Ein Kommentar von Martin Calsow
Was ist da los? Seit Jahren kommt das Seniorenheim in Schliersee, das sich großmäulig als “Residenz” verkauft, nicht aus den Negativ-Schlagzeilen. “Mangelnde Pflege”, “Unterbesetzung”, “Polizei ermittelt wegen Körperverletzung und anderer Vergehen”, ständig wechselte der Eigentümer. Schliersee, so idyllisch und reizvoll für Tagestouristen, hat eine schwärende Wunde, die seit Jahren nicht heilt.
Es geht um das Leben unserer Mitmenschen, unserer Väter und Mütter. Jetzt wurde eine Bewohnerin von einem dementen Patienten so schwer sexuell missbraucht, dass sie wenige Tage danach starb. Das ist Irrsinn. Wo waren die Pflegekräfte? Wie kann das passieren? Es ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit gegen jene, die in den letzten Jahren ihres Lebens eine friedvolle Zeit verdienten. Hunderte von Angehörigen sind um ihre Eltern besorgt, fühlen sich von den staatlichen Stellen schlecht informiert und behandelt. Aber haben sie noch Kraft, sich dagegen aufzulehnen?
Es fehlt der Druck
Es ist ein schlimmer Kreislauf: Hat man die Pflege eines Familienangehörigen zu verantworten, fehlt die Energie, um gegen ein System anzugehen. Plätze sind rar, nicht jedes Heim nimmt sofort auf. Ist der Angehörige verstorben, ist man froh, mit dem System nichts mehr zu tun zu haben. Das ist der Grund, warum weiter so herumgemuckelt wird. Warum wenig von staatlicher Seite verändert wird. Es fehlt der Druck von uns.
Wer sich je mit den so schön als “zuständige Behörden” titulierten Verantwortlichen unterhält, verliert alsbald die Nerven. Es ist immer wieder der abstoßende Dreiklang von wenig Aufsicht, zu viel Bürokratie und viel zu seltenen Konsequenzen zu hören. Jeder schiebt Verantwortung beiseite. Die einen sind überlastet, die anderen fühlen sich nicht verantwortlich. Die Opfer? Unsere alten Menschen. Nach einem langen Leben, in dem sie uns ein Leben geschenkt haben, uns auf die Beine gebracht haben, vegetieren sie dahin.
Als rüstige Rentner sind sie Politikern und Gastgebern recht. Aber wehe, sie verschwinden als Konsument und Wahlvolk. Da spielen sie eine geringere Rolle als manche kleine, aber laute Minderheit in unserer Gesellschaft. Es sind unsere Eltern und Großeltern! Wenn Schliersee pars pro toto für andere Heime stehen sollte, braucht es mehr als nur einen Aufschrei. Schreiben Sie dem Landrat oder der Landtagsabgeordneten, fragen Sie, was er oder sie konkret tut. Lassen wir diese Verantwortlichen nicht vom Haken. Denn vielen von uns ist nicht klar, dass sie irgendwann in diesen Einrichtungen sitzen werden. Gnade uns Gott, wenn wir solche Zustände erleben müssen.
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