Zukunftsperspektiven für Kommunen? Gibt es. Der Meinung ist zumindest das Fachbüro Identität & Image, dessen Vorstandsvorsitzende Stephanie Pettrich gestern im Sportheim Am Kray herauszufinden versuchte: Welches Konzept wünschen sich die Waakirchner eigentlich für ihre Dorfmitte?
Zusammen mit ihrem Kollegen Torsten Zink war sie der Einladung von Michael Futschik gefolgt, der die Idee zu diesem Workshop hatte. Er hatte die „Bürgerwerkstatt“ ins Leben gerufen, nachdem die Pläne der Gemeinde bekannt wurden, zwischen Sparkasse und Bäckervoitl-Anwesen 30 bezahlbare Wohnungen samt Geschäften bauen zu wollen. Rund 50 Waakirchner waren gestern ins Sportheim gekommen. Bürgermeister Sepp Hartl fehlte.
Wie soll sich die Ortsmitte entwickeln?
In nichtöffentlichen Sitzungen hatten die Gemeinderäte beschlossen, auf der noch unbebauten Fläche mithilfe staatlicher Fördermittel das Vorhaben umzusetzen. Ein entsprechendes Konzept hatte der Waakirchner Architekt Hans Hagleitner bereits entworfen. Kritik gab es am gestrigen Abend unter anderem dafür, dass ein so großes Projekt im Ortsplanungsausschuss nichtöffentlich behandelt wurde.
Futschik wollte nicht abwarten, bis die Gemeinde das Wohnbauprojekt EU-weit ausgeschrieben hat, damit sie die Zuschüsse auch wirklich in Anspruch nehmen kann. Er wollte wissen, was gebaut wird. Und nicht nur das. Er wollte mitreden und mitentscheiden, was mit Waakirchens Dorfmitte passiert. So war die Idee einer Bürgerwerkstatt geboren.
Unklarheit bei Bürgern über Sinn und Zweck des Abends
Zur gestrigen Auftaktveranstaltung im Sportheim Am Kray hatte sich Futschik die professionelle Unterstützung des Fachbüros Identität & Image geholt. Anregungen, Wünsche und Ideen sollten die etwa 50 anwesenden Waakirchner den beiden Moderatoren für ihren Dorfplatz liefern.
„Wir halten keine langen Vorträge“, sagt Pettrich gleich zu Beginn, „sondern Sie diskutieren offen, frei und ergebnisoffen, wie sich Ihre Ortsmitte entwickeln soll.“ Sie seien zwar keine Fachleute, hakt Zink ein, aber zumindest wolle man etwas zu Papier bringen. „Wo drückt der Schuh? Jetzt sind Sie dran.“
Die Seminarleiter sprachen zunächst von Themengebern, die Ideen beim Namen nennen und von Schmetterlingen, die von Tisch zu Tisch flattern. Sie redeten von Hummeln, die „befruchtende“ Beiträge liefern und erwähnten das Gesetz der Füße. Gerhard Voit, einer der Anwesenden, war auf so viel Insekteninput wohl nicht vorbereitet: „Was erwarten sie von uns? Heißt das, wir sollen Vorschläge machen?“
Als Pettrich nickt, zückt Voit einen Spickzettel aus der Tasche, den er zuhause vorbereitet hatte. „Wir sind doch alle hier, weil wir glauben, dass wir von der Gemeinde verarscht worden sind. Wir müssen doch aber mitbestimmen. Das ist Demokratie“, sagt er. Beifall im Raum. Sein Wunsch: Ein Heimatmuseum.
Es gäbe so viele Dinge, die darin Platz finden könnten, sagt er. Er erinnerte an die Sendlinger Bauernschlacht, die Waakirchner Tracht, das Kloster Tegernsee, das Bergwerk. Die Dorfmitte halte er für Waakirchens „Zuckerstück“, welches man nicht mit Wohnungen zubetonieren dürfe. Stattdessen müsse man das Gelände mit Fingerspitzengefühl behandeln.
Noch sei nichts in Stein gemeißelt
Gemeinderatsmitglied Balthasar Brandhofer (ABV) stellte die grundsätzliche Bebauung der Fläche in Frage. Diesen Ansatz griff Lars Hülsmann, der Vorsitzender der Bürgerbewegung B472, auf: „„Ist denn hier im Raum eigentlich bekannt, was die Gemeinde auf dem Gelände plant?“ Da soll mindestens 60 bis 70 Prozent der Fläche verbaut werden. Schweigen im Raum.
Noch sei nichts in Stein gemeißelt, versuchte Pettrich die Situation zu retten. „Sie können trotzdem Ihre Ideen und Ihr Veto vortragen – wir geben es dann an die Gemeinde weiter. Ob und wie die Vorschläge technisch umgesetzt werden, können wir Ihnen allerdings nicht versprechen.“ Daraufhin kam der Einwand, ob das Ganze denn überhaupt noch Sinn mache, wenn der Gemeinderat sowieso schon alles beschlossen hat?
