Alles auf Anfang in Bad Wiessee

Seit Monaten wälzen Verwaltung und Gemeinderat in Bad Wiessee Planungen über die Zukunft des Rathaussaals, da dessen Größe eigentlich für Büroräume des Bauamts benötigt wird. Im September noch wurde die Auslagerung des Sitzungssaals beschlossen. Darüber bekamen nun etliche Ratsmitglieder kalte Füße.

Im einstigen Handwerkerhof soll ein Wohnhaus mit Büros und dem Sitzungssaal des Gemeinderats entstehen

Eigentlich war laut Tagesordnung des Gemeinderats am Donnerstagabend nur die „Verwertung des Handwerkerhofs“ angesagt. Doch darüber entspann sich eine erregte Diskussion, wieso eigentlich dafür der „historische Rathaussaal“ mit Büros zweckentfremdet werde. Doch der Reihe nach. Das Grundstück des Handwerkerhofs hatte die Gemeinde vor Jahren gekauft. Den Mietern wurde vor drei Jahren gekündigt. Längst stehen die Gebäude leer. Doch schon 2015 reiften Pläne in der Gemeinde, dorthin Büroräume in einem Neubau auszulagern. Doch letztlich wurde Ortsplaner Eberhard von Angerer damit beauftragt, was man auf diesem 1.200 Quadratmeter großen Grundstück unterbringen könne.

„Wenn man ein Grundstück kauft, muss man es irgendwann verwerten“, so der amtierenden Bürgermeister Robert Huber (SPD). Doch wie? Helfen sollte eine erste Planstudie Angerers. Eingeschränkt werden die Planungen laut Angerer aber durch zwei bestehende Gebäude, mit deren Eigentümern noch keine Einigung erzielt worden sei. Hinzu komme die unmittelbare Nähe zum Zeiselbach, der an den Grundmauern vorbeilaufe. Die Erschließung des Areals erfolge nur über ein Fahrtrecht. „Das ist nicht sehr komfortabel“, so Angerer. Deshalb sehe seine Studie eine neue gewölbte Brücke über den Bach im hinteren Bereich des Grundstücks vor. Dieses weise einen „Geländesprung von über einem Geschoß“ zum angrenzenden Rathaus samt Parkplatz aus.

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Statt Handwerkerhof Wohn- und Bürohaus mit Sitzungssaal?

Da es nebenan bereits dreigeschossige Gebäude gebe, sehen auch Angerers Planungen ein Haus in dieser Größe und eine Tiefgarage mit 19 Stellplätzen vor, mit Zufahrt über den Zeiselbach, der von der künftigen Bebauung etwa um zwei Meter mit einem „begrünten Ufer“ abrücken soll. Angerer hatte als Vorgabe Wohnräume und im Erdgeschoss auch eine Büronutzung. Für den oberen Bereich sollte die Nutzung als Ersatz für den Rathaussaal untersucht werden.

Herausgekommen sind vier größere Wohnungen mit jeweils mehr als 100 Quadratmetern in den beiden Obergeschossen und eine fünfte im Dachgeschoss. Der neue Sitzungssaal hätte laut Angerer eine Größe von etwa 130 Quadratmetern. Saal und Wohnungen wären über getrennte Aufzüge erreichbar. Die Kubatur sei 16 Meter breit, 27 Meter lang und 10 Meter hoch. Die Grundfläche des Hauses beanspruche 555 Quadratmeter.

Hubers Anliegen war es anschließend, über die „sehr charmante“ Kubatur und das weitere Vorgehen zu beraten. Abgewickelt werden könnte der Neubau nach Hubers Vorstellungen über das eigene Kommunalunternehmen (KU), da es dafür auch Förderprogramme des Freistaats gebe.

„Schildbürgerstreich“

Doch dann äußerte Georg Erlacher seine Bedenken zur beschlossenen Nutzungsänderung des Rathaussaals in Büroräume. „Am liebsten würde ich die Abstimmung im September rückgängig machen“. Je länger er darüber nachdenke, sei ein „Schildbürgerstreich“, diesen Saal hier umzugestalten und einen neuen zu bauen. Dieser Sitzungssaal „schreibe Geschichte, den sollten wir erhalten“. Erlacher glaube, dass es da andere Möglichkeiten gebe, „wenn wir in uns gehen“.

Als Lösung schlug er während der Ausbauten des Dachgeschosses, in denen das Bauamt mehr schlecht als recht untergebracht ist, deren vorübergehende Auslagerung in Containern vor. Dass dies gehe, hätten auch die Container der Realschule gezeigt. Man sei doch mit der Überarbeitung des Rathaussaals schon viel weiter, derweil plane Angerer „noch einen Sitzungssaal, der gar nicht gebaut wird“. Dies ließ Huber keine Ruhe. Er konterte: „Der einzige hier, der für die weitere Nutzung des Rathaussaals war, war ich“. Etwas erregter: „Greift mich jetzt nicht an“.

Angerers „Schnellschuss“

Er sieht die „Ausnutzung des wertvollen Areals nicht gegeben“, kritisierte Florian Sareiter Angerers „Schnellschuss“. Das könne man „besser verwerten“. Für ihn komme das „nicht in Frage“, da weder die Verwertung der Büroflächen gesichert, noch an Mitarbeiter der Verwaltung oder Einheimische bei den Wohnungen gedacht worden sei. Für Sareiter ist es kein „schlüssiges Konzept“. Für Jupp Brenner (FWG) schon. „Wenn man mit den anderen Grundstückseigentümern nicht zu Potte kommt, ist das eine sehr gute Lösung“. Auch sein Gegenüber am Ratstisch war angetan. Für ihn sei das „Konzept mit den Parkflächen und der Ausrichtung stimmig“, pflichtete Bernd Kuntze-Fechner bei.

