„Wer liest noch das Lokale?“, fragt das Hamburger Online-Medium der ZEIT in einem aktuellen Artikel, nachdem bekannt wurde, dass sich die Mediengruppe DuMont von ihren regionalen Tageszeitungen trennen will. Darunter sind auch Massenblätter wie die Berliner Zeitung und der Kölner Stadtanzeiger. Auch die Funke Mediengruppe streicht Stellen bei der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung und dem Hamburger Abendblatt. Der Grund: die Medienlandschaft verändert sich rasant und mit ihr der Journalismus.
Viele Fragen bewegen die Branche: Ist die Tageszeitung ein Auslaufmodell, weil jüngere Zielgruppen aktuelle Nachrichten nur noch auf mobilen Endgeräten lesen? Mit welchen Formaten können Menschen erreicht werden, die teilweise nur noch Bilder und Videos anschauen? In Orten, in denen es keinen Lokaljournalismus von Verlagshäusern mehr gebe, könnten sich verlagsunabhängige Digitalangebote profilieren, schreibt ZEIT-Online und verweist „im ländlichen Raum“ auch auf die Tegernseer Stimme mit ihrem „gut gemachten lokalen Online-Journalismus“.
Offenbar sehen dies die Leser der Tegernseer Stimme ähnlich, denn die Nutzung dieses Angebots steigt kontinuierlich seit dem Start von vor fast neun Jahren. Derzeit lesen zwischen 8.000 und 10.000 Leser täglich, was die in Gmund ansässige Redaktion veröffentlicht. Selbst im Tegernseer Stadtrat hieß es kürzlich, als es um den offensichtlich unbefriedigenden Online-Auftritt der Stadt ging, man habe doch die Tegernseer Stimme als Informationsquelle.
Das Lokale als Trend
Ob der Stadtrat oder die Gemeinderäte der anderen Talgemeinden, sie sind unverzichtbarer Bestandteil eines Lokaljournalismus. Denn sie sind nach Ansicht des Politikwissenschaftler Timo Grunden die „Basislager der Demokratie“. Den Kommunen komme im politischen System Deutschlands eine doppelte Rolle zu: „Zum einen sind sie auf der untersten Ebene des föderalen Systems angesiedelt, zum anderen sind sie der Ort, an dem demokratische Teilhabe zuerst ermöglicht wird“.
Für die mit mehreren Preisen ausgezeichnete Journalistin Anja Reschke liegt das Potenzial im Regional-Journalismus. In einem Interview mit dem OSK//Blog erklärte die geborene Münchnerin jüngst:
Die großen, nationalen Nachrichten bekommt man so oder so. Aber in der regionalen Lücke kann man noch was machen.
Die Menschen wollten erfahren, was in ihrem unmittelbaren Umfeld passiere. Journalisten müssten ihre Inhalte direkt zum Publikum bringen. Der Leser ist viel bequemer geworden. “Wenn du ihm etwas mitteilen willst, musst du bei ihm vor die Haustüre gehen – oder eben in die Timeline.” Eine Eloge auf den Lokaljournalismus hält auch TV-Journalist Ernst Elitz: „Dieser ist die Königsdisziplin und hat eine blühende Zukunft“. Diesem Trend folgt auch der Bayerische Rundfunk. Er splittet seine Programme immer mehr nach Regionen wie Ober- und Niederbayern, bis hin zu Schwaben und Mainfranken.
Viele Leser der Tegernseer Stimme leben nicht im Landkreis. Aber sie wollen als ehemalige Einheimische, potenzielle Urlauber oder neugierige Münchner an den Geschehnissen im Tal teilhaben. Ob in fernen Ländern wie Argentinien oder den USA, immer wieder verfolgen Interessierte die Berichterstattung zu lokalen Nachrichten aus den fünf Tal-Gemeinden. Sie wünschen, schnell aber auch umfassend und kritisch informiert werden, wie die Rückmeldungen zeigen. Vielleicht ist der Online-Lokaljournalismus doch die Königsdisziplin, um den man sich trotz sinkender Auflagen der Printmedien weniger Sorgen machen muss.
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