Angeklagte soll sich bereichert haben

Im vierten Prozesstag um den Tod der Kreuther Kunsthändlerin Barbara Böck (95) zeigte sich heute vor dem Münchner Landgericht, wie die des Mordes angeklagte Betreuerin Renate W. ihre „Betty“ abschirmte, um – laut Anklage – ans Erbe der Millionärin zu kommen.

Links am Rand: die angeklagte Pflegerin Renate W. Sitzend der Mitangeklagte bulgarische Hausmeister Zahiri Z. – links von ihm seine Dolmetscherin. / Archivfoto vom 1. Prozesstag am 19. Januar

Die 53-jährige Sauerlacherin sitzt seit Mitte Januar mit ihrem Mann und zwei weiteren Bekannten auf der Anklagebank. Ihr wird Mord vorgeworfen. Am 22. März 2016 soll sie Böck mit einem Kissen erstickt haben, um an das gesamte Vermögen der verwitweten und kinderlosen Seniorin zu gelangen, das sie ihrer eigenen Stiftung übertragen wollte.

W. sah ihre Felle davonschwimmen und soll zugedrückt haben. Da die Angeklagte schweigt, muss dies nun in einem Indizienprozess geklärt werden. Heute wurden weitere der insgesamt 38 geladenen Zeugen gehört. Man kannte Barbara Böck über 50 Jahre, schildern ihre einstigen Freunde Beatrice und Alfred M. als Zeugen. Kennengelernt habe man sich im Mesnergütl in Rottach-Egern und bis zuletzt sei der Kontakt zur vermögenden Antiquitätenhändlerin nicht abgerissen.

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Auch im Rupertihof, in der Böck seit 2011 lebte, obwohl sie eine Villa in Kreuth hatte, hätten ihre Münchner Freunde sie öfter besucht. Das letzte Gespräch habe fünf Tage vor ihrem Tod am 17. März 2016 stattgefunden. Da habe Böck beklagt, dass sie nur 100 Euro pro Woche im Krankenhaus Agatharied zur Verfügung habe. Böck war auf die psychiatrische Station eingewiesen und unter Betreuung gestellt worden.

4.500 Euro in bar forderte die Betreuerin

Für den Todestag am 22. März rekonstruierte die Polizei, dass die Angeklagte Böcks Freunden in München um 7.37 Uhr auf den Anrufbeantworter gesprochen habe. Die Aufzeichnung löschte das betagte Ehepaar, doch sie würden sich daran erinnern, dass die Angeklagte sich bei dem Anruf als gute Freundin von Böck gemeldet habe: Sie sei Tag und Nacht als Betreuerin bei ihr. Böck gehe es gut.

Doch wenig später wurde Böck tot in ihrem Bett aufgefunden. Die Anklage geht von gewaltsamen Tod durch Ersticken aus. Renate W. soll dies mit einem Kissen oder Tuch bewirkt haben. Die Beschuldigte schweigt weiter zu den Vorwürfen. Dafür waren Nachbarn von Böcks Villa in Kreuth umso mitteilsamer. Diese verständigten Alfred und Beatrice M., dass die Villa ausgeräumt werde.

Der Mitangeklagte Rottacher Antiquitätenhändler Peter Michael P. sei ebenfalls dabei gesichtet worden, wie er Renate W. beim Abtransport geholfen habe. P. soll sich aber schon zu Lebzeiten von Böck um den Verkauf ihrer Antiquitäten gekümmert haben, wenn etwas bei Auktionen nicht an den Mann kam. Von dem Ehepaar wurde die 53-jährige Angeklagte in Geldfragen als fordernd und anmaßend geschildert. Sie soll von Böck pro Monat 4.500 Euro schwarz auf die Hand als Entlohnung gefordert haben und auch mal 15.000 Euro cash.

Millionärin hatte Angst um ihr Leben

Auch der mitangeklagte Hausmeister Zahari Z. sei nicht leer ausgegangen, obwohl er kostenfrei in der Einliegerwohnung der Villa gelebt habe. Für seinen Hausbau in Achenkirch sei er von Böck mit 20.000 Euro unterstützt worden. Die Rückzahlung würde sie ohnehin nicht mehr erleben, habe sie ihren Münchner Freunden, dem Architektenehepaar, gesagt. Die Angeklagte aus Sauerlach habe Böck auch zu ihrem Bankschließfach begleitet. Sie habe einmal geäußert, dass ihre Gesellschafterin W. aufdringlich sei und sie diese nicht mehr loswerde.

