Die CSU ist bei der Landtagswahl in Bayern abgestürzt und hat die absolute Mehrheit verloren. Mit 37,2 Prozent fuhr sie das schlechteste Ergebnis seit 1950 ein, während die Grünen mit 17,5 Prozent ihr bestes Ergebnis bei einer bayerischen Landtagswahl erzielten. Als zweitstärkste Kraft könnte sie nun mit der CSU eine Koalition bilden.
Aber auch die Freien Wähler hätten mit 11,6 Prozent die Möglichkeit dazu. Nur noch fünfstärkste Partei ist die SPD mit 9,7 Prozent. Neu im Landtag ist die AfD. Sie erreichte 10,2 Prozent. Und auch die FDP zieht mit knapp 5,1 Prozent in den Landtag ein, was die Linke mit 3,2 Prozent nicht schafft. Mit 72,4 Prozent gab es die höchste Wahlbeteiligung seit 1982.
Waakirchen zählte. Und zählte. Und zählte
In Waakirchen hatte man die Briefwahl und den damit verbundenen Aufwand gestern deutlich unterschätzt, gibt Bürgermeister Josef Hartl (FWG) heute auf Nachfrage „unverblümt“ zu. Erst nach Mitternacht hatte die Gemeinde das Wahlergebnis ermittelt. In Waakirchen hatten sich 1.600 Bürger für die Briefwahl entschieden. Hartl:
Die Wahlhelfer haben wirklich geackert und sich bemüht, alles schnell zu bewältigen.
Zwar habe man im Vorfeld noch darüber gesprochen, ob es nicht besser wäre, einen zweiten Briefwahlbezirk einzurichten, habe sich dann aber anders entschieden. Man war der Meinung, „es würde schon gehen.“
Diese Annahme habe sich dann gestern als falsch herausgestellt. Bei der nächsten Wahl werde man deshalb einen oder sogar zwei weitere Briefwahlbezirke mehr haben, so Hartl. Die Verluste der CSU und das Ergebnis der AfD seien „irgendwie zu erwarten gewesen“, sagt er. Dass aber die Grünen so zulegen, und die SPD so abfalle, habe er nicht gedacht. Hartl geht davon aus, dass es eine Koalition zwischen den Freien Wählern und der CSU geben wird.
Hagn: “Ich erwarte keine Schönrederei, aber auch kein Scherbengericht”
In Tegernsee lag die Wahlbeteiligung bei 75 Prozent. Dies seien zehn Prozent mehr gewesen als bei der letzten Wahl, sagt Bürgermeister Johannes Hagn auf Nachfrage. Dies zeige, dass „den Bürgerinnen und Bürgern die Wichtigkeit dieser Wahl bewusst war“. Als CSU-Ortsvorsitzender erwarte er nach den gestrigen Stimmenverlusten „keine Schönrederei“ von seiner Partei, aber auch „kein Scherbengericht“.
Ich erwarte, dass wir uns mit dem schlechten Abschneiden in der nötigen Ruhe auseinandersetzen und die nötigen Veränderungen herbeiführen, um das verlorengegangene Vertrauen unserer Wähler wieder zurückgewinnen.
Ihm sei schon im Vorfeld der Abstimmung an allen Wahlständen klar geworden, dass „bundespolitische Themen bei der Wahlentscheidung eine Rolle gespielt haben“. Der Politikstil der letzten Jahre sei sowohl von Mitgliedern als auch Nichtmitgliedern scharf kritisiert worden. Auch in Rottach-Egern war die Wahlbeteiligung hoch. Hier lag sie bei etwas mehr als 75 Prozent. Der dortige CSU-Vorsitzende und Rottachs Bürgermeister, Christian Köck, sagt zum gestrigen Wahlausgang:
Das Ergebnis ist landesweit gesehen für die CSU eine herbe Enttäuschung, die allerdings nicht ganz unverhofft kam. Meiner Meinung nach hat man sich gerade in letzter Zeit zu sehr mit personellen Debatten und mit sich selbst beschäftigt anstatt an die Menschen zu denken, für die man schließlich da sein sollte, wenn man ein verantwortungsvolles Amt bekleidet.
Es gebe nun für die zuständigen Gremien „erheblichen Gesprächsbedarf“. Eine „ehrliche und gründliche Aufarbeitung des gestrigen Ergebnisses“ sei seiner Ansicht nach „zwingend erforderlich“. Regional betrachtet habe insbesondere die Stimmkreisabgeordnete und stellvertretende Ministerpräsidentin Ilse Aigner ein gutes Ergebnis erreicht, freut sich Köck.
Im Hinblick auf die Frage nach einem Koalitionspartner für die CSU, sieht Köck mit den Freien Wähler die „größere Schnittmenge“ bei der Bewältigung wichtiger Sachthemen als mit den Grünen. Gerade das Ergebnis der Grünen in der Landeshauptstadt stoße ihm persönlich „ziemlich sauer auf“. „Von neun Stimmbezirken konnten die Grünen fünf gewinnen. Das verdeutlicht zum einen das Gefälle zwischen Großstadt und Land, wo immer noch mehrheitlich konservative Wählerlager vorhanden sind.”
