Dramatischer Schülerrückgang in Rottach

Heute geht’s in ganz Bayern wieder zurück in die Schule. Ulrich Throner, Rektor der Rottacher Grund- und Mittelschule, spricht hier mit der TS über schwierige und schöne Momente sowie einem gigantischen Schülerschwund in seiner Schule. Außerdem: Wieso haben Mittelschulen so einen schlechten Ruf?

Rektor Ulrich Throner im Interview mit der TS. / Quelle: Lenka Li Lilling

Heute geht es für Schüler in ganz Bayern wieder zurück in die Schule – sogar in Präsenz. Die TS hat deshalb mit dem Rektor der Grund- und Mittelschule Rottach-Egern, Ulrich Throner, einige Worte gewechselt, vergangene Hürden Revue passieren lassen und einen vorsichtigen Blick in die Zukunft gewagt. Welche waren die größten Herausforderungen im letzten Schuljahr und was motiviert die Lehrer fürs kommende Jahr?

Gestatten Sie uns erst einen Blick zurück: Wie hat aus Ihrer Sicht die Mittelschule Rottach-Egern die Auswirkungen der Pandemie herausgefordert? Was war für Sie persönlich der schwierigste und was der schönste Moment in den zurückliegenden Monaten?

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Ulrich Throner: Nun, ich glaube, die Auswirkungen waren für alle Schulen ähnlich. Alle sind mit einer Situation konfrontiert worden, die es bislang noch nicht gab. Wir mussten in kürzester Zeit, ohne darauf vorbereitet zu sein, eine funktionierende Schule ohne anwesende Schülerinnen und Schüler aus dem Boden stampfen.

Dies war in technischer und personeller Hinsicht eine große Herausforderung. Die Schule hat dies mit der Unterstützung des Sachaufwandsträgers, den Schulverband Tegernseer Tal, der die Mittelschule und auch die Grundschule Rottach-Egern schon vor Corona-Zeiten digital hervorragend ausstattete, gut hinbekommen. Hinzu kommt das große Engagement der Lehrkräfte, die sich für Ihre Schülerinnen und Schüler einsetzten und alles dafür taten, diese gut durch diese schwierige Zeit zu bekommen.

Für mich persönlich war die ständige Unsicherheit, in der man sich bewegte, mit am schwierigsten. Ständig änderten sich die Verhältnisse und damit auch die Vorgaben durch das Kultusministerium. Innerhalb kürzester Zeit umplanen zu müssen war an der Tagesordnung.

Stets hatte man ein mulmiges Gefühl, wenn man morgens in die Schule kam, ob eine positive Testung vorliegen würde, mit all ihren Auswirkungen, wie Quarantäne oder sogar Schulschließung. Das schönste Erlebnis war zu sehen, mit welcher Freude dies Schüler wieder in die Schule kamen, als sie dies endlich wieder durften.

Sie haben auch den Zwiespalt aus der Gesellschaft zu Impfung und Schutz-Maßnahmen gespürt. Nicht alle Eltern wollten, dass ihre Kinder Masken tragen, nicht alle wollten sich impfen lassen. Wie sind Sie damit umgegangen?

Throner: Wir haben hier die Vorgaben des Kultus- und Gesundheitsministeriums strikt umgesetzt. Für uns war es wichtig, die große Mehrheit zu schützen.

Wie hat sich aus Ihrer Sicht die Pandemie auf den Bildungsstand der Schülerschaft einerseits, als auch andererseits auf deren psychische Konstitution ausgewirkt?

Throner: Allen Schülerinnen und Schülern hat der Präsenzunterricht extrem gefehlt. Der beste digitale Unterricht kann den persönlichen Bezug nicht ersetzen. Lernen gelingt am besten durch persönliche Interaktion. Die Auswirkungen waren jedoch unterschiedlich: Schülerinnen und Schüler, die durch das Elternhaus beim digitalen Lernen unterstützt wurden, haben die Zeit relativ gut überstanden und keine oder nur sehr kleine Wissenslücken aufgebaut.

Anders sieht es bei denjenigen aus, die diese Unterstützung nicht hatten. Da ist es schon einmal passiert, dass diese Schüler abtauchten und nicht mehr erreichbar waren. Das hat der Lehrkraft dann viel Zeit und Kraft gekostet, hier gegenzusteuern. Hinzu kommt, dass natürlich der Kontakt der Schülerinnen und Schüler untereinander fehlte. Trotz allem sind wir guten Mutes, dass die entstandenen Lücken wieder aufgeholt werden können.

