Einserschüler bekommen Bootsfahrten und Freikarten geschenkt. Gut so! Aber lasst uns nicht die weniger Erfolgreichen vergessen.
Ich war auch schlecht in der Schule. Der Einzige war ich dabei nie. Jedes Jahr fallen Kinder durch; müssen wiederholen. Gründe gibt es genug. Mangelnder Fleiß ist meiner Erfahrung nach der seltenste. Oft ist man einfach noch nicht so weit; manchmal liegt es an einer Lernschwäche — alles nicht weiter schlimm. Ans Ziel gelangt man dann halt ein oder zwei Jahre später.
Trotzdem ist es mit viel Scham besetzt, wenn man dann wiederholen muss. Ich habe viel geweint als ich die erste Klasse der Handelsschule nochmal machen musste. Rechnungswesen kann ich bis heute nicht ausstehen. Auch mein Abiturzeugnis durfte ich nicht gemeinsam mit meiner Klasse abholen. War ich zu dumm? Habe ich nicht genug getan?
Nein. Glücklicherweise hat mir meine Mutter nie das Gefühl gegeben, eine Enttäuschung zu sein. Die Umstände damals waren einfach andere: Mein Vater war schwer depressiv, alkoholkrank und arbeitslos. Als die Heizung kaputtging, war kein Geld für eine Reparatur da. Festgefroren läuft das Leben nicht mehr rund. Ich hatte kein gutes Blatt in den Händen. Erneut sage ich: Es ist nicht schlimm, sitzenzubleiben. Manchmal braucht man einfach eine zweite Chance. Gratis Buskarten für die Fahrt zur Nachhilfe wären doch ein erster Schritt.
In missliche Umstände gerät man ganz leicht. Auch am Tegernsee gibt es arme Familien und Kinder, die Perspektiven suchen. Für mich sind alle Fünferschüler, die nächstes Jahr einen neuen Versuch wagen, echte Heldinnen und Helden. Ihr hättet auch eine Urkunde verdient — für euer Durchhaltevermögen.
Liebe Grüße,
ein Fünferschüler.
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