Zum anderen zeuge es aber auch von einer gewissen Doppelmoral der Stadtmenschen. “Wir wählen grün, beruhigen so unser Gewissen für Umwelt und Natur und an jedem schönen Wochenende zieht es uns dann aufs Land, wo wir uns munter stauen und dort die Luft verpesten. In der Stadt wollen wir aber bitte möglichst keinen Autoverkehr und schon gar keinen Diesel mehr haben.“
Köck: Friede, Freiheit und Wohlstand dürfe nicht zum Übermut verleiten
Als Demokrat habe er das gestrige Ergebnis zu akzeptieren, so Köck. Er hoffe jedoch, dass „gerade die großen Volksparteien, die allesamt verloren haben, hoffentlich zeitnah die richtigen Schlüsse ziehen“. Bayern sei mittlerweile ein weltweit anerkannter bedeutender und erfolgreicher Wirtschaftsstandort. Dieses Land brauche eine stabile Regierung, die sachorientiert und vernünftig arbeitet. Für Experimente oder politische Abenteuer sei weder Zeit noch Spielraum, so Köck.
Frieden, Freiheit und der insgesamt vorhandene Wohlstand sollten uns nicht zum Übermut verleiten. Vielmehr sollten wir künftig wieder mehr wertschätzen, dass wir hier alle arbeiten und leben dürfen.
Auch für Kreuths Bürgermeister Josef Bierschneider (CSU) ist das Ergebnis für die CSU „sehr ernüchternd“, wenngleich es am Schluss doch „etwas besser“ gewesen sei „als es die letzten Prognosen vorhergesagt hatten“. Durch die – in seinen Augen – „unnötigen Querelen in den letzten Monaten“ seien „die Erfolge der bayerischen CSU-Politik der letzten fünf Jahre völlig in den Hintergrund getreten“. Die CSU müsse nun die Lehren daraus ziehen und alles daran setzen, die Sachthemen künftig wieder in den Vordergrund zu stellen.
Waakirchens Gemeinderätin Gisela Hölscher trat für die Freien Wähler bei der Landtagswahl an. Sie buhlte erstmals um die Erststimmen im Stimmkreis 121 und erreichte 12,01 Prozent. „Es ist schwierig, wenn man gegen eine beliebte Vize-Präsidentin antritt“, sagt sie hörbar lächelnd auf telefonische Nachfrage.
Sie sei „Politik begeistert“ und bleibe auch in der Politik. Dass die Grünen auf „großer Welle“ schwimmen, sei klar gewesen, so Hölscher. Dass aber die Freien Wähler 11,6 Prozent erzielen konnten, sei „der Hammer“ gewesen. Kurz bevor das Wahlergebnis bekannt gegeben wurde, sei es „ganz ruhig“ im Landtag gewesen, so Hölscher, danach sei „der Punk abgegangen“.
Ihre Tendenz: Die CSU wird eine Koalition mit den Freien Wählern eingehen. Innerhalb von fünf Wochen muss die Sache entschieden sein. Hölscher ist davon überzeugt, dass es schneller geht: „In einer Woche wird die Sache gegessen“. Gmunds Bürgermeister Alfons Besel (FWG) hingegen sieht eine Koalition zwischen CSU und Freien Wählern mit „gemischten Gefühlen“.
„Zum einen werden die Freien Wähler natürlich mit ihrer sachorientierten und bürgernahen Arbeit Bayern gut tun. Allerdings ist es immer schwierig als Juniorpartner in eine Koalition einzusteigen“. Es bestehe die Gefahr, so Besel, dass man „nur als Steigbügelhalter wahrgenommen wird“. Dennoch sei es gut, dass „die Freien Wähler deutlich zugewinnen konnten und so zur dritten Kraft in Bayern wurden“.
Besel: “Bayern ist der große Gewinner”
Grundsätzlich sei für ihn „Bayern der große Gewinner“ dieser Wahl. Dadurch, dass es „bunter“ im Landtag werde, müsse zukünftig wieder „konsensorientierter im Bayerischen Landtag entschieden werden“.
Ilse Aigner hat in ihrem Stimmkreis eine höhere Zustimmung erfahren als Markus Söder in seinem Stimmkreis. Dass sich dies bei der Wahl zu einer Ministerpräsidentin niederschlagen wird, wäre wünschenswert, wird aber leider Wunschdenken bleiben.
Für Bad Wiessees Vize-Bürgermeister Robert Huber von der SPD war der Wahlausgang seiner Partei mit 9,7 Prozent „ein Desaster“. Die Ursachen seien vielfältig, sagt er und fügt hinzu: „Wenn die Grünen nach oben schießen, müssen die Stimmen irgendwo herkommen. Die Grünen haben sich aus der SPD gegründet. Irgendwo muss der Kuchen aufgeteilt werden“. Es sei seitens der Wähler nicht nachvollziehbar, so Huber, wie man die SPD so abstrafen konnte.
„Im Landtag sitzen gute Leute, die gute Arbeit leisten.” So ein „Abwatschn“ sei schmerzlich. Ebenso bitter und schmerzlich sei der Stimmenverlust bei der CSU, die als „Garant für Stabilität“ stehe. Hier sei die Bundespolitik erheblich in die Landespolitik mit eingeflossen, so Huber. Kein Verständnis hat er für das hohe Ergebnis der AfD. „Es gibt keine Gründe, bei uns die AfD zu wählen, so Huber aufgebracht. Das sei eine „Schande fürs Land“.
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