Ein Leserbrief von Josef Bogner sen.
Seit insgesamt über 30 Jahren darf ich nun schon an kommunalen Themen, kommunalen Entscheidungen und an kommunalen und gemeinnützigen Ehrenämtern in Rottach-Egern am Tegernsee mitwirken. Dass es hierbei viele Mitstreiter mit Engagement gibt, ist sicher unumstritten, und doch werfen sich bei mir immer wieder in den Wochen vor Kommunalwahlen wiederholende Fragen auf.
Nun ist wieder „Wahlkampf“ – Der „Kampf“ scheint eröffnet und es gibt sehr viele sachliche Themen, die sich so gar nicht nach Wahlkampf, sondern eher nach Jahrzehnte langem Suchen nach Lösungen anhören. Zum Beispiel das gern verwendete Zauberwort ÖPNV (Öffentlicher Personen Nahverkehr). Seit ich kommunalpolitisch aktiv bin, höre ich diese Bezeichnung „ÖPNV“ alle sechs Jahre wieder verstärkt. Jede/r, der sich als Kandidat/in für ein kommunalpolitisches Amt zur Verfügung stellt, wird danach gefragt, was denn er oder sie machen würde gegen den vielen Verkehr an schönen Wochenenden.
„Wir müssen Verkehrskonzepte entwickeln, müssen Radwege bauen, müssen den ÖPNV stärken, müssen die Taktung der Busse und Züge erhöhen, müssen Menschen, die mit ihren Familien einen Ausflug in die Berge planen, bereits am Ausgangspunkt zum Umdenken bewegen, müssen Parkraumbewirtschaftung und Verkehrslenkung sinnvoll angehen, und so weiter und so weiter…“ Und das alle sechs Jahre wieder. Nachhaltige Lösungen? Fehlanzeige.
Vielleicht gibt’s gar keine Lösungen im „herkömmlichen Sinn“?
Gehen wir der Sache mal auf den Grund. Seit vielen Jahrzehnten lebt das Tegernseer Tal sowie das Schlierseer/Bayrischzeller Gebiet gar nicht so schlecht vom Tourismus. Meiner Einschätzung nach werden bis zu zehn Prozent des gesamten wirtschaftlichen Erfolges über den Tourismus erzielt, wenn nicht sogar mehr. Dabei haben wir in den Regionen Tegernsee/Schliersee schon vor geraumer Zeit genau so viel, oder sogar etwas mehr, Gäste beherbergen dürfen.
Dummerweise ist natürlich ein gut funktionierender Tourismus in einer schönen Gegend auch mit dem Thema Verkehr verbunden. Und genau da scheiden sich die Geister. Berichte in den Medien vom Verkehrschaos an schönen Wochenenden gehören zur Tagesordnung. Dabei sind dann ganz Gewiefte schnell zur Stelle und sagen:
- Schluss mit Großveranstaltungen.
- In Gmund gehört zugesperrt und die Leute nur noch mit Bussen ins Tal gelassen.
- Nur noch Radfahrer zulassen.
- Bauen wir doch eine Seilbahn um den Tegernsee.
- Eine Ringstraßenbahn wäre die Lösung.
- Die BOB muss elektrifiziert werden (was soll das am ÖPNV ändern?)
- Mehr Pendelboote am Tegernsee (von Gmund nach Rottach – und dann?) und vieles mehr…
Wie also sollen Gäste und unsere eigenen Bürgerinnen und Bürger aus dem Landkreis in die Ausflugsgebiete mit den viel verzweigten Seitentälern kommen? An schönen Tagen kommen zigtausende innerhalb von wenigen Stunden in die Regionen – wie sollen diese Massen über ÖPNV transportiert werden? Waakirchen will seit Jahren eine Umgehung – und was ist danach? Hauserdörfl, Finsterwald, Gmund, Bad Wiessee, Rottach-Egern, alle müssten den Verkehr danach weiterhin schlucken.
Es ehrt natürlich jeden, der sich Gedanken um unsere teilweise stark geschundene Landschaft macht, aber mal Hand auf’s Herz: Was ist denn wirklich und nachvollziehbar umsetzbar?
