Als sich der Grünen-Politiker Thomas Tomaschek aus Rottach im Jahr 2018 zur Landtagswahl stellte, war die Welt noch eine andere. In Berlin regierte die Dauerkanzlerin Angela Merkel, einen Mundschutz im öffentlichen Leben kannte man nur aus TV-Reportagen aus China, die Russen waren da noch unsere Freunde und Odessa schickte sich an, eine neue Partydestination für die Hipster zu werden. Und auch im Tegernseer Tal feierte man im Sommer ganz unbeschwert Wald- und Seefeste, Tagesbesucher wurden noch mit einem freundlichen Lächeln begrüßt. Selbst Oligarchen waren gern gesehene Gäste am See.
Alles ist anders als 2018
Lang ist es her? Eigentlich nicht, nur eine Wahlperiode – gerade mal fünf Jahre. Als der studierte Musiker und Kulturmanager Tomaschek 2018 als Direktkandidat bei den Landtagswahlen antrat, waren die Grünen im Bund noch in der Opposition.
Heute regieren sie in der Ampelkoalition in Berlin. Mitregieren will der Rottacher Grüne auch – nur eben in München. Persönlich ist er fest davon überzeugt, dass seine Partei 2023 die zweitstärkste Kraft im bayerischen Landtag wird. Tomaschek räumt heute im Gespräch freimütig ein, 2018 bei seinem ersten Versuch doch etwas unbedarft an die ganze Wahl herangegangen zu sein:
Politiker zu sein, bedeutet weit mehr als Ideale und Überzeugungen zu haben und die richtigen Lösungen für die Probleme unserer Zeit anbieten zu können. Das habe ich bei der letzten Wahl schmerzhaft erfahren.
Um wirklich auf der landespolitischen Bühne bestehen zu können, brauche es, so Tomaschek heute, vor allem auch ein gutes Netzwerk, um die Menschen mit den eigenen Botschaften wirklich erreichen zu können. Zudem sei Erfahrung im politischen Alltag unverzichtbar. Besonders, so macht der zweifache Familienvater deutlich, in einem Stimmkreis wie dem 121ziger. Da im Landkreis Miesbach sowie den Gemeinden Bad Feilnbach und Feldkirchen-Westerham des Landkreises Rosenheim nur vergleichsweise wenige Stimmen vergeben werden, was sich negativ in Bezug auf den Listenplatz der eigenen Partei auswirke.
Beim zweiten Anlauf soll es klappen
Der studierte Musiker, der seit 2014 im Rat seiner Heimatgemeinde in Rottach-Egern und für die Grünen im Kreistag sitzt, hat sich im letzten Monat entschieden, erneut zu kandidieren. Die erste Hürde wird dabei die parteiinterne Nominierung am 21. September 2022 als Grüner-Direktkandidat für den Landkreis. Bisher hat sich noch kein Gegenkandidat aus der Deckung getraut, der ihm das Mandat streitig machen will. Vielleicht zu verstehen. Immerhin muss sich der Nominierte gegen keine geringere als Ilse Aigner (CSU) als direkte Kontrahentin durchsetzen. Keine leichte Aufgabe, wie auch Tomaschek schmunzelnd zugibt:
In unserem Wahlkreis das Direktmandat zu erobern, ist eine echte Herausforderung. Ilse Aigner ist überaus beliebt und omnipräsent vor Ort und in den Medien.
Doch Tomaschek wäre nicht Tomaschek, wenn er nicht an seine Chance bei der parteiinternen Nominierung sowie bei der Landtagswahl 2023 glauben würde. Vielleicht wird es ja ein besserer Listenplatz bei den Bayern-Grünen als 2018. Da reichte es nur für die 25 und das reichte nicht für München.
Grün verwurzelt im Tal und der Tradition
Der Lokalpolitiker und Musikschullehrer ist tief verwurzelt im Tegernseer Tal. Kein Zugereister, sondern eigentlich ein typischer Rottacher, nur eben ein Grüner. Tomaschek lebt mit seinen beiden Jungs und seiner Frau in einem Einfamilienhaus. Vor der Tür wird der Familienwagen mit dem Strom vom eigenen Dach geladen. Daneben stapeln sich die Pellets für die Heizungsanlage. Fast ökologisch perfekt ausgestattet sieht der Grüne bei den Holz-Briketts noch Verbesserungsbedarf, wie er offen zugibt: “Die blöden Dinger gibt es nur in Plastik verschweißt. Ich arbeite aber an einer Lösung. Kann ja nicht sein.”
