kreistag auch eine Initiative gestartet, damit der Nahverkehrsplan für den Landkreis, der aus den 90er Jahren stamme, „jetzt endlich fortgeschrieben wird und den Bedürfnissen der heutigen Zeit entspricht“, stellte Bierschneider klar.
Um die Bereitstellung der Mittel im Landkreis habe man „schwer kämpfen“ müssen. Nun sei der Plan beschlossene Sache, heuer soll der Nahverkehr ausgeschrieben werden. Man könne nicht immer nur bei der Verbesserung auf der Schiene nach Berlin und München schauen. Auch der Landkreis ei hier in der Pflicht, „da der ÖPNV uns zufällt“.
Dieser müsse zwischen Schiene und Anbindung verzahnt laufen. Das große Ziel bei der Bahnstrecke sei die Elektrifizierung der BOB und die durchgängige Einführung des Halbstundentaktes. Diesem Bestreben würde der Dieselskandal etwas „in die Hände spielen“. Damit habe es auch bei der Staatsregierung ein Umdenken gegeben, die nun verstärkt in die Schiene investieren wolle.
Hybrid- statt Integralzüge
Damit lag der Ball bei Aigner. Beim Verkehr im Tal „muss sich einiges bewegen“. In der „höchsten Dringlichkeitsstufe“ des Kabinetts sei die Elektrifizierung ab Holzkirchen ins Oberland wie Tegernsee. Da dies aber langwierige Planungsvorgänge seien, sei man nicht sicher, ob die Umstellung schon bis zum Jahr 2026 erfolgen könne. Sie habe „erhebliche Zweifel“ daran, räumte Aigner ein. Deshalb brauche man Übergangslösungen, wie Hybrid-Züge. Ein elektrisch betriebener Zug mit einem Akku für die Strecken ab Holzkirchen. Für dieses Modell sei man mit einer großen Münchner Firma im Gespräch. Den Namen des Global-Players nannte Aigner zwar nicht, aber es ist Siemens. Die Tegernseer Stimme hatte bereits im Februar über den Hybrid – „Mireor“ von Siemens als Ersatz für die alten Integral-Züge der BOB berichtet.
„Diesen werden wir voran bringen“, verkündete Aigner. Die Taktierung von 30 Minuten wolle man auf allen Strecken ab Holzkirchen erreichen. In den Hauptverkehrszeiten wären zudem weitere Verdichtungen und längere Züge erforderlich, um die Menschen auf die Schiene zu bringen. Doch dies alles bringe nichts, wenn die Fahrgäste nicht von den Bahnhöfen wegkommen würden. Im Nahverkehrsplan des Landkreises „ist noch sehr viel Luft nach oben“ und die Ost-West-Verbindungen mit Bussen noch „sehr ausbaufähig“. Der Nachbarlandkreis Bad Tölz gebe dafür fast das „Zwanzigfache“ pro Einwohner aus. Hier müsse Miesbach „noch mehr investieren“. Um den Verkehr im Tal zu bewältigen, habe sie auch die Vision einer Seilbahn um den See. Auch E-Bikes und die Schifffahrt könnten mehr dazu beitragen.
„Keine Fahrverbote“ trotz Dieselskandals
Beim Dieselskandal möchte sie schon differenzieren. Zum einen gehe um die Nachrüstung von 2,5 Millionen Fahrzeugen durch die Hersteller, die Kunden „beschissen“ und Grenzwerte manipuliert haben. Der andere Punkt sei die Luftreinhaltung. Sie betreffe in erster Linie die Städte, weniger das Land. Nicht der Feinstaub mit den grünen Plaketten sei das Problem, sondern die Stickoxyde der Dieselfahrzeuge.
Diese mit Hardware nachzurüsten brauche zwei bis drei Jahre bei der Typenzulassung. Eine Umstellung der Software ginge schneller. Um diese Problematik umsetzen zu können, habe man im Haushalt 400 Millionen Euro eingeplant. Denn: „Wir wollen keine Fahrverbote in den Städten aussprechen“, versicherte Aigner, „wer auf dem Land mit seinem Diesel rumfährt, dem passiert vorerst überhaupt nichts“. Ihre Botschaft des Abends, die auch für ihre Regierungserklärung am Mittwoch gelte: der Individualverkehr „muss besser gesteuert“ werden.
Grund- und Erbschaftssteuer
Als zuständige Wohnungsbau-Ministerin griff auch das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Grundsteuer auf, da sie auch Mieter betreffe. Hier gebe es eine „ganz klare Ausrichtung in Bayern“, sagte Aigner an Josef (Joe) Bogner sen. gewandt, der auch unter den Gästen war. Er hatte mit seiner Petition zur Erbschaftssteuer gegen den Ausverkauf des Tals für Furore gesorgt. Bayerns Vorschlag für die Grundsteuer sei ein Mix aus Grund- und Geschoßfläche. Diese Bemessungsgrundlage könne von jeder Gemeinde „relativ pragmatisch“ gelöst werden. Noch aber gebe es dafür im Bundesrat noch keine Mehrheiten, „dafür muss Bayern noch kämpfen“. Da das Urteil bis Ende nächsten Jahres umgesetzt werden müsse, habe sie noch „einiges“ zu tun, sagte Aigner, „die Übergangsfristen sind bis zum Jahr 2024“.
Für sie als Ministerin sei dies relevant, „weil die Grundsteuer auf die Mieten umgelegt“ werde. Dies sei auch für das Tegernseer Tal „extrem wichtig“. Auch bei der „Strabs“, die Straßenausbau-Beitragssatzung, gebe es Fortschritte. Nachdem sie der Ministerrat beschlossen habe, werde sie nun rückwirkend ab 1. Januar 2018 in den Landtag eingebracht. Bei der „Strabs“ habe es in Bayern „viel böses Blut“ gegeben. Für die Gemeinden soll es eine Erstattung über den kommunalen Finanzausgleich geben. Dies sei „eine gute Botschaft für viele, wenn auch nicht für alle“, so Aigner, denn es könnten nicht die vergangenen 25 Jahre erstattet werden.
Nach ihrer Rede stellte sich Aigner noch einer emotionalen Diskussion über den Bundesverkehrswegeplan, dem Werteverfall von Dieselfahrzeugen, den Stickoxyd-Grenzwerten und der erneuerbaren Energie. Abschließend meinte Bierschneider: „Unsere Anliegen sind in München bei Ilse bestens aufgehoben“.
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