Bürgerentscheid Rottacher Rathaus: Neubau oder Sanierung?

Drei Kreuze und drei Fragen entscheiden am 04. Februar über die Zukunft des Rathauses in Rottach-Egern. Das sind die Optionen.

Das Rathaus in Rottach: sanieren oder neu bauen? Foto: Redaktion

Abriss oder Sanierung: Darüber streitet sich der Rottacher Gemeinderat seit knapp drei Jahren. Auch in vorherigen Generationen des Gemeinderats war die bauliche Situation des Gebäudes immer wieder Thema. Bereits 2009 wurde dem Rathaus eine Schönheitskur verordnet. 2021 ging der Gemeinderat schließlich in die Offensive. Im September folgte schließlich der Beschluss: Das Rathaus soll neu gebaut werden. Kritische Stimmen gibt es bis heute.

Bürgerentscheid aus dem Hause Mair

Darunter: Gunther und Lore Mair; ein Ehepaar aus Rottach-Egern. Sie wünschten sich eine grünere Variante für das Rathaus und leiteten vergangenes Jahr prompt ein Bürgerbegehren ein. Mair schlägt vor, nur einen Teil abzureißen, mehr zu sanieren und dezent neu zu bauen. Damit beruft er sich auf eine Planungsvariante aus dem Jahr 2021, die der Gemeinderat jedoch verworfen hat. Die Fassade sei dabei zu erhalten, weil sie doch “heimatstypisch” sei. Am Platz hinter dem Rathaus will Mair ebenfalls festhalten. Vergangenen Herbst erklärte uns Mair: “Sanieren ist das neue Bauen.” Zum Bürgerbegehren sagt er: “Als Bürger wünsche ich mir, dass viele zur Wahl gehen.”

Mair ist Physiker, hat in den 90er Jahren ein historisches Klinkerhaus saniert und bezieht daraus seine Expertise. Das Argument, dass beim Sanieren neue Kosten auftreten können, weil sich beim Renovieren unbekannte Varianten auftun können, bringt Mair nicht aus der Ruhe: “Wenn ich etwas übersehe, dann ist das ein handwerklicher Fehler.” Er macht klar, dass die Variante über die Bürgerinnen und Bürger in Rottach-Egern abstimmen sollen, eine “Entwurfsplanung” ist, es sei “die beste, die es gibt”, auch wenn diese kostenmäßig nach oben oder unten um 20 Prozent abweichen könne.

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Beim Stimmzettel hat jede Bürgerin und jeder Bürger drei Stimmen. Also ordentlich lesen und entsprechend JA oder NEIN ankreuzen. Weil theoretisch der Bürgerentscheid 1 und 2 eine Mehrheit haben kann, ist die Stichfrage entscheidend: Hier also das Kreuzchen nicht vergessen!

Viele Jahre Rathaus-Neubau

Köck legte seine Sicht der Dinge auf einer Informationsveranstaltung zum Rathaus dar. Dort erklärte Christoph Thomas, projektleitender Architekt der Firma Knerer und Lang, wie der Neubau denn aussehen könnte. Dabei spricht Thomas von einer “traditionellen, zeitlosen Gestaltung.” Dreigeschossig soll es werden; ein „multifunktionaler“ Vorplatz ist geplant, Tiefgarageneinfahrt, zwölf Stellplätze, Kutschen-Umfahrt und Balkone. Fahrradstellplätze für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind angedacht und 14 für die Rathaus-Besucher. Der Brunnen wird umgezogen, aber mitgenommen. Der Vorplatz verspricht irgendwann freundlich zu sein, mit Bänken, die verschiebbar sind. Grüner soll es dann auch werden, so das Versprechen der Vortragenden. Auch Thomas Tomaschek, Gemeinderat und Vorsitzender der Grünen für den Ortsverband Tegernseer Tal, will den Neubau: “Seit 30 Jahren diskutiert die Gemeinde über das Rathaus, es war immer nur eine Behelfskonstruktion (…). Nun ist es Zeit in einen Neubau zu investieren, – und nicht in eine teure Sanierung mit unklaren Kosten -, damit wir für die nächsten 100 Jahre ein funktionierendes und zeitgemäßes Rat- und Bürgerhaus haben.

Die Argumente:

Nächste Woche erhalten Rottacher Bürger und Bürgerinnen per Post ihre Abstimmungsunterlagen für die Bürgerentscheide “Ratsbegehren – JA zum Rathausneubau Rottach-Egern” und “Bürgerbegehren – Rathaus Rottach-Egern”. Die Gemeinde setzt auf eine Brief-Abstimmung. An der Mittelschule in Rottach-Egern wird am 04. Februar alternativ ein Abstimmungslokal eingerichtet. Zur Vorbereitung legen beide Parteien nochmals schriftlich ihre Argumente vor. Wir haben sie hier im blauen Kasten aufgeführt, – so gehen sie den Wahlberechtigten in Rottach-Egern auch per Post zu.

  • Umfassender Sanierungsbedarf mit hohen Kostenrisiken

Das heutige Rathaus bedürfte erneut (wie bereits 1957/58) einer Kernsanierung. Die Erfahrungen der Gemeinde mit solchen Sanierungen (u.a. Seeforum, Gsotthaber Hof, Radolinhaus, Falianhaus) bedeuten – wie auch bei vielen privaten Sanierungsprojekten – ein erhebliches und leider wenig verlässlich prognostizierbares Kostenrisiko.