Mit seinen Aktionen schafft sich der Grüne im beschaulichen Touristenort Rottach und rund um den See nicht nur Freunde. So wie die von ihm organisierte Demo gegen den “heimischen Oligarchen” Usmanov direkt bundesweit von den Medien aufgenommen wurde. “Da habe ich schon einiges zu hören bekommen von einigen Kollegen im Rat”, berichtet Tomaschek. Aber das stört den Lokalpolitiker wenig. Auch als Biene verkleidet vor dem Volksentscheid durch seinen Heimatort zu ziehen, bereitet dem Politiker keine Probleme, wenn nur die Bienen überleben. Und wenn es sein muss, kann der Pazifist durchaus rabiat werden. So bei seinem selbstverfassten Steckbrief gegen den „Baumknicker“ an der Weissach.
Einen typischen Arbeitstag beschreibt Tomaschek so: Am Vormittag Lokalpolitik und Parteiarbeit, danach gehe er nachmittags an der Musikschule seiner bezahlten Arbeit nach und der Abend sei oft mit Terminen belegt. Dazu ziehe er ab und an mal als Heimatführer durchs Tal, habe Auftritte zum Beispiel mit seinem Selmer Saxharmonic Ensemble. Wenn dann noch Zeit bleibt, geht Tomaschek, der passionierte Jäger, auch gern mal auf die Pirsch.
Das Ehrenamt zum Beruf machen?
Auch Daheim bei den Tomascheks wird viel Politik gelebt. Seine Frau Sabine engagiert sich im Helferkreis der Gemeinde Rottach für die Belange der Flüchtlingsfamilien. In der Einliegerwohnung der Familie wohnt seit Kriegsbeginn eine ukrainische Mutter mit ihrem Kind. Und am Frühstückstisch ist oft die Sitzung des vorherigen Abends Gesprächsthema. “Bei uns ist immer was los”. Da stehe schon mal unvermittelt ein Journalistenteam auf dem Familienrasen, wie der Musiker grinsend erzählt:
Ein Team vom Spiegel war bei uns im Garten und wollte ein Interview. Es ging um Putins Tochter und ihren Münchner Freund.
Also warum will der bestens beschäftigte Lokalpolitiker jetzt noch einmal den steinigen Weg ins Maximilianeum beschreiten? Ist es das Geld? Die Diäten für die Abgeordneten sind nicht so schlecht und immerhin deutlich höher als das Gehalt eines Musikschullehrers. Ganz abstreiten will Tomascheck diese Motivation, wie er zugibt, nicht: “Im Moment arbeite ich fast jede freie Minute für die Aufgaben, die ich übernommen habe. Jedoch ist alles rein ehrenamtlich.”
Schon mal die Rede vorm Plenum geübt
In erster Linie sei es aber sein Ziel, etwas nachhaltig zu verändern in München für das Tal. Tomaschek erklärt: “Wir stoßen hier im lokalen Bereich immer wieder an die Grenzen des Umsetzbaren.” Um wirklich etwas verändern zu können, müsse man die Landespolitik aktiv mitgestalten. “Dazu bin ich bereit.” Besonders gehe es ihm und seiner Partei um die Veränderung der Rahmenbedingungen in den Bereichen Umwelt- und Klimaschutz, Verkehr, Bauen und Wohnen. Diese seien veraltet und passen einfach nicht mehr zu den heutigen Herausforderungen.
Nach unserem Besuch bewegt sich Familie Tomaschek gesammelt in Richtung Bad Wiessee, wo das Info-Mobil des Deutschen Bundestages für einige Tage Station machte. Dort angekommen schnuppert der Kandidat in Spe schon mal Parlamentsluft bei seiner virtuellen Rede vor dem Plenum (hier zu sehen auf der Internetseite des Kandidaten aus Rottach). Tomascheks Ältester scheint sich jedoch aktuell noch nicht in die Fußstapfen seines Politiker Vaters begeben zu wollen. Auf unsere Frage, was er einmal werden wolle, kommt spontan die Antwort: Jäger. Also doch eine typische Talfamilie.
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