Ein Chalet mitten im Wald oberhalb von Bad Wiessee. Behörden, die nicht viel wissen. Und Medien, die eine Geschichte riechen. Ein klarer Verlierer 2022.
Wenn du Geschichten finden willst, geh’ an die frische Luft. So riet es mir mein Volontärsvater. Er hatte recht. So sitze ich gern auf meinem Radl und fahre um den See, schaue, was mir auffällt, spreche mit Menschen. Und – rubbeldiekatz – kommen Themen zuhauf. So war es im Herbst 2021.
Ich radle zur Holzeralm (jaja, dem Alter angemessen mit dem E-Bike). Hoch oben werde ich von einem Geländewagen überholt. Klar, ist eine breite Forststraße, vermutlich ein Waldbesitzer. Denke ich. Wenig später sehe ich den Wagen vor einer schmucken Jagdhütte stehen. Ich kannte den Platz. Für meinen ersten Quercher-Krimi diente er einst als Kulisse. Ich hatte sogar ein Foto damals von der einst kleinen, schon ziemlich eingefallenen Hütte geschossen. Jetzt ist alles anders. Kupferdach, breite Terrasse, ein hot tub, alles vom Feinsten. Mein Gefühl: Das ist ein Chalet, kein kleiner Aufenthaltsort für Jäger, die über Nacht bleiben müssen.
Das Chalet wird zum Medienstar
Zurück im Tal, kontaktiere ich den Wiesseer Bürgermeister, stelle Fragen beim Landratsamt. Tenor: Nö, alles rechtens. Im Frühjahr fahre ich erneut hinauf. Das Chalet sieht für mich noch größer und schmucker aus. Wieder Behördenanfragen. Wir schreiben darüber, andere Medien springen auf. Und plötzlich kommt Bewegung ins Spiel. So ganz rechtens war es nicht, sagt das Landratsamt, kommt später zum Schluss, dass alles weg muss.
Ein drittes Mal fahre ich hoch, treffe auf den Besitzer, stelle mich höflich vor und biete ein Gespräch an. Der Besitzer reagiert, nun ja, recht emotional. Später kommt sein Anwalt hinzu. Ein vernünftiges Gespräch scheint nicht mehr möglich. Es wird zu einem Gerichtstermin zwischen Landratsamt und Chaletbesitzer kommen.
Mittlerweile soll die Sensibilität Schwarzbauten gegenüber im Landratsamt gestiegen sein. Der Kreisbaumeister forderte nun mehr Kontrollen, will dazu auch Personal einstellen. Viel Absicht erst einmal. Der Run auf Berghütten hatte in der Pandemie Fahrt aufgenommen. Fernreisen fielen aus, eine Almhütte war für Betuchte aus der Stadt eine feine Alternative. Befeuert wurde es von örtlichen Maklern. Sie warben mit Wurfsendungen um Besitzer der Hütten im Tal. Tenor: “Es wird nicht verhandelt, sondern nur genickt”. Die eigene Heimat als Spekulationsraum. Aber der wütende Einheimische sollte nicht vergessen: Ohne Angebot, keine Käufer.
Schwarzbauler sind Verlierer
Für mich sind diese Schwarzbauler schlicht Verlierer. Sie beugen das Recht, bauen illegal, gern auch im Außenbereich, was Verwaltungssprech für “die Natur” ist. Ihre Denkweise ist so einfach wie althergebracht: Sie können, so glauben sie, es sich leisten. Sie haben das nötige Vermögen, um staatliche Stellen und Kritiker durch alle Instanzen gerichtlich zu verfolgen. Sie schlagen Schneisen in Wälder, nur um eine bessere Aussicht auf das Tal zu haben. Sie erweitern munter ihre Bauten, lassen im Winter ihre Wege weiträumig räumen. Winterruhe für Tiere? Egal. Wird schon keiner merken. Warum? Weil sie es können. Weil sie den Draht zur örtlichen Politik-Kaste hegen und pflegen. Weil sie den örtlichen Handwerker (idealerweise auch Gemeinderat) gut, bis sehr gut bezahlen. Weil viel Geld im Tal immer gut ankommt. Wer sitzt nicht gern bei Reichens (gern Brotzeit) am Katzentisch dabei?
Ich habe etwas, was sich der Pöbel nie leisten kann. Es ist eine Außendarstellung auf Robert Geissen-Niveau. Ein naiver Trost: Vielleicht ist es ein langsam aussterbendes Verhalten der älteren Herrschaften, die sich im Herbst ihres Lebens eben gern mit einem Glas Rose’ auf die Bank vor ihrem Chalet setzen, dem Sonnenuntergang entgegensehen wollen.
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