Ein Kommentar von Martin Calsow:
Die Eigentümer
Das Geld ist billig wie nie, und es gibt Erben, die nicht mehr im Tal leben wollen oder können. Mal sind es Einheimische, mal sind es die Kinder von Eltern, die hier ihrem Ruhestand frönten. Also kommt das Haus weg. Mal sind es Söhne und Töchter, die neben ihrer schon großzügigen Landhausvilla noch einen Flecken Land haben. Der wird bis zum letzten Meter bebaut, denn das ist die Rente, die man sich dank dem Fleiß der Altvorderen verdient hat.
Häufiger mal mit der Mutter hoch zum Freihaus oder zur Überfahrt, alte Geschichten angehört, am Samstag brav den Rasen gemäht. Leitmotto: Wohlverhalten bringt Grundstück. Das alles ist menschlich. Man kann es bespotten, aber wer verzichtet schon in den heutigen Zeiten auf solche Möglichkeiten? Das Ergebnis ist für alle Zeiten sichtbar: Zugebaut und verdichtet, selten bewohnt und viel zu teuer für die arbeitende Mittelschicht.
Die Gewinner
Und da wären wir bei denen, die sich auffällig zurückhalten, wenn es um das Thema geht. Denn das wird gern vergessen: Wer profitiert denn auch vom Bauwahn? Es sind Gemeinden, die mehr Steuern mit Bettenburgen und Zuzug der Reichen generieren können und stolz auf einen üppigen Haushalt verweisen können. Es sind Handwerker, die mit der Arbeit kaum nachkommen, die von Baustelle zu Baustelle eilen.
Es sind die Groß-Gastronomen, die vom Zuzug profitieren, weil es eben auch hip ist, ins Tal zu kommen. Es sind die Bauentwickler, die wie die Goldgräber von außerhalb kommen, weil es eben einen Unterschied macht, ob man eine Realschule in Wattenscheid baut oder Mehrfamilienklötze im Tal. Es sind die Makler, die jede Anfrage schon jetzt mit der eher von Reichenghettos gewohnten Arroganz-Attitüde beantworten.
Die Verlierer
Das Leben wird teurer im Tal. Mieten sind für Normalverdienende kaum noch zu stemmen. Das Pendeln zum Arbeitsplatz wird zur Qual, weil die Regierungspartei und ihre Gehilfen lieber Straßen als den Öffentlichen Nahverkehr ausbauen wollten. Auch die CSU verliert, denn sie hat ihren Heimatgedanken mit der Ideologie des Wachstums und des Verdichtens im Tal schon längst hinter viele andere Interessen gestellt. Das merken sich Wähler, die ihre Heimat bewahren möchten.
Und dann sind Gemeinden auch gern bei Großprojekten dabei. Sie verschulden ihre Kommune, glauben an Visionen, scheitern aber schon bei den einfachsten „Hausaufgaben“. Ergebnis: Da, wo es konkret in der Gegenwart um das Wohl unserer Kinder in einer Kita geht, wird vernachlässigt.
Die vermeintlichen Schützer
Bald finden Kommunalwahlen statt. Welche Partei wird aus der bisherigen Kirchturmpolitik ausbrechen, eine für das gesamte Tal wirksame Initiative gründen, die eine einheitliche Front gegen diesen Missbrauch an unserer Heimat stellt? Die Schutzgemeinschaft hat sich zuletzt mit kleinteiligen Diskussionen und überbordender Kritik an allem verzettelt. Es geht nicht darum, gegen alles zu sein. Es geht darum, eine realistische Vision für eine Heimat unserer Nachkommen gemeinsam zu erarbeiten. Können das alte Kräfte, auch im wahrsten Sinne des Wortes, schaffen? Menschen, die vielleicht nur noch eine Periode im Amt sein werden, dann den Ruhestand genießen. Oder braucht es unverbrauchte Räte und Initiatoren, die über alle Gemeinden hinweg agieren wollen?
Das Tal wird älter. Klar werden Kinder geboren, aber die gehen oftmals weg von hier. Und kommen nicht zurück, verkaufen später ihr Erbe (siehe oben). So wird aus einer Gemeinschaft ein gigantischer Service-Park für Touristen und Ruheständler. Das Personal dafür wird hinein gekarrt, denn so viel Personalwohnungen kann es gar nicht geben. Und der Natur wird alles abgerungen. Die unterirdische Verdichtung durch Garagenplätze wird nicht ohne Folgen für die Grundwasserströme und Überschwemmungsszenarien bleiben. Vielleicht rutscht mal der eine Hang, säuft die eine Ufervilla ab. Kein Problem, da hilft ja die Gemeinschaft mit der Feuerwehr – so sie denn noch Mitglieder haben wird.
Allerheiligen standen sie auf ihren Friedhöfen, im Sonntagsstaat, vor den Gräbern ihrer Vorfahren, die das Tal noch anders kannten. Es waren die Einheimischen, die restlichen. Die, die den einstigen Rhythmus des Tals noch mitgehen. Vielleicht ahnen einige, dass ihre Kinder das schon nicht mehr machen werden. Heimat ist nicht die Geranie oder die Lederhose des Bürgermeisters. Heimat ist der Boden, das Land, die Gemeinschaft.
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