Er sei dem Charme und der Liebenswürdigkeit einer Betrügerin aufgesessen, verteidigte sich ein 41-jähriger Rottacher im März vergangenenen Jahres im Miesbacher Amtsgericht. Angeklagt hatte man ihn, weil er – zusammen mit seiner Lebensgefährtin – mehrere Tegernseer Handwerker um insgesamt knapp 40.000 Euro geprellt haben soll (wir berichteten).
Immer wieder habe seine Lebensgefährtin davon gesprochen, größere Geldmengen zu besitzen, so der Angeklagte damals. Von Erbschaften und Geldquellen aus früheren Beziehungen sei die Rede gewesen. Deswegen habe er sich auch nicht gewundert, als seine Ex – als Verkäuferin bei Lidl angestellt – anfing, ihre neu angemietete Wohnung in Rottach-Egern umfangreich umzubauen. Dem Angeklagten teilte sie mit, sie hätte vor, die 280.000 Euro teure Wohnung langfristig käuflich zu erwerben.
Zum Gerichtstermin war seine Lebensgefährtin damals nicht erschienen. Über ihren Anwalt Christian Beil ließ sie ausrichten, sie habe eine Depression und reiche das ärztliche Attest nach. Dieses hatte der Richter aber im Vorfeld verlangt, sodass die Angeklagte an diesem Tag unentschuldigt fehlte.
Angeklagte wird vorgeführt
Daraufhin erließ der Staatsanwalt einen Haftbefehl. Da von der Angeklagten keine ladungsfähige Adresse bekannt war, wurde sie bundesweit gesucht. Am 25. September dieses Jahres nahm man die Angeklagte schließlich fest. Ihr Lebensgefährte wurde derweil freigesprochen. Im Laufe seiner Verhandlung hatte sich nämlich herausgestellt, dass der 41-Jährige lediglich als Handlanger seiner Freundin agiert hatte und dem Irrtum aufgesessen war, sie besäße Geld.
Guten Glaubens hatte er deshalb in ihrem Auftrag diverse Abbruch- und sanitäre Installationsarbeiten für deren neu angemietete Wohnung in Rottach-Egern an heimische Handwerker in Auftrag gegeben. Der Rottacher wurde freigesprochen. Die Staatsanwältin sagte damals: „Mir scheint, als haben wir die falsche Person auf der Anklagebank sitzen.“
In Handschellen und Polizeigewahrsam wird die Angeklagte gestern ins Miesbacher Amtsgericht geführt. Sie kommt direkt aus der Justizvollzugsanstalt München. Insgesamt acht Betrugsfälle wirft ihr die Staatsanwältin vor. Unter Vorspielung ihrer Zahlungsfähigkeit habe sie mehrere Tegernseer Handwerker auf ihren offenen Rechnungen sitzen lassen.
Horrende Umbaumaßnahmen
Die Angeklagte bestreitet die Taten nicht und gesteht, dass „alles so passiert ist.“ Als sie Richter Walter Leitner ihre Geschichte erzählt, ist es still im Gerichtssaal. Sie sei von München an den Tegernsee gekommen, so die Angeklagte, um nach einer gewaltvollen Beziehung ein neues Leben zu beginnen. Stattdessen sei sie von ihrem Ex-Partner gestalkt worden.
Als sie schließlich die Wohnung in Rottach-Egern mit ihren neuen Lebenspartner, ihrem „einzigen Halt im Leben“, angemietet hatte, sei sie so „voller Euphorie“ gewesen, dass sie die Handwerker einfach für diverse Umbaumaßnahmen beauftragt habe, um es „schön zu haben“. Die Schadenssumme beziffert sie selbst auf rund 51.000 Euro. Es tue ihr einfach nur leid. „Ich habe durch meine Dummheit und Naivität immer noch mehr Fehler gemacht“, räumt sie ein.
Mietrückstände führten zur Kündigung
Im März hatten die Vermieter der Rottacher Wohnung der TS mitgeteilt, ihre Mieterin sei seit April 2017 verschwunden. Sie hätten Mietrückstände in Höhe von 8.000 Euro. Die Wohnung sei in einem Zustand hinterlassen worden, so teilte man uns damals mit, dem man keinem neuen Mieter zumuten könne. Man kündigte ihr. Gestern vor Gericht behauptete die Angeklagte, sie habe noch Kontakt zu ihren Vermietern.
Die Staatsanwältin hält eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren, die zur Bewährung ausgesetzt ist, für angemessen. Sie hält der Angeklagten deren Geständnis zugute, ebenso wie deren Reumütigkeit und die Tatsache, dass sie nicht vorbestraft ist. Außerdem fordert sie zudem das Einziehen der Schadenssumme in Höhe von knapp 47.500 Euro.
Verteidiger Beil plädiert ebenfalls für eine Verurteilung, hält aber zum einen das Strafmaß für zu hoch, zum anderen einen gewissen Abschlag von der Schadenssumme für gerechtfertigt. „Die Freiheitsstrafe muss deutlich unter zwei Jahren liegen“, sagt er. Angemessen finde er ein Jahr auf Bewährung, gegebenenfalls etwas mehr. Da seine Mandantin Probleme mit der Realität habe, sei es sinnvoll, ihr außerdem einen Bewährungshelfer zur Seite zu stellen, so Beil.
Angeklagte will „schönes, sicheres Leben“
Nahezu ergreifend sind die letzten Worte der Angeklagten. Noch einmal entschuldigt sie sich und fügt hinzu: „Ich schäme mich, hier zu sitzen. Ich trage eine Verantwortung gegenüber den Klägern und möchte zahlen.“ Da sie zusammen mit ihrer Tante ein landwirtschaftliches Grundstück geerbt habe, wolle sie das verkaufen und mit dem Geld einen Teil ihrer Schulden abbezahlen. Etwa 40.000 Euro könne sie vermutlich aus den Grundstücken erzielen.
Ich will wieder ein geregeltes Leben, einen festen Wohnsitz, eine Arbeitsstelle und ein schuldenfreies Leben. Ich hoffe, dass sie das in mir sehen. Danke.
Es dauert eine kurze Zeit, bis Richter Leitner sein Urteil fällt: Ein Jahr und acht Monate auf Bewährung (3 Jahre). Durch das Geständnis der Angeklagten stehe die Anklage fest, begründet Leitner seine Entscheidung. Außer Schulden habe die Angeklagte nichts mitgebracht ins Tegernseer Tal.
Sie habe viele Handwerker innerhalb kürzester Zeit geschädigt und viel „verbrannte Erde“ hinterlassen. „Es gibt viele kleine Handwerksbetriebe im Tal, denen ein solcher Ausfall weh tut.“ Diesen „massiven Schaden“ betrachte er als „dreist“.
Er berücksichtige zwar ihren Willen zur Rückzahlung, sehe aber bei einer Erbengemeinschaft das Problem darin, wenn einer der Erben nicht bereit sei, zu verkaufen. Einen Bewährungshelfer und das Ableisten von Sozialstunden macht er ebenfalls zur Auflage. Dann hebt er abschließend noch den Haftbefehl auf. „Damit sind Sie frei“, sagt Leitner und entlässt die Angeklagte in ihr neues Leben.
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