Acht Anmeldungen hatte Josef Butzmann, Vorsitzender vom „Verein für Ferien in Bayern“, im Vorfeld von Zweitwohnungsbesitzern bekommen. Auch Ursula Lex von der Bayern-FDP schien am Thema „Zweitwohnungssteuer“ interessiert zu sein und hatte ihre Teilnahme angekündigt. Gestern erschien sie nicht. Am Ende waren es genau 16 Personen, denen Butzmann seine DINA4-Seiten lange Argumentation vortrug.
Warum die Zweitwohnungssteuer ungerecht sei, und warum Kommunen keine Chance hätten, durch eine Erhöhung oder Verdoppelung der Zweitwohnungssteuer die Wohnungsnot zu beheben, verstand zunächst niemand der Anwesenden. Dafür war Butzmanns Vortrag für den Laien viel zu umfangreich und kompliziert. „Wir können Ihnen nicht mehr folgen, Herr Butzmann“, traute sich schließlich eine der Anwesenden dazwischenzurufen.
Sozial sei was Anderes
Sie sitze nicht hier, weil sie die Zweitwohnungssteuer für eine ungerechte Maßnahme halte, sondern weil die Stadt Tegernsee – im Gegensatz zu den anderen vier Tal-Gemeinden – als einzige nicht 12, sondern 20 Prozent Zweitwohungssteuer verlange. Wenn die Stadt „riesige Luxus-Immobilien“ erlaube, so nehme man ihr den Wunsch nicht ab, durch eine solch drastische Erhöhung Wohnraum für Einheimische schaffen zu wollen. Eine solche Erhöhung habe ihrer Meinung nach „keine sozialverträglichen Folgen für Einheimische“ und fügte hinzu:
So sehr glauben wir auch nicht mehr an den Weihnachtsmann.
Da gab ihr Wilhelm Ammon aus Fürth völlig recht. Ammon, der zu den rund 500 Zweitwohnungsbesitzern in Bad Wiessee gehört, und der seinen Unmut über den neuen Steuerbescheid bereits mehrfach öffentlich gemacht hatte, erklärte: „Der Bürgermeister sagt, er macht`s für die Einheimischen, aber wer hat denn die Grundstücke vor Jahren verkauft? Das waren doch die Einheimischen.“ Hier handele es sich um reinen Populismus, so Ammon.
Wer widerspricht, zahlt
Ob es denn überhaupt eine Möglichkeit gebe, gegen die Wuchersteuer anzugehen, wollten die Anwesenden wissen. Der Tegernseer Bürgermeister Johannes Hagn hätte sie nämlich wissen lassen, dass es keine Chance auf Erfolg gebe. Unmissverständlich hätte er ihnen klargemacht, dass, wenn die eingegangenen Widersprüche nicht zurückgenommen werden, diese automatisch an die Kommunalaufsicht weitergereicht werden – und das koste.
Was wiederum bedeutet: Der Zweitwohnungsbesitzer wird für seinen Einwand zur Kasse gebeten. Eine Folge, die viele abschreckt. Einer, der sich davon nicht abhalten ließ und vier Jahre lang gegen die Zweitwohnungssteuer ankämpfte, ist der Wiesseer Nikolaus Ertl, Sohn des früheren Bundeslandwirtschaftsministers Josef Ertl.
Der Weg führt übers Gericht
Gestern gab er den Anwesenden zu verstehen, dass sein Weg zwar „lang“ und „teuer“ (etwa 28.000 Euro habe ihn „der Spaß“ gekostet) aber letztendlich „lohnenswert“ war. Aufgelehnt hatte er sich gegen die Gemeinde Rott in Landsberg, die seinen landwirtschaftlichen Betrieb mit einer Zweitwohnungssteuer veranlagen wollte. So wie der Tegernseer Bürgermeister mit der Zweitwohnungssteuer verfahre, gebe es „Angriffsmöglichkeiten ohne Ende“, sagt Ertl heute.
Die Zweitwohnungssteuer sei eine reine Aufwandssteuer und keinesfalls eine Lenkungssteuer, um über Wohnraum zu bestimmen. Hier sei das Recht des Eigentums mit Artikel 13 des Grundgesetzes gesichert. Zweitwohnungsbesitzer, die zur Kasse gebeten werden, müssten auch das Recht eingeräumt bekommen, eine Kontrollfunktion auszuüben, also zu wählen, so Ertl. Dies sei aber nicht der Fall. „Legen Sie Einspruch ein“, fordert Ertl die Anwesenden auf.
Wenn Sie nichts tun, sind Sie dem Bürgermeister ausgeliefert.
Keinesfalls sollte man durch Warten die Frist einer möglichen Normenkontrollklage verstreichen lassen. Einer, der sich in einer ganz anderen Materie auskennt, ist der 72-jährige Rainer Gottwald aus Landsberg am Lech, pensionierter Controller und Ex-Inspektor eines Landratsamts. In der Vergangenheit hat er immer wieder Sparkassen-Fusionen kritisiert und zum Scheitern gebracht.
Er hat herausgefunden, dass bayerische Sparkassen Milliarden an Euros an die Kommunen ausschütten könnten und auch müssten. Sie tun es aber nicht. Laut Artikel 62 der Bayerischen Gemeindeordnung, so Gottwald gestern, dürfe eine Gemeinde nämlich erst dann besteuern, „wenn alle sonstigen Einnahmen ausgeschöpft sind“. Zu diesen „sonstigen Einnahmen“ gehöre auch die Gewinnausschüttung der Sparkassen an die Kommunen. Diese hätten VOR Einführung oder Erhöhung einer Steuer erhoben werden müssen. Wurden sie aber nicht, wie Gottwald sagt.
“Wer geschröpft wird, gibt nix aus”
Etwa acht Millionen Euro hätte der Kreistag laut Gottwald von der Kreissparkasse Miesbach-Tegernsee im vergangenen Jahr einfordern können. Stattdessen sei dieser Überschuss – ungefähr 75 Prozent des Bruttogewinns – in die Rücklagen der Sparkasse geflossen. Damit seien die Interessen des Landkreises definitiv unterlaufen worden, so Gottwald, der das Thema gerne einmal im Miesbacher Kreistag öffentlich diskutieren würde.
Die Wohnungsnot zu vermindern, sei eine „soziale Verpflichtung“, sagte Butzmann abschließend. Dies mit dem Instrument „Zweitwohnungssteuer“ in den Griff bekommen zu wollen, sei der falsche Ansatz. Zumal Zweitwohnungen „über Jahrzehnte“ hinweg genehmigt wurden. „Was bitte, soll eine Familie mit Kindern denn jetzt mit einer 60 Quadratmeter-Wohnung anfangen?“
Etwas hilf-, aber nicht ganz hoffnungslos verließen die Zweitwohnungsbesitzer die Veranstaltung. Was sie mit nach Hause nahmen, war eine Möglichkeit. Um bei der Zweitwohnungssteuer etwas zu erreichen, haben sie die Wahl, sich für den Weg zu entscheiden, der über die Gerichte führt. Dass die Zweitwohnungssteuer insgesamt mehr Schaden anrichtet als nützt, darin waren sich alle einig. Nikolaus Ertl brachte es auf den Punkt: „Wer geschröpft wird, der gibt nix mehr aus“. Anders ausgedrückt: Wer vertrieben ist, ist vertrieben. Aber ums Geld geht’s dem Bürgermeister ja nicht.
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