Gmund macht Druck: Landschaftsschutzgebiete? Nein, danke!

In der Gemeinderatssitzung am Dienstag in Gmund spricht sich der Gemeinderat fast geschlossen gegen die Landschaftsschutzgebiete aus. Nur die Grünen und die SPD halten dagegen.

Das Rathaus der Gemeinde Gmund debattiert hitzig den Sinn der Landschaftschutzverordnung. / Bild: Gemeinde Gmund.

Das Landratsamt Miesbach ist seit letztem Jahr damit beschäftigt, die Landschaftsschutzgebiete (LSG) auf soliden Boden zu stellen. Dazu hat es die Gemeinden um den Tegernsee eingeladen, ihre Sicht auf die LSG zu schildern und eventuell Anpassungen vorzunehmen. Quasi eine Art vertrauensbildende Maßnahme, die übrigens nicht nötig ist; das Landratsamt kann die Gemeinden auch vor vollendete Tatsachen stellen und ihnen eine neue Verordnung auf den Tisch knallen.

Während die anderen Gemeinden ihre Hausaufgaben gemacht haben, hat sich Gmund Zeit gelassen. Dass die Diskussion pünktlich nach der Wiederwahl Alfons Besel auf der Tagesordnung landet, ist kein Zufall. Denn die Gemeinde Gmund will keine LSG-Verordnung. Der gestrige Abend ist ein Paradebeispiel für eine Gemeinde, die ihre Rolle im demokratischen Prozess falsch einschätzt, auf den eigentlichen Handlungsspielraum verzichtet und nebenbei die demokratiefeindliche Mär von “Die-da-oben” versus “Wir-da-unten” bedient.

Herzblut mit Geschmack

Der wiedergewählte Bürgermeister Alfons Besel (FWG) kündigt die Debatte um die Neufestlegung der LSG als ein Thema an, “in dem in jeglicher Hinsicht viel Herzblut steckt” und wünscht sich eine sachliche Diskussion. Dann schickt er noch mahnende Worte mit, das Thema “stückweit aus der Perspektive des Anderen zu betrachten”.

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Martina Ettstaller (CSU) sieht die LSG vor allem als Einschränkung für die Gemeinde. Sie spricht gar von einer “Enteignung” und fürchtet, dass sich die jungen Menschen in 20 Jahren rächen werden und die Entscheidung von Gmund infrage stellen. Florian Floßmann (FWG) sieht das ähnlich und beklagt “einen übergeordneten Bürokratismus” und dass die Landwirtschaft mit “noch mehr Auflagen belastet” werde. Christine Zierer (FWG) ist der Meinung, “dass wir genügend Gesetze haben und nicht noch eins brauchen”.

Ein Update für eine aus der Zeit gefallene Verordnung?

Dabei geht es gar nicht um ein Gesetz, sondern um eine Verordnung, die der Kreistag übrigens bereits im Dezember 2022 beschlossen hat. Der Kreistag hat damals alle sechs Landschaftsschutzgebiete für die nächsten zwei Jahre “sichergestellt”. Die Zeit läuft also. Es braucht ein offizielles Verfahren, das die Schutzgebiete langfristig sichert. Das absolute Bauverbot – wie es in der Verordnung aus den 50er Jahren formuliert wurde – soll aus dem Regelwerk raus. Das Landratsamt sieht darin eine “historisch einmalige Chance (…), eine Landschaftsschutzgebietsverordnung zu schaffen, die den Herausforderungen der aktuellen Zeit gerecht wird.”

In Gmund krallen sie sich am Dienstagabend an gängigen Vorurteilen fest: “Ob die Gemeinde dann einen Gärtner beauftragen müsse?” fragt sich Florian Floßmann (FWG). Tobias Bauer (CSU) treibt die Angst vor den Institutionen und schimpft, dass die momentane Verordnung nur “Willkür” sei und “wenn wir zustimmen, wissen wir gar nicht, wo es lang geht”. Dabei erlaubt die LSG explizit “die ordnungsgemäße landwirtschaftliche, forstwirtschaftliche und fischereiwirtschaftliche Bodennutzung”, ebenso “Weidepflegemaßnahmen auf Heimweiden und Almen.” Zudem soll der Schutz der kleinbäuerlichen Landwirtschaft und insbesondere der Almwirtschaft maßgeblich für die neue Verordnung sein.

Statt sich jetzt konkrete Beispiele aus Dorf und Umgebung zu nehmen und diese vor dem Hintergrund des LSG zu diskutieren, hagelt es Aufreger-Themen: Anbindehaltung, Emissionsschutzgesetz, Klimawandel … allen gemein? Sie haben nichts mit Landschaftsschutz zu tun.

