In New York wird Maske getragen. Nicht wegen eines Virus, sondern wegen etwa 362 Waldbränden in Kanada. Der Rauch zieht tausende Kilometer und verdüstert die Welt.
Während ich diesen Text schreibe, ist meine Welt da draußen gelb. Die Luft ist stickig, die Sonne nur ein blasser roter Punkt. Ich sitze in einem Zimmer auf Long Island. Hier hat es sechs Wochen zweimal stärker geregnet – völlig ungewöhnlich für diese Zeit. Aber jetzt kommt etwas anderes hinzu: Über 1.400 Kilometer von hier im Norden brennen kanadische Wälder, derzeit an 140 Plätzen. Der Rauch aus diesen Bränden steigt mit Tonnen an Rußpartikeln in den Himmel, wird von Winden hinunter in den Süden getragen. New York City? Hat derzeit die schlechtesten Luftwerte aller Städte – weltweit! Menschen ringen nach wenigen Stunden draußen regelrecht nach Luft; ich kann das aus eigener Erfahrung bestätigen. Trockenheit, sehr zähe, eine sich kaum verändernde Wetterlage in einer entfernten Region, sorgen für Bedrohungen bei uns – direkt, schnell und massiv – das ist das neue Normal. Das Apokalyptische an den Erzählungen ist nicht notwendig. Das führt meist zur Resignation, nicht zu Veränderung. Nur – diese gelbe Welt da draußen ist in dieser Form neu. Sie erzählt von unserer Zukunft. All das hat mit uns am Tegernsee nichts zu tun? Unsere Wälder seien gesund, wird gern behauptet. Und in der Tat: Verhältnisse wie im Harz oder Teilen des Bayerischen Walds haben wir im Tegernseer Tal nicht.
Klima macht nicht am Ufer des Tegernsees Halt
Wenn in anderen Teilen Bayerns oder den Nachbarländern Brände eintreten werden, wenn schon im Mittelbayern massiv Wasser fehlt, dann ist es egal, ob wir hier vor Ort mit diesem Element reichlich gesegnet sind. Wir werden abgeben müssen. Klima kennt keine Grenzen des Oberlands. Es erreicht uns. Das mag man doof finden, auf früher verweisen, wo ja auch mal Wälder gebrannt haben. Auf einen Satz gebracht: Wir brauchen die Katastrophe nicht im eigenen Vorgarten haben – sie kommt über große Distanzen zu uns. Wir wissen: Klimaveränderungen können für schnelle, sehr schnelle Wetterreaktionen sorgen: Starkregen, Dürrewochen – all das war in den letzten Jahren auch bei uns zu erleben. Und wenn das Feuer bei uns ist? In Bayern gab es im letzten Jahr 145 Brände mit einer Gesamtfläche von 214 ha. Bei uns besonders heikel: man kommt schwer hin, derweil breitet sich der Brand weiter aus. Erinnert sei an die Brände am Antoniberg bei Bad Reichenhall (40 ha im April 2007) oder am Jochberg bei Kochel im Winter (27 ha, 2016). Hier geriet ein Lagerfeuer außer Kontrolle.
Wetterlagen in einer Klimawandel-betroffenen Welt sorgen dafür, dass wir die Folgen von Waldbränden unmittelbar erleben werden – eben nicht Jahre später. Erhöhte Temperaturen führen nicht direkt zu Waldbränden. Hitze steigert aber die Trockenheit. Folge: Die Waldbrandgefahr steigt. Etwa 90 Prozent aller Brände im Alpenraum werden direkt oder indirekt durch den Menschen ausgelöst. Hauptursachen sind weggeworfene Zigaretten, außer Kontrolle geratene Daxnfeuer, Funkenflug bei Arbeiten im Freien, Brandstiftung, heiße Asche, auch Stromleitungen. Wer sieht, wie viele Autos zu Luxus-Chalets oder Almen tief in den Wald fahren, weiß, dass wir im Sommer uns das Risiko fahrlässig und unnötig ans Bein binden.
Wer sieht, wie viele Autos zu Luxus-Chalets oder Almen tief in den Wald fahren, weiß, dass wir im Sommer uns das Risiko fahrlässig und unnötig ans Bein binden.
Rund zehn Prozent der Waldbrände in den Alpen werden durch Blitzschläge ausgelöst. Wie sich das Feuer weiterfrisst, sich also ausbreitet und intensiver wird, hängt vom Feuchtigkeitsgehalt des Brennmaterials, der Vegetationsstruktur und -kontinuität, der Topografie und dem auftretenden Wind ab. Und hier kommen wir wieder zum Klima und den sehr hartnäckigen Wetterlagen, die dann Feuer begünstigen. Selbst wenn Brände von unseren Wehren schnell und konsequent gelöscht werden, bleiben weite, baumlose Flächen erst einmal zurück. Perfekte Angriffsflächen für Lawinen und Starkregen-Ereignisse und den damit verbundenen Muren-Abgängen.
In der Zuordnungssforschung, die den Beitrag des Klimawandels an Wetterextremen abschätzt, heißt es, dass extreme Wald- und Buschbrände weltweit mindestens um den Faktor vier zugenommen haben und das seit dem Jahr 1900. Ohne den Klimawandel wären demnach auch extreme Hitzewellen (2021 im Nordwesten der USA, und an der kanadischen Pazifikküste) niemals aufgetreten. Hier haben die Waldbrände eine ganze Kleinstadt zerstört. Das betont die renommierte Klimaforscherin Friederike Otto. Das gilt nun auch für die massiven Brandherde im Osten Kanadas.
Es geht bei der Beschreibung der Klima-Risiken nicht darum, dumpfe Angst zu schüren. Menschen haben über Jahrhunderte, mal smart, mal weniger, gelernt, sich anzupassen.
Es geht bei der Beschreibung der Klima-Risiken nicht darum, dumpfe Angst zu schüren. Menschen haben über Jahrhunderte, mal smart, mal weniger, gelernt, sich anzupassen.
Wir müssen auf Veränderungen, mit denen uns der Klimawandel konfrontiert, vorbereitet sein. Sicherungen, auch unliebsame und kostenintensive, angehen. Wichtig: Dazu gehört auch, Wissenschaft nicht als Religion oder Ideologie zu missbrauchen. Grüße gehen aus an einige Grünlinke, die quasi huckepack ihre piefigen Sozialismus-Träume verwirklichen wollen. Wir waren in Bayern ein Technologietreiber, auch weil es einst eine CSU gab, die Veränderung als Chance begriffen hat, die nicht Pfründe verwalten wollte.
Ein limitierender Faktor für kluge Veränderung sind wir selbst: Das Tal wird von einer großen Anzahl alter Menschen bewohnt. Die wollen, verständlicherweise, im letzten Lebensdrittel keine Veränderung oder gar Einschränkung mehr haben. “Für mich reicht es”, liest man zwischen den Zeilen, wenn sie auch zu diesem Kommentar wieder wüste Bemerkungen in die Tasten hauen. Aber: Kein Mensch will seinen Kindern eine Welt hinterlassen, in der die Welt gelb ist, das Spielen draußen Husten erzeugt und riesige Brände zum Alltag gehören.
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