Düsseldorf hat den goldenen Bling Bling Porsche, Berlin-Neukölln den öligen Araber-AMG Mercedes. Wir – im Tegernseer Tal – haben die G-Klasse: G wie Geld, Gier und Gelände.
Bei uns bevorzugt der Wohlhabende in seiner Lebensmitte gern viel Auto – sehr gern mit Allrad. Denn das Tegernseer Tal ist für viele (Männer) irgendwie schon Tundra. Eine Erklärung.
Autoprotzen – im Jahr 2023 so angesagt wie Rockopas, die junge Frauen im Backstage-Bereich abschleppen. Kann man machen, sieht halt mindestens doof aus. Bei uns im Tal protzt mit seinem Fuhrpark offen nur der Zugezogene (Autos werden gern in Garagen der Nachbarn deponiert; Finanzamt und so). Bei den Älteren zählt noch die Nähe zur Natur. Denn die Wege hoch zum Leeberg sind nicht immer rechtzeitig geräumt. Wer will schon von Winklers Männern aus dem Hang gezogen werden? Da braucht es Griffigkeit, und die muss sich mit Status verbinden. Also kein Unimog, aber so ähnlich. Das wird zu Stahl und Aluminium, was Papi beim Autoquartett vor 40 Jahren erträumte:
Windschnittig wie ein Haufen Steine
Die G-Klasse von Mercedes-Benz: Windschnittig wie ein Haufen Steine, und auch sonst eher an einen Glascontainer erinnernd. Dieses “Auto” erfreut sich bei der Tal-Klientel; im gesetzten Alter (“50 ist das neue 30”), größter Beliebtheit. Mag die Wampe noch so sehr am Lenkrad schubbern: Der Mann und die G-Klasse – bei der Prachtfahrt auf der Seestraße – bilden eine optische Symbiose. Selten passten schütteres Haar und Starrachse so gut zusammen.
Vatti weiß sich zudem in einer geheimen Loge der G-Klassen-Besitzer. So grüßen sich die Fahrer auf der Straße wissend, zuweilen auch enthusiastisch, gleich den Motorradfahrern. “Schau, ich auch. Toll, oder?” Die G-Klasse wurde einst als G-Modell eingeführt. Warum? Der Schah von Persien wollte welche haben. Glücklicher Zufall: Persien, die lupenreine Demokratie am Golf war zufällig an Mercedes beteiligt. Dann kam eine Revolution dazwischen. Aber demokratie-averse Länder wie Argentinien griffen zu. Man fuhr lieber mit einem deutschen Produkt zum Fußballstadion …
Heute ist die Kiste ein Erfolgsmodell, ob kolumbianischer Kartellboss oder Münchner Mittelständler – Mann (meistens) will es haben. Im vergangenen Jahr wurde es 41.000-mal gebaut – in Österreich. Überhaupt ist das Auto eine tolle alpenländisch-deutsche Symbiose wie Mozart, Piech oder … ach, lassen wir das.
Das eckige Ding wird bei uns im Tal gern von Jägern über Forstwege im Bergwald gejagt. Dank der immensen Bodenfreiheit spürt man auch den Mountainbiker trotz seines auffälligen Spandex-Bienenkostüms unter der G-Klasse-Ölwanne nicht. Munter lässt der Fahrer zu Jagdhornmusik den Kies auf Wanderer weihwassergleich spritzen, um wenig später das heiße Gefährt vor der Jagdhütte zu parken. Wird aber dort das Aufsitzen später verschlafen.
Die G-Klasse passt in unsere Zeit wie eine Asbach Uralt-Werbung oder der Kampf gegen ein Tempolimit. Es ist der romantisch-naive Wunsch, dass doch bitte alles so bleiben soll, wie es war oder zumindest ist. Mindestens bis der Fahrzeughalter in die ewigen Jagdgründe oder die Schrottpresse Gottes wandern muss – garantiert nur mit Starrachse …
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