LSG: Werkzeug oder Hindernis?

Die Grünen merken an, “die LSG wäre ein Werkzeug, den Druck rauszunehmen” und zwar aus dem “wahnsinnigen Baudruck”, der im Tal herrsche, so Laura Wagner. Auch ihr Ratskollege, Michael Huber, appelliert, “das ist eine kleine Stellschraube, die ist wirklich kloa,” und ergänzt “es schadet nicht, wenn eine unabhängige Institution drüberschaut.” Es murmelt an dieser Stelle etwas im Publikum und im Rat. Auch die SPD sieht Vorteile im LSG, etwa Barbara von Miller (SPD), “ich verstehe die Aversion nicht, wenn wir die Landschaft schützen wollen” und “ich glaube, dass die Landschaftsschutzverordnung jeden Landwirt mehr schützt als einschränkt.”

Die Landschaftsschutzgebietsverordnung kann man zum Beispiel nutzen, um Geldstrafen zu verhängen, wenn Touristen ausgewiesene Mountainbike-Trails verlassen, wildparken oder wildcampen, so ein weiteres Argument der Grünen. Und sie soll das schützen, was das Tegernseer Tal zum Tourismus-Magneten macht: die Uferzonen am Tegernsee, Streuwiesen und Hage, das Grünland und die Bergwälder. Der Urvater der LSG, Anton Bauer, hat dem Baumboom der 50er Jahre über Nacht das LSG in den Weg gestellt. Er war vor allem daran interessiert, den Tourismus im Tal langfristig zu sichern.

Korbinian Kohler (CSU) fühlt sich in seiner ersten Wortmeldung bemüßigt, eine Metaebene in den Streit zu bringen. “Diese Diskussion ist etwas ideologisch. Die Befürworter sind die Guten und die anderen die Kapitalisten. Ich glaube diesen Zahn muss ich ziehen”. Er zieht dann aber keinen Zahn, sondern widerspricht Michael Huber, dass die LSG “keine kleine Stellschraube” seien, sondern eine “weitere Administrationsebene”. Dafür erntet er die Zustimmung der Demokratieskeptiker im Saal. Die Argumente der Opposition, dass man mit dem LSG auch den Tourismus einbremsen könne, dreht er zu “wir können die Touristen besser bestrafen.”

In Schliersee übt man das schonmal: Dort will man offizielle Mountainbike-Trails ausweisen. Wer dennoch lieber im Anarcho-Style durch Wald und Wiese scheppert, kann mit einem Bußgeld rechnen. “Im Naturschutzgebiet kostet das dann vielleicht 30 Euro. Wenn wir darüber das LSG spannen, kann man auch 100 Euro ansetzen,” erklärt Gerhard Waas, der für die Arbeitsgruppe LSG im Kreistag sitzt.

Dabei sind die LSG softer als der klassische Naturschutz. Das Naturschutzgebiet schützt unberührte Natur. Die LSG sind biegsam, schützt Flächen; aber diese nicht in alle Ewigkeit, was zahlreiche Herausnahmen von Flurstücken in den letzten Jahren zeigen, etwa für das Gewerbegebiet der Gemeinde Kreuth.

Es scheppert in der Demokratie

Es drängt sich der Eindruck auf, dass es an diesem Abend gar nicht so sehr um die LSG geht, sondern darum, dagegen zu sein. Vielleicht ein Grund, der die Gemeinderätin Andrea Schack (Grüne) dazu veranlasst, aus dem Grundgesetz und der Bayerischen Verfassung zu zitieren, etwa, dass landwirtschaftlicher Boden nicht der Kapitalanlage dienen soll (Quelle: Art 163 / Abs.4) und das Eigentum auch verpflichte. Und Laura Wagner erklärt: “Die anderen Gemeinden haben sich damit befasst und nicht einfach per se abgelehnt. Wenn wir die einstampfen, kommen sie trotzdem.” Sie wendet sich klar gegen die Aussage von Tobias Bauer mit “das ist ein Amt (Landratsamt, Anmerkung der Redaktion), die können nicht machen, was sie wollen” und dass sie eine Die-da-oben-sind-die-Deppen-Diskussion nicht teilen mag.

Statt, dass der Gmunder Rathaus-Chef die Chance nutzt und erläutert, dass der Kreistag die LSG modernisieren will und die Gemeinden frühzeitig einbeziehen will, entscheidet sich Alfons Besel für die antidemokratische Karte: Er verstehe die Sorgen des CSU-Kollegen durchaus und man wisse nicht, wie der Gesetzgeber weiter entscheide.

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