Grünes Wasserl: „Jetzt reicht’s!“

Die Splittlagerhalle am Ringsee könnte für den Grünen-Landrat zum Lackmus-Test werden. Rzehak wird in einem Offenen Brief des unmittelbar Betroffenen das Fehlen an Empathie für die Natur vorgeworfen.

Das “Grüne Wasserl” neben dem aufgeschütteten Damm der erweiterten Lagerfläche. / Foto: K. Wiendl

Die Talbürgermeister wollen sie, der Landrat auch: die Splitthalle am Ringsee, unmittelbar am Grünen Wasserl. Knapp sieben Meter soll sie hoch werden auf über 320 Quadratmetern Grundfläche. Vor einer Woche versicherte Rzehak in einer Pressemitteilung, dass das Biotop sogar „erheblich vergrößert“ werde. Auch eine Renaturierung größerer Uferflächen sehe sein Konzept vor. Doch dies alles genügt dem unmittelbaren Nachbarn nicht. In einem Offenen Brief kritisiert Jochen Pagenberg äußerst scharf die „Zerstörung eines Landschaftsschutzgebietes“ mit Billigung durch Landrat Rzehak.

„Jetzt reicht es“, schreibt Pagenberg. Bevor es im ganzen Tal bald heißt „es war einmal ein intaktes Tal“ wolle er sich dem entgegenstellen und Dinge benennen, die bisher immer nur als halbe Wahrheit verkündet worden seien. „Denn was hier vorgeht, ist derart erschütternd, dass es direkt unter die Haut geht. Und es wird mit den absurdesten Behauptungen verteidigt und begründet“. Pagenbergs Vorwürfe gelten vor allem Rzehak, der für die Behörde einzustehen habe und einmal „das Grüne vom Himmel versprochen hat. Gehalten haben Sie nichts“.

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Rzehak sehe sehr blass aus

Miesbachs Grüner Landrat habe sich kurz vor seiner Amtsübernahme in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung so geäußert: „Es soll schon einiges anders werden. Nicht jeden neuen Gewerbestandort will ich durchwinken, der Umgang mit der Natur an Tegernsee oder Schliersee soll sensibler werden“. Man müsse auch mal Alternativen schmackhaft machen.

Daran und an seiner Parteifarbe müsse sich Rzehak messen lassen, und da sehe er „sehr blass aus“, kritisiert Pagenberg. Seine „massive Kritik“ gelte Rzehaks  „gleichgültigem Umgang mit den Natur- und Landschaft-schützenden Vorschriften, denen Sie mit einem enttäuschenden Mangel an Respekt begegnen“. Dem Grünen Landrat fehle es „völlig an Empathie für die Natur, aber wohl auch für die Bürger, die sich um die Natur Sorgen machen. Dann sind Sie aber am falschen Platz. Noch nie war es um den Umweltschutz am Tegernsee so schlecht bestellt wie heute“. Nicht an allem sei Rzehak schuld. Aber sein Anteil als Chef des Landratsamtes reiche auch schon.

„Macht zur Zerstörung der Natur“

„Haben Sie jemals darüber nachgedacht, was Sie ihrem Land Bayern schulden? Haben Sie jemals bedacht, woran man sich bei Ihrem Namen in der Zukunft erinnern wird? Soll er für immer mit einer Verschandelung durch Riesenhallen von purer Hässlichkeit und toten Biotopen verbunden sein? Dass jemand die formale Macht über die Natur hat, heißt nicht, dass er diese Macht zu deren Zerstörung benutzen darf“, so die Philippika Pagenbergs.

Er halte es für eine“ menschenverachtende Dreistigkeit“, Sicherheitsvorschriften wie den Hochwasserschutz mit einem Federstrich auszuhebeln und damit Nachbarn ihrem Schicksal beim nächsten Hochwasser zu überlassen. Als Beispiel führt Pagenberg, der das Seegrundstück neben dem Kieswerk besitzt, das Hochwasser 2013 an. Sein Keller sei zwei Meter unter Wasser gestanden. Die Wiederherstellung habe ein Jahr gedauert. Deshalb möchte er nicht erleben, „dass rings um den Tegernsee mit Hilfe des Landratsamtes der Boden versiegelt wird“. Er habe „überhaupt kein Verständnis“ dafür, mit welcher Unbedachtheit Sie dies möglich machen.

Einzelinteressen vor Naturschutz?

Pagenberg beklagt, „dass hier reine Geschäftsinteressen gegen Menschenleben stehen“. Auch gebe Rzehak keine „plausible Begründung“ dafür, warum er eine Befreiung von einem Bauverbot verantworten könne. „Würden Sie an unserer Stelle ruhig zusehen, wie ringsum die Versiegelung weiter geht und das Ende jeder Regenperiode ängstlich erwartet wird?“. Als „unglaubliche Selbstherrlichkeit“ bezeichnet Pagenberg die Baugenehmigung.

„Die Befreiung konnte unter Ausübung pflichtgemäßen Ermessens erteilt werden, da das Einzelinteresse überwiegt und die Abweichung mit den Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege vereinbar ist. Die erforderliche Befreiung von den Vorgaben der Landschaftsschutzverordnung wird durch die Baugenehmigung ersetzt (Art. 56 Satz 3 BayNatSchG). Unglaublich: die Einzelinteressen überwiegen. Und das schreiben Sie auch noch in die Baugenehmigung. Sechs Befreiungen von zwingenden Bauverboten wegen Außenbereich, Hochwassergefahr, Biotop, werden außer Kraft gesetzt, ein absoluter Rekord jedenfalls in Bayern“.

„Nehmen Sie die Baugenehmigung zurück“

Der Splitt habe sich längst in „Kies“ verwandelt. Den gebe es aber im Kieswerk in Hülle und Fülle, nur 150 Meter vom Bauplatz der Halle. „Genügt das nicht bereits für eine Rücknahme der Baugenehmigung?“, fragt Pagenberg Rzehak.

Das Biotop und ein Teil des Grundstücks seien vor zwei Wochen bei einer Nacht- und Nebelaktion in Abwesenheit Pagenbergs um zirka zwei Meter mit Aushub bedeckt, und das Biotop mit geschätzten 600 Kubikmeter Abraum aufgefüllt worden.

Das sinnlose Verfüllen des Grünwassers, das einhergeht mit der Vernichtung aller Pflanzen und Lebewesen in diesem Bereich, war die erste fundamentale, von Ihnen zugelassene Umweltsünde, in diesem Fall und in Bezug auf unser Grundstück zugleich eine Straftat. Ein Strafverfahren läuft.

Pagenberg sieht dies als Bruch des Amtsversprechens von Rzehak, mit der Natur „sensibel umzugehen. Das ist Ihnen gründlich misslungen, falls Sie dies jemals ernsthaft geplant haben“. Pagenbergs Fazit als betroffener: Rzehak habe als Landrat „völlig versagt“. Die Natur sehe zersägt und zerrupft aus, und „Sie haben Türen für weitere Zerstörungen weit geöffnet“. Der Offene Brief endet mit der Forderung Pagenbergs: „Herr Landrat, nehmen Sie diese Baugenehmigung zurück!“

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