Fragwürdige Tourismusförderung in Amigo-Affäre

Fast Unisono verteidigen sich die Angeklagten Kreidl, Bromme und Co. vor dem Landgericht damit, ihre Informationsfahrt 2012 in die Hochalpen diente vor allem der Förderung von heimischen Skigebieten. Doch Recherchen der Tegernseer Stimme zeigen, dass Zweifel an der Version erlaubt sind.

Das 5-Sterne-Hotel in Interlaken, in dem die Bürgermeisterfahrt mit Begleitpersonen endete / Foto: Siegfried Platz

Am 20. April 2012 brach ein Bus zu einer dreitägigen „Informationsfahrt“ nach Serfaus, Interlaken und Brixlegg auf. An Bord waren alle 16 Bürgermeister des Landkreises, 13 davon mit Partnerinnen. Offiziell diente die „strapaziöse“ Fahrt der Informationsgewinnung. Organisiert hatte die Reise noch Georg Bromme als Sparkassen-Chef. Seine Reisegruppe sollte sich vor Ort ein Bild davon verschaffen, wie es Serfaus und Interlaken gelungen ist, ein brachliegendes Skigebiet auf Vordermann zu bringen.

Daraus sollten dann Erkenntnisse für die Entwicklung des Voralpen-Skigebiets Sudelfeld abgeleitet werden, so Ex-Landrat Jakob Kreidl jüngst vor dem Münchner Landgericht. Eingeladen hatte man auch einige Referenten. Höhepunkt der Reise für insgesamt 85.200 Euro war ein „James-Bond-Ausflug“ auf das 3.000 Meter hohe Schilthorn. Laut Bromme habe man dabei „unentbehrliche Erkenntnisse für die Skigebiete im eigenen Landkreis gewonnen“. Und Kreidl dozierte, dass Interlaken mit seinem „Netz aus Seil- und Zahnradbahnen“ ein praktikables Beispiel darstelle.

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Fragen, die nicht gestellt wurden

Doch taugt der Vergleich? Mussten überhaupt noch Informationen für das Sudelfeld und den Spitzingbahnen gesammelt werden, vor allem von allen 16 Bürgermeistern, von denen die meisten keine Skilifte in ihrem Gemeindegebiet haben? Welche Erkenntnisse waren überhaupt noch erforderlich? Fragen, die das Gericht bislang nicht stellte. Hinterfragt wurden auch nicht die Aussagen der Angeklagten und Zeugen, ob die Erkenntnisse in die Projekte eingeflossen seien. Denn ein Blick in die Archive hätte genügt um festzustellen, dass zumindest am Sudelfeld das Konzept für neue Lifte schon längst bestand: Bereits zweieinhalb Jahre vor der Bürgermeisterfahrt.

Schon Ende November 2009 informierte die „Informationsplattform für Seilbahner“ darüber, wo der Speichersee zur Beschneiung angelegt und welche Lifte vorrangig ausgebaut werden sollen. „Der Startschuss erfolgt am Waldkopf, wo eine kuppelbare 6er Sesselbahn gebaut wird“, hieß es bereits 2009 von der Liftbetreibergesellschaft in einem Pressegespräch im Landtag, an dem auch Jakob Kreidl als damaliger Landrat teilnahm. Der Lift ist seit 2014 in Betrieb.

In einem zweiten Schritt sollte ein Achtersessellift von Grafenherberg auf das Obere Sudelfeld erfolgen. Die Jungfernfahrt mit Prominenz war vor einem Jahr. „Auf Sicht würden sechs bis sieben leistungsfähige Sesselbahnen ausreichen, das Gebiet attraktiv zu organisieren“, so lautete das Urteil von Egid Stadler, Geschäftsführer der Liftbetriebe. vor neun Jahren. Schon damals war die Kreissparkasse mit Bromme in den Prozess mit eingebunden. „Als Grundlage der Maßnahmen aber wird die finanzielle Förderung durch den Freistaat gesehen“, der damals ein neues Seilbahnförderungsprogramm aufgelegt hatte. Und Stadler schloss; „Insgesamt ist von einem geplanten Investitionsvolumen von 45 Millionen Euro in mehreren Schritten auszugehen“.

„Viele Anregungen“ fürs Sudelfeld und Spitzing

Demnach war also bereits 2009 in groben Zügen bekannt, wie das Sudelfeld künftig den Ansprüchen des Wintertourismus gerecht werden soll. Dennoch hätten die Bürgermeister bei ihrem Ausflug 2012 „enorm viele Anregungen“ aus Serfaus und Interlaken mitgenommen, berichtete Ex-Vize-Landrat Arnfried Färber zuletzt im Zeugenstand. Ein heimischer Tourismusfachmann aber sei nicht dabei gewesen. Den hätte es wohl auch nicht gebraucht, genauso wenig wie die immensen Ausgaben dieser „Informationsfahrt“. Denn die Marschroute war längst klar.

Die neue Sudelfeldkopf-8er-Sesselbahn, die in der vergangenen Saison in Betrieb ging / Foto: Sudelfeldbahn

Kritisch zu sehen sind auch die Aussagen in der „Sponsoring-Affäre“ zur „Alpenbahn Spitzingsee AG“, an der die Kreissparkasse mit 25 Prozent beteiligt ist. Bromme habe sich nach eigenen Aussagen als Beirat „erfolgreich“ um die Spitzing- und Suttenbergbahnen gekümmert. Offenbar aber ohne nachhaltigen Erfolg. Die Taubensteinbahn mit zwei Sesselliften fährt seit 2017 nicht mehr im Winter, und die Suttenbahn ereilte in diesem Jahr ein ähnliches Schicksal. Sie stellte ihren Betrieb am 9. April ein und fuhr erst wieder mit dem Beginn der Sommerferien am 28. Juli, dann aber auch nur bis 9. September. Geschäftsführer Peter Lorenz nennt dafür „betriebswirtschaftliche Gründe“.

Möglicherweise hat ihn bis heute nicht erreicht, welche „unentbehrlichen Erkenntnisse“ Brommes Bürgermeister-Reisegruppe in den Gletscherregionen rund um Interlaken gewinnen konnte

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