Wie soll sich was zum Besseren ändern, wenn Bahn und Bus bereits jetzt schon viel zu wenig Zugführer und Busfahrer haben? Jüngstes Beispiel: Ein Mitarbeiter bei der DB Netz, der für ein Stellwerk zuständig war, wurde krank – und schon stand die ganze „Maschinerie“ still. Nichts ging mehr. In der Praxis sieht eben so manches anders aus als man der Theorie abverlangen kann…
Anderes Szenario: Schönes Wochenende – alle freuen sich auf Freizeit, planen einen Ausflug und sollen sich dann in überfüllten Bussen, die unter Umständen auch im Stau stehen, mit Kindern, Fahrrädern und im Winter dann vielleicht noch mit Skiausrüstung, in Richtung Alpen bewegen.
Es wird so nicht funktionieren!
Wir sind nun mal eine Ferienregion, die sehr beliebt ist und daran soll sich bitte auch nichts ändern. Wir müssen uns aber, wie unsere Vorfahren vor vielen Jahren erkannt haben, den aktuellen Gegebenheiten anpassen. Da wurden ständig (auch unter Protest) neue Autobahnnetze gebaut und Anschlüsse an aufstrebende Regionen im ganzen Land geschaffen. Und da kommt nun der „Haken“ ins Spiel.
Den Gegebenheiten anpassen: Seit vielen Jahren boomt die Region Oberbayern, der Großraum München soll in den nächsten 20 Jahren um ca. 600.000 (!) Menschen wachsen, aber die Notwendigkeit, parallel dazu das Straßennetz weiter auszubauen, wird leider nie angesprochen. Viel zu sehr fürchtet man sofort um Wählerstimmen und vor allem den Gegenwind. Wenn wir aber so weitermachen und nicht das „Gesamtproblem“ sehen wollen, werden wir wirklich bald ein Problem haben – vorhandene Entwicklungszahlen sind ja nicht von der Hand zu weisen.
„Groß“-Denken muss erlaubt sein
Um eine Gesamtlösung für die nächsten Jahrzehnte, für unsere Zukunft, anzustreben, müssen wir gar nicht so weit schauen. Südtirol, Tirol, Salzburg, Kärnten – überall hatten und haben die Bewohner von schönen Landstrichen dieselben Probleme wie wir hier am Beginn der Alpen. Es wurden aber große Lösungen diskutiert, verstanden und vor allem umgesetzt! Wir müssten also das Rad nicht neu erfinden.
Umgehungsstraßen, Tunnellösungen im großen Stil und damit die Täler durch die Berge erschließen, Tieferlegungen von Zubringerstraßen und deren Einhausung (z.B. gut für Wildübergänge) – all das sind Lösungen, die empfindliche Landstriche voran gebracht und lebenswert gemacht haben. Wir können, ja wir müssen es sogar nachmachen, wollen wir den nächsten Generationen beweisen, dass wir „verstanden“ haben.
Grenzüberschreitend an Lösungen arbeiten
In Garmisch hat man bereits vor Jahrzehnten verstanden, gebaut (Tunnel) wird aber erst seit jüngster Zeit. Bei uns würde es bis zur Umsetzung sicher auch noch Jahrzehnte dauern, aber wenn wir jetzt nicht mit Gesprächen und Durchführungsmöglichkeiten starten, wann dann?
Sollten wir also anstreben, uns wirklich Gedanken über große Lösungen zu machen, geht das nur gemeinsam mit allen Nachbarlandkreisen und grenzüberschreitend. Klein/Klein bringt uns bei dem Gesamtproblem nicht weiter, aber Lösungen vor Ort (Radwege u.s.w.) sind genauso wichtig wie die Sichtweise auf den gesamten PKW-Verkehr, beginnend ab den Autobahnabfahrten. Das Auto wird uns schließlich auch weiterhin begleiten, denn mal ehrlich:
Wer verzichtet schon gerne freiwillig auf seine Mobilität? Das gehört zur Freiheit und die lässt sich keiner gerne nehmen, die haben wir uns auch verdient.
Der ÖPNV muss verbessert werden, ja – aber in der Praxis wird es bei uns in den verzweigten Berg- und Tallandschaften mit den unzählig vielen Ausflugsmöglichkeiten ohne „GROß DENKEN“ nicht funktionieren. Aber in sechs Jahren ist ja dann wieder Wahlkampf…
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