Ein ähnliches Bild zeichnete die Zeugin Elisabeth B. Sie ist Stiftsdirektorin im Rupertihof in Rottach-Egern. W. sei regelmäßig im Haus gewesen. Sie sei sehr selbstbewusst in ihrer dominanten Art aufgetreten und hätte Forderungen gestellt. Die Angeklagte hätte Böck völlig abgeschirmt. Besonders der Todestag am 22. März 2016 blieb der Zeugin B. in Erinnerung. Denn W. verlangte schnellstmöglichen Zugang zum Appartement, das mit einem speziellen Schloss in der Abwesenheit von Böck versiegelt war, da diese inzwischen in Agatharied untergebracht war.

“Betty” litt an Wahnvorstellungen

Erst auf dem Gang zum Wohnraum im Rupertihof habe W. gegenüber der Direktorin gesagt, dass Böck am gleichen Tag verstorben sei und sie deshalb Kleidung zur Bestattung brauche. Zur Todesursache hatte sie nichts gesagt. Beim Eintritt in das Zimmer habe W. gleich nach dem Pelzmantel und der Geldbörse von Böck greifen wollen, was B. unterband. Doch Böck war keine pflegeleichte Bewohnerin. Ihr Zustand verschlechterte sich Ende 2015 zusehends, wie die Zeugin Elisabeth B. zu Protokoll gab. Böck wollte nichts essen, weil sie Angst hatte, vergiftet zu werden.

Paranoide Wahnvorstellungen seien zusehends aufgefallen. Sie führten am 5. Januar 2016 dazu, dass Böck ihr Appartement unter Wasser setzte, weil sie Angst hatte, zu verbrennen. Da sie ab diesem Zeitpunkt niemand mehr an sich „rangelassen“ habe, wurde für „Betty“, wie man sie auch nannte, die Betreuung beim Amtsgericht Miesbach beantragt. Bei der ansonsten würdevollen Bestattung von Böck sei Renate W. dadurch aufgefallen, so die Stiftsdirektorin, dass sie mit einem großen Bild von Böck dem Leichenzug weinend vorausging und sich am Grab in den Vordergrund drängte, während Böcks alte Freundinnen von W. nach hinten gestellt worden seien.

Ermittlungsgruppe „Erbschaft“

Bereits am Freitag wurden schwere Vorwürfe gegen die Angeklagte erhoben. Böcks gesetzliche Betreuerin, Tanja K. (45), eine Rechtsanwältin aus Rottach-Egern, zeigte sich über die Position von Renate W. verwundert. Sie gab sich als Gesellschafterin der 95-Jährigen aus. Doch für ihre vielen Dienstleistungen wollte sie nicht entlohnt werden. Denn man sei eine große Familie, hätte die Angeklagte gegenüber Betreuerin K. geäußert.

Bei dieser aber kamen Zweifel über den selbstlosen Einsatz der rechten Hand von Böck auf. Gegenüber der Zeugin aus Rottach soll Böck geäußert haben, sie sei Millionärin. Doch tatsächlich hätten sich auf ihrem Konto nur 101.000 Euro befunden. Diese brauchte die Witwe zur Bezahlung ihres betreuten Wohnens im Rupertihof. Doch ein Gutachter befand sie zumindest als geschäftsunfähig. Damit hatte die Gesellschafterin offenbar Probleme.

Hat Anwältin Zugang zur Wohnung erlaubt?

Sie soll im Namen von Barbara Böck ein Schreiben verfasst haben, in dem sie um die Aussetzung der Geschäftsunfähigkeit bat, um noch Antiquitätengeschäfte mit England tätigen zu können. Das Schreiben wurde ohne Unterschrift per Fax aus einem Copy-Shop an die Rechtsanwältin K. geschickt. Sie erfuhr auch nur durch Zufall, dass W. als Gesellschafterin einen Schlüssel zu Böcks Villa besaß.

Ein Polizist hatte die Anwältin angerufen, da er die Angeklagte beim Ausräumen erwischte. Auf Nachfrage soll Renate W. erklärt haben, die Anwältin habe ihr dies erlaubt. Diese wusste nicht einmal, dass die 53-jährige Angeklagte im Besitz eines Schlüssels war. „Diesen hätte ich ihr sonst abgenommen“. Die Kripo in Miesbach hatte zu Böcks umfangreiche Hinterlassenschaften von etwa zwei Millionen an Wertgegenständen die „EG-Erbschaft“ eingesetzt. Der Prozess wird am Mittwoch vorgesetzt.

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