Acht Vorschläge zur Zukunft von Waakirchens Dorfmitte
Es soll eben die beste Lösung für die Gemeinde herauskommen, versicherte Coach Zink und machte gleichzeitig deutlich, dass es nur Fördergelder gebe, wenn man eben eine Bürgerversammlung organisiere. Wieder Schweigen im Raum. Waakirchens dritter Bürgermeister Rudi Reber (ABV) schaltete sich ein: „Die Veranstaltung hier ist sehr wohl gut. Es ist gut, dass ihr da seid. Ihr habt noch die Chance, etwas zu bewirken.“
Die Gemeinde hätte lediglich im Besitz der Fläche sein wollen, bevor sie anderweitig veräußert werde, machte er deutlich. „Deshalb nicht einfach nur grantig sein. Der Zug ist noch nicht abgefahren.“ Und so füllten sich nach und nach die acht leeren Themenblätter am Flipchart, auf denen die Wünsche und Anregungen der Waakirchner Bürger zur Zukunft ihrer Ortsmitte eingetragen wurden:
- Ein Heimatmuseum (Gerhard Voit)
- Bebauung: ja oder nein? (Balthasar Brandhofer)
- Ein Mehrgenerationenhaus als lebendiges Miteinander zwischen Alt und Jung (Carsten Schramm)
- Wo gibt es Beispiele für eine lebendige Ortsmitte? (Michael Holzner) – nicht so wie in Gmund, wo alles zugepflastert sei
- Kriterien für eine zukunftsfähige Platzgestaltung, wobei die Dorfmitte als freie Fläche unbedingt erhalten bleiben müsse. „Die Dorfmitte als Begegnungsstätte“ (Lars Hülsmann)
- Raum als Treffpunkt für Vereine (Michael Bichler)
- Unterkunft für Tagespflege (Sabine Dorner von der Diakonie)
- Park mit Skulpturen des Bildhauers Otto Wesendonck (Theresa Obermüller)
Reber versuchte noch, das Gemeinde-Wohnprojekt für günstigen Wohnraum an die Tafel zu bekommen. „Es würde mich freuen, wenn sich jemand zu dem Thema meldet.“ Schließlich seien 45 bis 65 Quadratmeter-Wohnungen mit neun Euro pro Quadratmeter – so wie es später einmal angedacht ist, selten bis gar nicht zu finden. Günstiger Wohnraum für Einheimische, aber nur für Einheimische, nannte Reber seinen Vorschlag. Dieser wurde aber abgeschmettert.
Wohnen oder Feiern?
„Von Euch sind doch Gemeindehäuser mit billigem Wohnraum verkauft worden“, bemerkte einer der Anwesenden. Jetzt, wo man zu wenig Wohnraum habe, baue man die letzte grüne Fläche im Dorf zu, weil man wieder billige Wohnungen brauche. Ebenso kritisch betrachtete es Karl Nickisch „Preisgünstiges Wohnen auf Waakirchens schönstem Platz? Das glaub‘ ich nicht.“ Da sollte man lieber was Richtiges für die Allgemeinheit machen.
Die beiden Moderatoren baten daraufhin alle „Themengeber“, sich an die Stehtische zu begeben und mit der Gruppenarbeit zu beginnen. Eine Dreiviertelstunde wurde eifrig diskutiert. Am Ende stellten die jeweiligen Themengeber die Ergebnisse zusammen. Ein konkretes Ergebnis gab es nicht, dafür viele Ideen: Vom Raum für Vereine, einem Bürgersaal, einem Mehrgenerationenhaus, einem Café, einem Grillplatz, einer Eisdiele bis hin zu einem Park mit Skulpturen von Wesendonck.
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In der Ruhe liegt die Kraft
In einem Punkt waren sich aber alle einig: Der Platz müsse in seinem Grundcharakter erhalten bleiben. Lieber ersetze man bestehende Gebäude – wie Lars Hülsmann vorschlug – als ein neues Gebäude zu schaffen, das die Freifläche verbaue. Brandhubers Arbeitsgruppe war sogar der Meinung, die Bebauung komplett fallen zu lassen. Stattdessen wurde ein Spielplatz vorgeschlagen. Tiere und Bänke könnte man sich ebenfalls vorstellen.
Letztendlich waren alle der Meinung: „Pflastern wir es zu, ist es zu.“ Das aber wolle man verhindern. Schließlich gebe es noch nachfolgende Generationen, auf die man Rücksicht nehmen müsse. Im Hauruckverfahren etwas bauen zu wollen, sei keine gute Idee.
Den ersten Schritt hat die Bürgerwerkstatt gemacht. Jetzt liegt es an der Gemeinde, die Vorschläge zu durchdenken und gegebenenfalls zu berücksichtigen, sofern die Fördermittel für das Wohnprojekt nicht genehmigt werden. Das Fachbüro Identität & Image, deren Tagessatz in Höhe von 750 Euro Futschik größtenteils aus eigener Tasche bezahlt, wird die acht erarbeiteten Vorschläge nun an die Gemeinde weiterleiten. Reber erinnerte daran, dass die Auswertung im Gemeinderat präsentiert werden sollte.
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