Seit 14 Jahren sitze ich als Gast und Beobachter in den hiesigen Kommunal-Gremien. Nie habe ich etwas Vergleichbares erlebt wie das Theater in Berlin. Wann haben sie dort das gute Benehmen verloren?
Die Älteren erinnern sich noch gut. Helmut Schmidt, SPD-Bundeskanzler, trifft 1977 die Entscheidung, die Lufthansa-Maschine in Mogadischu stürmen zu lassen. Kurz darauf töten die Terroristen der Roten Armee Fraktion ihre Geisel Hanns Martin Schleyer. Helmut Schmidt sitzt daraufhin bei der Trauerfeier für den ermordeten Arbeitgeberpräsidenten neben der erstarrten Witwe Schleyers. Man sieht ihren Schmerz, ihre Fassungslosigkeit und Wut. Aber der Kanzler hält das aus. Es ist eine Szene, die Würde und Anstand zeigt.
Sprung in die Jetztzeit: Wir müssen eine Ansammlung an Kaspereien und schlechtem Benehmen in Berlin ertragen. Wie beleidigte Grundschüler ziehen unsere Top-Politiker übereinander her. Ansehen und persönliche Wirkung ist die einzige Währung.
Unbesungene Kommunal-Helden
Währenddessen managen auf Kommunalebene ehrenamtliche Politiker und kommunale Verwaltungsangestellte nicht nur unser tägliches Leben, sondern baden das aus, was in Berlin seit vielen Jahren (nein, ich schreibe nicht: ‘vergurken’) entscheiden. Kinderbetreuung, Flüchtlingsversorgung, Energiegesetze. Sie tun dies nüchtern, mit gutem Willen und Sachverstand und oft, sehr oft über Parteigrenzen hinweg. Das ist der unbesungene Zauber der Kommunalpolitik. Man macht, und verstrickt sich nicht in persönlichen oder ideologischen Eitelkeiten.
Jetzt also Neuwahlen auf Bundesebene. Das bedeutet hier: Urlaubssperren für die Verwaltung, hektische Vorbereitung auf einen Winter-Wahlkampf bei den lokalen Partei-Organen. All das wird hier ohne großes Murren auf örtlicher und Landkreis-Ebene umgesetzt. Nur: Wenn Berufspolitiker auf Bundesebene, und damit meine ich gerade ausdrücklich nur die Regierenden, sich aufführen wie Pop-Sternchen oder Darsteller einer Reality Soap auf RTL2, dann ist das nicht akzeptabel. Jenseits von Gesetzen und Regelungen haben wir auf der kommunalen Ebene einen Anspruch auf Würde und Anstand der politischen Klasse in Berlin. Ein schnelles und würdevolles Abtreten der aktuellen, wenig geliebten Regierung sendet ein Signal in das Land: Wir sind anders als von Populisten angegriffene Demokratien. Wir lieben Stabilität und Sicherheit.
Wer will da noch in die Politik?
Politik muss nicht grell und effekthascherisch sein. Es soll um Ergebnisse gestritten werden, nicht um Erzählungen. Mir wurscht, wer wie beleidigt ist oder wurde. Abtreten, neu wählen, so schnell wie möglich, damit es wieder vorangeht in unserem Land. Alles andere leistet den Anti-Demokraten, den Populisten, die auch hierzulande ihr Unwesen treiben, Politiker beleidigen und Lügen verbreiten, nur Vorschub. Und es verschreckt all jene, die vielleicht gut aufgehoben wären in den lokalen Gremien. 2026 wird in vielen Gemeinden hier in der Region wieder gewählt. Schon jetzt haben örtliche Parteivorsitzende Mühe, ihre Listen zu füllen. Klar: Wenn Politik sich so würdelos öffentlich darstellt, bleibt man lieber privat.
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