Nun startet ein neues Schuljahr. Drei Mal in der Woche wird getestet, noch immer herrscht eine Maskenpflicht. Wie gehen die Schüler mit der Tragepflicht um? Was motiviert Sie als Pädagoge in den nächsten Wochen? Gibt es auch bei Ihnen und Ihrem Kollegium eine Art Pandemie-Müdigkeit?

Throner: Die Schülerinnen und Schüler gehen sehr verantwortungsbewusst mit der Maskenpflicht um. Natürlich muss der eine oder andere mal ermahnt werden, seine Maske richtig aufzusetzen, dies kann man jedoch vernachlässigen. Wenn es zu Problemen kam, wurden diese von den Eltern hineingetragen.

Die größte Motivation für uns Lehrer sind unsere Schülerinnen und Schüler. Man hat diesen Beruf ergriffen, um für sie da zu sein und um ihnen zu helfen. Natürlich wäre es uns allen am liebsten, wenn mit all den Beschränkungen endlich Schluss wäre. Die Pandemie ist jedoch nach wie vor Realität und dieser müssen wir uns zum Wohle unserer Kinder stellen und das Beste daraus machen.

Besonders in der Pandemie hat sich gezeigt, dass Handwerksberufe deutlich weniger von den Auswirkungen der Pandemie betroffen waren und deren Arbeiten andererseits natürlich extrem gesucht wurden. Das müsste doch dazu führen, die Mittelschule als pädagogisches Vorfeld für eben diese Berufe viel stärker zu fördern. Erkennen Sie solche Bestrebungen? Was würden Sie sich hierzu sowohl von uns als Gesellschaft als auch von der Politik wünschen?

Throner: Hier sprechen Sie ein Problem an, das seit vielen Jahren existiert und nur sehr zögerlich behoben werden kann. Seit Jahrzehnten wird unser Schulsystem hierarchisch gesehen: Ganz oben steht das Gymnasium, dann kommt die Realschule und ganz unten die Mittelschule. Und dies bedeutet auch, dass derjenige, der auf die Mittelschule geht, in der Gesellschaft als “Looser” gesehen wird. Von dieser Betrachtungsweise müssen wir unbedingt wegkommen.

Alle Schularten sind für unsere Gesellschaft gleich wichtig und müssen somit auch als gleichwertig betrachtet werden. Und mit allen Bildungsrichtungen kann man hervorragende, gut bezahlte Berufe erreichen.

Als Beispiel möchte ich hier nur den Handwerksmeister mit eigenem Betrieb nennen, der den einen oder anderen Akademiker finanziell sicherlich in die Tasche steckt.

Die oben beschriebene hierarchische Betrachtungsweise ist jedoch, da lange Zeit so vermittelt, emotional in den Köpfen der Menschen verankert. Hier müssen wir gegensteuern und hier brauchen wir die Unterstützung der Politik. Denn eines ist klar: Am meisten fehlt der Wirtschaft der gut ausgebildete Facharbeiter.

Wie hat sich die Pandemie auf die Schülerzahlen in Ihrer Schule ausgewirkt?

Throner: Wenn ich mir unsere 5. Klassen anschaue, so kann ich nur sagen: dramatisch. Im Vergleich zu Zeiten vor Corona haben sich die Zahlen halbiert. Dies liegt zum einen an den seit Beginn der Corona-Krise sehr wohlwollend ausgelegten Übertrittsbedingungen auf Realschule und Gymnasium, zum anderen aber auch daran, dass wir aufgrund der Pandemiebeschränkungen nicht mehr zeigen konnten, welche Chancen die Mittelschule und die damit verbundene berufliche Bildung bietet.

Dahinter steht natürlich die oben beschriebene hierarchische Betrachtungsweise unseres Schulsystems. So fürchte ich, dass nicht immer die richtige Entscheidung hinsichtlich der Schullaufbahn getroffen wurde.

Wie zuversichtlich sind Sie, dass alle Arbeiten an der Schule zum Schulbeginn fertig sein werden?

Throner: Sicherlich wird noch nicht alles im Detail fertig sein. Wir werden aber sicherlich einen geordneten Schulbetrieb aufnehmen können.

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