Gib mich die Wuast*

Die einen glauben sich in ihrer Impfvergweigerung im Märtyrermodus, die anderen finden Wurst und Impfen unseriös. Wichtig sein und wichtig tun – eine Erklärung von Martin Calsow.

Uli spendet Würschtel zur Impfung – von Löwis findet’s doof.

Ein Kommentar von Martin Calsow:

Der Autor dieses Kommentars hatte in seiner Jugend die Idee, seinen Widerstand gegen die WAA in Wackersdorf (Nachgeborene, bitte googeln!) in Form einer Baumbesetzung zu äußern. Mit einem Freund fuhr ich in einem R4 (Kasten! 34 PS) in die Oberpfalz, kletterte auf eine Fichte und wartete. Schönheitsfehler: Es war der falsche Wald und der falsche Tag, demonstriert wurde woanders. Eine freundliche Polizeistreife half uns vom Baum. Daheim kommentierte mein Vater die Aktion mit einem brummeligen “Du nimmst dich nur zu wichtig.”

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Das bringt mich zu den Impfskeptikern/Gegnern und Internet-Experten dieser Zeit. Mit maßloser Wut und wirren Thesen wird der Systemwiderstand erklärt, allen Ernstes die eigene sporadische Internet-Recherche mit weltweitem Expertenwissen verglichen und eine hundertprozentige Sicherheit verlangt. Die wiederum wirft man aber sonst gern über Bord, wenn es um Risikosport, Autofahren bei 180 km/h oder Verzehr von zweifelhaften Lebensmitteln (Zitronengras, Wurst von Tönnies oder tödlich tristes Tofu) aus dem Discounter geht. Man kann das irrational nennen, vielleicht auch gefährlich. Aber vor allem ist es eines: Wichtigtuerei.

Lieber Schampus?

Das ist dann auch eine weitere dufte Überleitung, diesmal zur Wiesseer Wurst-Affäre. Hier gibt’s für eine Impfung eine Bratwurst – als Belohnung, eine Idee der umtriebigen JU Tegernsee. Das Fleisch spendiert Wiessees Promi-Präsident Uli Hoeneß. Parteiübergreifende Unterstützung gab’s vom Sozi-Bürgermeister Robert Kühn. Da ist eigentlich kein Pochen der Halsschlagader nötig. Aber nun ist eben Wahlkampf, und der landadelige Landrat Olli von Löwis nörgelt heute im Heimatblatt dagegen an.

Impfen sei eine ernste Sache, sagt er missmutig. Da brauche es keine Anreize. Während seine Kollegen in anderen Teilen des Freistaats die Sache pragmatisch sehen und mit anpacken, kommt der Miesbacher Verwaltungschef etwas etepetete und für manchen wichtigtuerisch daher. Vielleicht lag’s an der Auswahl? Gefiele dero von Löwis vielleicht eher Saibling-Canapés und Schampus vom Fisch-Preysing? Ich jedenfall kaufe mir da eine Wurst, spende für das dortige BRK und sitze nicht schmollend auf dem falschen Baum.

*: Altöttinger Dialekt für “Man reiche mir die Fleischwaren”

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