  • Kein Denkmal – kein historisches Wahrzeichen

Unser derzeitiges Rathaus steht nicht unter Denkmalschutz. Die Untere Denkmalschutzbehörde bestätigt dies. Der Turm ist aus Sicht des Gemeinderates – unvoreingenommen betrachtet und mit Verantwortung für den Erhalt unseres Ortsbildes – kein historisches Wahrzeichen der Gemeinde.

  • Gebäude- und Grundstücksqualität eines zukunftsfähigen Neubaus

Die Gebäudequalität eines Neubaus ist grundsätzlich höher als die eines sanierten Altbaus. Ein Neubau ermöglicht den technisch besten Umstieg auf erneuerbare Energien. Er lässt den öffentlichen Wunsch nach einem größeren Vorplatz zu und erlaubt bereits heute die ober- und unterirdische Erschließung des hinteren Grundstücks für künftige Vorhaben. Das Rathaus der Zukunft wird großzügige Flächen für unterschiedlichste Nutzungen schaffen (z.B. für Info-Terminals von gemeinnützigen Organisationen, eine Lounge für Gäste und Bürger sowie einen attraktiven Wartebereich für die zahlreichen Gäste von durchschnittlich mehr als 100 standesamtlichen Trauungen pro Jahr). Zudem ist durchgängige Barrierefreiheit für die zukünftige Nutzung ein wichtiger Aspekt.

  • Unterkellerung und Tiefgarage – wesentliche Bestandteile vorausschauender Planung

Ein neues Rathaus ermöglicht die Unterkellerung und den Bau einer Tiefgarage, um ausreichend Stellplätze für sämtliche gängige Verkehrsmittel herzustellen, ohne das Risiko, das hintere Grundstück dauerhaft und ohne Not in dessen Wert zu mindern. Das Sanierungskonzept hingegen sähe vor, dass diese wertvolle Fläche verloren ginge und für Parkplätze geopfert werden müsste. Dadurch wäre auch die jetzige Grünfläche verloren!

Aufgrund der positiven Haushaltssituation kann die Gemeinde das geplante Projekt ohne Kreditaufnahme realisieren. Zudem können selbstverständlich auch weiterhin sämtliche Pflichtaufgaben wahrgenommen und erledigt werden. Die finale Kostenberechnung beläuft sich auf 10 Millionen Euro. Für die bisher erbrachten externen Leistungen wurden etwa 450.000 Euro ausgegeben.

In der von der Gemeinde 2021 beauftragten Machbarkeitsstudie stellte sich die Variante 4 mit dem Vermerk „Raumprogramm erfüllt“ als machbare, gute Lösung dar. In der Variante 4 wird die Sanierung des bestehenden Rathauses unter Erhalt der Fassaden beschrieben. Ein westseitiger Anbau mit einem großzügigen Treppenhaus mit Lift, lichtdurchflutetem Sitzungssaal und Büroräumen ergänzt den Bestand.

Für die Sanierungsvariante (Variante 4) sprechen folgende Argumente:

  • Die Fassade, ein optisches Markenzeichen mit stark heimattypischem Charakter, bleibt erhalten. Ein geschichtsloser Großbau, der unseres Erachtens das Einfügungsgebot missachtet, wird vermieden. Dessen Fassade wäre breiter als der heutige Rathaushauptbau (1) inklusive Turm und auch etwas höher (Giebelhöhe), also sehr wuchtig.
  • Die Baukostenschätzungen liegen mit 5,85 Mio. Euro (2021) plus Baukostenindexsteigerung von 23 % bis heute bei 7,2 Mio. Euro gegenüber 10,3 Mio. (Stand Nov. 2023) Euro für den Neubau, eine Differenz von über 3 Mio. Euro oder mehr als 40 %.
  • Die Sanierung bietet 9 % mehr Bürofläche als der Neubau (621 qm statt 569 qm).
  • Auch Sitzungssaal und Trauzimmer sind bei der Sanierung geringfügig bzw. 13 % größer.
  • Vermeidung des Verlusts von 200 qm wertvollem Baugrund (Wert ca. 600 000 Euro) hinter dem Rathaus, der durch das Zurückversetzen des Neubaus anfallen würde.
  • Erhalt zweier ausgewachsener ortsprägender Bäume, die der Neubau-Tiefgarage zum Opfer fallen würden.
  • Vermeidung eines Tiefgaragenbaus, mit dessen grauer Energie man 10 moderne Einfamilienhäuser 19 Jahre lang mit Gas heizen könnte. (3) Dazu kommt die Betonersparnis für den gesamten Neubau und zusätzlich bleibt die im Altbau gebundene „Graue Energie“ bewahrt.

In Kürze:

Für 3 Millionen Euro Mehrkosten gibt es nur 300 qm Flur zusätzlich plus Tiefgarage, dazu den Verlust der historischen Fassade und weniger Büroraum. Ohne diese Mehrkosten liefert die Variante 4 mehr Bürofläche, benötigt keine Tiefgarage und erhält das bestehende Rathaus mit der straßenseitigen Fassade.

Wenn das Bürgerbegehren den Beschluss des Rottacher Gemeinderats ablösen soll, also damit sich die Sanierungsvariante durchsetzt, muss das Begehren um die 1.000 Ja-Stimmen erhalten. Das entspricht einem Quorum von 20 Prozent bei 5000 wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürgern.

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