Sitzt Genditzki seit zehn Jahren unschuldig im Knast?

Seit über zehn Jahren sitzt Manfred Genditzki hinter Gittern. Der Hausmeister wurde wegen Mordes an der 87-jährigen Rentnerin Lieselotte Kortüm aus Rottach-Egern zu lebenslanger Haft verurteilt. Doch was, wenn der Mann unschuldig im Gefängnis sitzt? Seine Anwältin will den Fall wieder aufrollen.

Der verurteilte Manfred Genditzki vor dem Landgericht
München II. / Quelle: Süddeutsche Zeitung

Am 28. Oktober 2008 wurde Liselotte Kortüm tot in der Badewanne ihrer Rottacher Drei-Zimmer-Wohnung aufgefunden. Ihr Hausmeister, Manfred Genditzki (59), soll die 87-Jährige erschlagen haben. Er wurde vom Landgericht München II wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. In der Revision bestätigt dasselbe Gericht das Urteil: Genditzki hat die 87-Jährige 2008 ermordet, weil es zu einem Streit gekommen war.

Zweifel an der Richtigkeit der Urteile gab es zuhauf. Auch einige Experten hielten es für denkbar, dass Liselotte Kortüm möglicherweise in die Badewanne gestürzt und ertrunken ist. War es kein Mord, sondern ein tragischer Unfall? Genditzki selbst bestreitet die Tat jedenfalls bis heute. Seit Jahren kämpft die Münchner Rechtsanwältin Regina Rick für eine Wiederaufnahme des Verfahrens.

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Richterliche Indizien-Fehlinterpretation?

Im Juli vergangenen Jahres sollte eine Computersimulation beweisen, dass der seit über zehn Jahren inhaftierte Genditzki unschuldig hinter Gittern sitzt. Zusammen mit der Rechtsanwältin Dagmar Schön startete Rick 2016 einen Spendenaufruf. Mit den eingegangenen Spenden wurde die Computersimulation in Auftrag gegeben. Unterstützt wurde sie hierbei vom Vorsitzenden des Rechtsausschusses des Bayerischen Landtags – SPD-Abgeordneten Franz Schindler.

Hier zeigt die Computersimulation die Sequenz der Fallbewegung in die Badewanne. / Foto: Syn Schmitt/SimTech

Auch Schindler äußerte Zweifel an der Richtigkeit der Urteile und erinnerte daran, dass „die beiden Schuldsprüche nicht nur bei den Verteidigern auf völliges Unverständnis gestoßen“ seien, sondern auch „bei allen Prozessbeobachtern“. Strafverteidigerin Rick betonte, dass bei Genditzki „viel für ein Fehlurteil“ spreche. Der Gerichtsmediziner habe bei der 87-Jährigen Tod durch Ertrinken festgestellt. Obwohl die Hämatome am Kopf der Dame ein völlig unauffälliger Befund waren, sei dieser dann von „stumpfer Gewalt“ ausgegangen.

Und das, obwohl die Kripo Miesbach zunächst von einem Unfall ausging, von einem unglücklichen Sturz mit Todesfolge. Weil aber zwei Miesbacher Polizisten bei der Haushaltsauflösung feststellten, dass eine größere Summe Geld fehlte, wurden dem Angeklagten plötzlich Mordabsichten unterstellt. Später habe die Staatsanwaltschaft dann eine „neue Geschichte“ erfunden, so Rick. Es wurde behauptet, die alte Dame hätte Genditzki zum Kaffee eingeladen, wobei es zum Streit gekommen sei.

Anwältinnen kämpfen weiter für Genditzki

Die Zweifel blieben über Jahre hinweg bestehen. Die Anwältinnen Schön und Rick waren sich einig: Sie kämpfen solange, bis das Verfahren wieder aufgenommen wird. Und das scheinen sie nun vielleicht sogar zu schaffen. Gestern hat Rechtsanwältin Rick den Antrag auf Zulassung der Wiederaufnahme beim Landgericht München I eingereicht. „Ein Wiederaufnahmeverfahren ist juristisch außerordentlich schwierig und deshalb selten, der Erfolg aus verschiedenen Gründen noch seltener“, erklärt Stanislaus Benecke, der Rick ehrenamtlich bei der medialen Arbeit zu dem Fall unterstützt.

Erschwerend komme im Fall Genditzki hinzu, dass das Landgericht München I darüber entscheiden muss, ob es nach einem an sich rechtskräftigen Urteil des Landgerichts München II doch noch einmal zu einer neuen Hauptverhandlung und damit zu einer neuen rechtlichen Bewertung kommt. „Bei nur ganz wenigen Wiederaufnahmegesuchen gibt das Gericht sein „ja“ für einen neuen Anlauf zur Gerechtigkeit“, betont Benecke.

Neue Beweise sollen zu Wiederaufnahmeverfahren führen

Die Hürden für ein Wiederaufnahmeverfahren sind hoch. Denn nur mit gänzlich neuen Beweisen oder Tatsachen zum Ablauf des Falles kann ein neuer Prozess eingeleitet werden. „Die bekanntesten neuen Beweise der vergangenen Jahrzehnte entstammten innovativen technologischen Analyse-Verfahren, zum Beispiel auf Basis genetischer Spuren“, so Benecke. Mehrere wissenschaftliche Gutachten sollen nun den angeblichen Badewannen-Mord in einem gänzlich anderen Licht erscheinen lassen.

So belege laut Benecke ein Todeszeitpunkt-Gutachten, dass die 87-jährige Rottacherin viel später, als vom Gericht angenommen, gestorben sein muss. Nämlich zu einem Zeitpunkt, als sich Genditzki nachweislich schon lange nicht mehr in der Wohnung aufgehalten haben soll. Auch eine Computersimulation beweise, dass es sich um einen Unfall gehandelt haben muss. Genau das bekräftige laut Benecke auch eine neue Zeugin in ihrer Aussage über die Gewohnheiten der Verstorbenen.

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