Auf ein Schnitzel mit dem Landrat

Vor einigen Wochen fragten wir die Leser, wo man im Tal noch gut, einfach und günstig essen kann. Wir schnappen uns Menschen des Tals – bekannte und unbekannte – und gehen mit ihnen in ihre Lieblingsgasthäuser. 50 Euro ist das Limit. Heute mit Landrat Wolfgang Rzehak.

Martin Calsow und Wolfgang Rzehak beim Essen im Gasthof Köck am Gasteig.

Köck am Gasteig in Gmund. Unter der Woche. Kaum ein Tourist stört das Bild. Draußen dräut ein Gewitter, drinnen im Eck wartet der Herr Landrat im Sakko und 90er-Jahre-Streifen-Hemd. Er hat schon ein Helles bestellt. Das Journalistenpack kommt, klar, zu spät und wird auch gleich schräg vom Rzehak Beppo angemacht. Ob man noch „in der Heimat Oldenburg oder Osnabrück“ gewesen sei. Na toll, der Landrat als Humorist.

Lokale ganz ohne Schickimicki

Heute geht es aber nicht um Politik, es geht ums Essen. Wo gibt’s noch einfaches, aber köstliches Essen – jenseits von Sternen und anderem Schnickschnack für Reiche. Der Landrat macht natürlich den Anfang. Wir hätten auch mit Georg von Preysing angefangen, aber der hatte keine Zeit.

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Dem Rzehak darf man nicht zu nett kommen. Sonst wird man eingelullt, sagen Freunde und Feinde des blonden Hünen. Also gleich mal mit der Knallerfrage vorneweg, damit die Betriebstemperatur stimmt:

‘Herr Landrat, dicker geworden seit Amtsbeginn?’

Rzehak: „Ja, ich denke schon. Also, zumindest meine Frau sagt es.“

‘Wie viele Kilos?’

Rzehak: „Die Zahl will ich nicht gedruckt sehen.“

Gut, das kann man verstehen – und in die Eitelkeitsliga seines Vorgängers kommt der gebürtige Miesbacher eh noch nicht. Wird aber gleich eine Erklärung hinterhergeschoben:

Rzehak: „Es ist die fehlende Bewegung. Man sitzt eigentlich nur. Im Auto, in Sitzungen oder Ausschüssen. Da bin ich abends, wenn ich um zehn daheim ankomme, schlicht zu müde.“

Beppos Lieblingsplatz

‘Wir hatten Sie gefragt, wo sie gerne essen gehen – allein oder mit der Familie. Spontan kamen sie auf den Köck hier in Gmund. Warum?’

Rzehak: „Die Küche ist bodenständig, alles ist frisch zubereitet. Nichts kommt aus dem Supermarkt-Eimer. Das Schnitzel aus der Pfanne und nicht aus der Fritteuse. Der Biergarten draußen ist mein Lieblingsplatz. Da sitzen meine Frau und meine Kinder gern.“

Die Bedienung kommt. Keine aus der üblichen Laienspieltruppe mit dünnen Stimmchen und einem patzigen Ton. Die Frau kennt den Rzehak, ist schnell, freundlich und wirkt wie eine Gastgeberin. „Was wird gegessen?“

‘Böhmische Knödel?’ (Familie Rzehak sind Rucksackdeutsche, kamen aus Böhmen. Das Schicksal teilt er mit TS-Chef Peter Posztos, quasi Brüder im Konsonantenhimmel.)

Rzehak: „Ich nehme das Wiener Schnitzel mit dem Kartoffelsalat.“

Erwartbar. Dabei bietet die Karte weitaus mehr. Aber bitte, keine Experimente mit dem Beppo.

Vegan ist nix für den Grünen-Landrat.

‘Ach, da schau her. Der Grüne isst totes Tier.’

Rzehak: „Ich esse gerne Fleisch. Ich bin da mehr Bayern als Prenzlauer Berg. Wenn die Tierhaltung nachhaltig und ordentlich ist, so wie bei unseren Bauern im Oberland, dann darf es auch mal Fleisch sein. Vegan ist mir zu weit weg. Das hat auch wenig mit Ökologie zu tun. Das ist falsche Askese.“

Nicht schlecht: Mit einer Antwort an die heimischen Bauern angewanzt und der städtischen Grünen-Klientel eine mitgegeben. Soll ja keiner glauben, Grün ist bei Rzehak lustfeindlich und missionarisch. Denn auch Rzehak weiß: Als Grüner lebt man im Oberland wie ein Bayern-Fan in der Dortmunder Südkurve.

‘Zurück zum Essen und zur Gaststätte: Sie wohnen gleich in der Nähe …’

Rzehak: „Ja, deswegen sind wir natürlich auch oft hier. Wir sitzen im Biergarten und die Kinder können, wenn es ihnen zu langweilig wird, nach Hause laufen. Tatsächlich ist der Blick von hier oben auf den See unglaublich, oder?“

Es kommt ein Bier, ein Vorspeisensalat ohne komische Kresse, aber mit ordentlichem Kraut und Gurke. Keine Komposition an irgendwas, einfach Salat. Geht doch. Der Regen zieht schon über Kaltenbrunn, gleiche Aussicht, doppelte Preise, denkt man. Im Radio spielen sie „Sympathy for the Devil“. Die Gangart muss noch einmal hart werden.

Lieber Bier als Schnaps

‘Geht man als Grüß August und Bänderaufschneider überhaupt noch gern essen? Als Landrat bekommt man doch auf jeder Veranstaltung mindestens einen Schweinsbraten und ein Helles?’

Rzehak: „Ach was, ein Weißbier vielleicht. Aber nach den Reden muss ich meist schon gehen, weil der nächste Termin schon drängt. Da bleibt mir höchstens eine belegte Semmel. Ein Landrat macht übrigens viel mehr als nur Bänder aufschneiden.“

‘Noch einen Schnaps?’

Rzehak: „Nein, danke. Das ist in ihrer Heimat in Westfalen Sitte bei den Schützenfesten, oder? Ich trinke lieber ein Tegernseer Bier.“

Schön, wenn auch der Landrat seine rudimentären Kenntnisse über meinen Heimatstamm ausplaudern darf. Der Westfale schweigt und trinkt weiter die süße Plörre vom Brauhaus Tegernsee.

‘Wann waren Sie das letzte Mal so richtig betrunken?’

Rzehak: „Das weiß ich nicht mehr. Lange her. Strategisch wäre das hier gut. Ich könnte zu Fuß nach Hause gehen.“

Der Regen kommt, Rzehak hat gegessen. Ohne Schnaps und Espresso geht er. Das Essen zahlt er selbst. Das war früher auch mal anders bei Landräten. Zurück bleiben wir und finden: Köck am Gasteig ist eine gute Empfehlung gewesen.

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