Birgit Trinkl (FWG) warb dafür, mit diesen Planungen von Angerers die anderen „Eigentümer mit ins Boot zu holen“. Für Fritz Niedermaier (FWG) kommen die Planungen „überraschend“. Grundsätzlich könne er sich mit solch dreigeschossigen Bauten „nicht gleich anfreunden“. Ob man schon wieder „ein Loch aufmachen soll“, wo doch der Gemeinderat in dieser Legislaturperiode noch viel zu erledigen habe. Noch dazu, wo man nicht wisse, wie es mit dem Rathaus weitergehe. Auch Rolf Neresheimer (ranBW) würde die Anlieger bei den Planungen gerne mit dabei haben. Mit den geplanten Wohnungen setze er auf mehr Leben in der Ortsmitte. Büroflächen würden  dagegen keine Laufkundschaft bringen. Die neuen Erkenntnisse seit Mittwoch über die Möglichkeiten des Rathausumbaus, lasse die ursprünglich geplante Nutzung in „völlig neuem Licht“ erscheinen. Damit könne der historische Saal mit seiner Funktion erhalten werden.

Denkmalschutz gegen Dachanhebung

Erst nach knapp einer Stunde Diskussion kam Huber dann zum Gespräch mit Kreisbaumeister Werner Pawlovsky vom Vortag. Die Frage an ihn war, ob das Dach des Rathauses bis zu einem Meter angehoben werden könnte. „Unter gar keinen Umständen“, soll Pawlovsky laut Huber aus Gründen des Denkmalschutzes gesagt haben. Auch einer Lichtkuppel über dem Rathaussaal sei eine Absage erteilt worden, weil es nach Ansicht von Denkmalschützern die ruhige Dachlandschaft verändere.

Im Dachgeschoß des Sitzungssaals sollte alternativ das Bauamt zusätzliche Räume erhalten. Doch dagegen stehe die Arbeitsplatzverordnung, so Huber, denn die Räume müssten ausreichend Tageslicht und Sichtverbindungen nach außen haben. Hier hakte einer der Betroffenen nach, Bauamtsleiter Helmut Köckeis. Mit dem Umbau des Dachgeschosses würden nur „zwei gute Büros“ mit Fenstern nach Westen entstehen. Eindringlich schilderte er seinen Arbeitsplatz mit einem sehr kleinen Fenster nach Norden und einem Fenster nach Osten, das er aber wegen des tobenden Verkehrs nicht öffnen könne. „Bis zu 90 Prozent des Jahres brauche ich künstliches Licht“. Er verlasse oft „sehr gerädert“ sein Büro. In seiner Funktion müsse er darauf drängen, dass hier nun „vernünftige Arbeitsplätze entstehen“.

Nicht Stammtischen „hinterherrennen“

„Ich möchte eine klare Aussage von Architektin Dorothea Baur, ob es dort oben möglich ist, Büroräume nach der Arbeitsschutzverordnung zu errichten“, versuchte Huber die Wogen zu glätten. Wie es weitergehen soll, will Huber dann in einer Sondersitzung geklärt wissen. Nach wie vor sei der Beschluss der letzten Sitzung für ihn bindend, so Huber, dass das Bauamt im derzeitigen Ratssaal installiert werde. Dies sei mehrmals in Sitzungen erörtert worden. „Wer diesen Beschluss aufheben will, muss einen Antrag stellen“, sagte ziemlich genervt Huber.

Er werde es nicht tun, denn er habe bereits als Einziger im September „warnend“ den Finger gehoben, „passt auf, was wir hier machen“. Doch niemand aus dem Gemeinderat habe auf ihn gehört. Wenn man mehr auf ihn hören würde, „dann könnten wir uns manchmal Jahre sparen“. An die CSU gewandt, wetterte Huber: „Es ist doch aus euren Reihen gekommen, dass es wurscht sei, wo wir tagen“. Und nun höre er vom anderen Ende des Tisches, „der Sitzungssaal muss erhalten bleiben“. Wenn man jeder Stammtischmeinung „hinterherrenne“, dann könne man hier die Beratungen einstellen. Entgegen der Bürgermeinung „hatten wir Gründe, warum wir den Sitzungssaal aufgeben wollen“.

„Warum hast nix gsagt?“

Nachdem „hier die Emotionen hoch gehen“ würden, folgte Bernd Kuntze-Fechner (SPD) dem Vorschlag von Huber, die Architektin solle nochmals eine schlüssige Raumnutzung erarbeiten. „In spätestens zwei Wochen ist dies da“, dann könne man darüber entscheiden. Bis zu dieser Klärung werde der letzte Beschluss vom September zurückgestellt so Huber.

Aber am Mittwoch sei die Stimmung bei dem Gespräch mit dem Kreisbaumeister doch noch sehr positiv gewesen. „Warum hast denn gestern nix gsagt“, erregte sich Sareiter über Huber. „Mein Bestreben ist es, die Räumlichkeiten anzuheben“, erwiderte dieser erregt, „und die Diskussion mal auf einen Punkt bringen“. Deshalb sprach sich Huber für diesen „Zwischenschritt“ einer Sondersitzung nach der gefertigten Studie der Architektin Baur aus. Doch eine Abstimmung darüber erfolgte nicht.

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