Die Betonbarone

Sie nennen sich Entwickler. Und das klingt gleich auch netter. So wie Boandlkramer statt Sensenmann. Oder Naturpolizei statt Aasgeier. Bauentwickler, Investoren oder Zubauer haben im Tal Hochkonjunktur. Dank Boni, Erbe und Draghi will man bauen und kaufen. Da hilft man gern.

Möglichst viel Stein auf die Fläche – kommt einem doch irgendwie bekannt vor… / Archivbild

Das Oberland ist ein Paradies. Von Zeit zu Zeit tauchen aber ein paar faule Äpfel der Marke Quälgeist, Nervensäge und Meckerzwiebel auf. Sie verbreiten Unmut, schlechte Laune und stören die Lebensqualität. Ob an der Fleischtheke, im Gemeinderat, auf der Alm, im Café oder beim Arzt. Kurz, es sind jene Benimm-Allergiker, die unser Leben im Paradies mühsam werden lassen. Martin Calsow spürt sie einmal im Monat auf und beschreibt ihre Auswüchse. Auch eine Form der Therapie.

Ein Kolumne von Martin Calsow:

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Es ist ein ganz bestimmter Männerschlag, der da auffällig ist. Kernig in der Optik, aber zuweilen auch schmierlappesk wie mittelalte Skilehrer in Ischgl, wanzen sie sich an potenzielle Kunden. Wichtigste Informationsquelle? Dorftratsch der Handwerker. Wem geht es von den Altvorderen im Tal schlecht? Wer spielt lebenstechnisch im Finale? Denn im Tal leben noch viele Ältere mit Haus. Gehen die den letzten Weg, muss es der Entwickler wissen.

Das Tal als eine einzige Baustelle

Stirbt Vati oder Mutti, ist die weit verstreute Erbenschar selten an einen Umzug ins Elternhaus interessiert. Da kommt der Entwickler mit kundigem Blick und verständnisvoller Ansprache ins Spiel (“Kriegen wir zehn Wohneinheiten hin? Locker. Sonst lohnt es sich nicht“).

Es soll Mitarbeiter solcher Firmen geben, die die Teilnahme am Leichenschmaus als Bewirtungskosten absetzen wollten. Meist sind sich die Erbenkinder zwar selbst nicht grün, aber wenn es ums Geld geht, einigt man sich auf den wichtigsten Nenner: den größtmöglichen Profit.

Den hat natürlich auch der Entwickler im Sinn. Echtes Win Win. Nach dem Werben ist vor dem Werben. Diesmal sind es sperrige Bauamtsleiter/Ausschüsse, die umgarnt oder eben gerufmordet werden wollen. Das Motto: Möglichst viel Stein auf die Fläche. Egal, ob nach oben oder unten in die Tiefe. Drumherum wird ein wenig Landhaus geklebt, damit die Feierabend-Ästheten in den Gemeinde- und Stadträten auch brav nicken. Das Tal ist für diese Männer eine einzige Baustelle, kommunale Unternehmen sind ihnen willkommen wie eine Schuppenflechte. Denn die kommen mit einem sozialen Gedanken daher. Igitt.

Was sich entwickelt, ist einzig Beton

Ein großzügiger Garten? Wozu? Reicht doch ein Rasenstück und ein Pflasterplatz für den Webergrill. Drumherum eine Lorbeerhecken-Mauer. Klar, muss es eine Tiefgarage mit dem Fuhrpark eines Mittelstand-Unternehmens sein. Der Neubesitzer aus der Stadt hat doch eine Vorliebe für Oldtimer. Die Karren sind ja auch eine Anlage. Ob die neuen Waben, zehn Monate im Jahr leerstehend, das Tal erst recht düsterer und eintöniger machen: eh wurscht. Ich bin ja weg.

Was nicht passt, wird passend gemacht. Die alte Buche hinten im Garten? Kann weg. Wald haben wir hier genug. Lieber um Vergebung bitten, als um Erlaubnis fragen. Die Strafe zahlt der Herr mit den gegelten Haaren, legt sie einfach auf den Preis drauf. Die Bude wird er los. Jede Wette.

Das ist asozial? Klar. Aber in einem Jahr, wenn da der giftgrüne Rasen drüber gewachsen ist, kräht im Ort kein Hahn mehr danach. Den gibt es ja auch nicht mehr. Weggeklagt von den ruhebedürftigen Neubürgern. Und jetzt schnell die Jalousien runter.

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