Gehts auch ohne Drama?
Kasperltheater am Westufer?

Der Konflikt zwischen Kirche und Gemeinde, zwischen Pfarrer Weber und Bürgermeister Kühn geht in die nächste Runde. Das hat zwar für nicht Betroffene und Freunde solider Vorabend-Soaps einen hohen Unterhaltungswert, passiert aber auf dem Rücken einiger Eltern. Muss das sein?

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Titel der aktuellen Posse: “Dunkle Wolken über Wiessee”? Foto: Redaktion

Wer eine Scheidung schon einmal durchlitten hat, der kennt das:  Am Ende streitet man sich um Vasen, Wagenradtische und Aschenbecher. Für Außenstehende ist das befremdlich, zuweilen aber auch erheiternd. Man denkt: Passiert mir nicht. Und landet exakt dort. Genauso ist es beim Trägerwechsel der Kinderbetreuung in Bad Wiessee.

Wie alles begann

Der protestantische Gemeindevorsteher Dr. Martin Weber hat in den letzten Jahren ein lukratives Fast-Monopol in der Tal-Kinderbetreuung aufgebaut. Damit hat er diversen Bürgermeistern den Allerwertesten gerettet. Die waren dank eines Gesetzes aus Berlin in der Pflicht, sich um die Kleinen zu kümmern und hatten keine Ahnung. Weber war die Rettung. Er konnte Defizite machen. Einige Kommunen ließen ihm aus schierer Dankbarkeit sehr viel “gestalterischen” Freiraum. Man war froh, das Thema vom Tisch zu haben und sich wieder anderen Projekten mit weniger persönlicher Fallhöhe zu widmen.

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Neuer Vertrag? Ich gehe (Abgang links)

Das fand man in Bad Wiessee nicht so dufte. Hier wollte der gesamte Gemeinderat einen neuen Vertrag mit Weber abschließen. Der aber nicht. Er kündigte den Eltern. Damit hatten die Westufler nicht gerechnet. Für sie war Weber ein Vertragspartner wie jeder andere. Sein Faustpfand waren und sind verunsicherte Eltern, die dringend im Herbst 2024 eine Hortbetreuung brauchen, so glaubt man am Westufer. Die Kündigung erwischte die Wiesseer kalt. Warum? Man hatte zwar eine Tiptop-Kita, aber das Personal fehlte. Währenddessen zieht Weber mit seiner Betreuertruppe einfach nach Gmund und Tegernsee. Er und sein protestantisches Kleinunternehmen ist eben gefragt bei gestressten Bürgermeistern.

Krawallschachtel und Kinderlosigkeit?

Und die Wiesseer? Stehen vorerst mit leeren Händen da. Nur 25 Kinder bekommen sie im September im Hort betreut, ab Oktober sollen es 50 sein. Zu wenig. Schuld soll Kühn haben. Und jetzt wird es sehr persönlich. Nur wenig verhohlen wird seine Kinderlosigkeit als Argument herangezogen. Dazu hat der US-Satiriker Bill Maher alles gesagt.

Er sei ein Event-Bürgermeister, klagt man in WhatsApp-Gruppen, so als sei ein wandelnder Leitz-Ordner wie in anderen Gemeinden besser, einer der verwaltet und nicht verändert.

Kühn und Kollegen haben keinen Plan B

Aber einen Punkt haben die Kritiker: Kühn und sein Gemeinderat hatten keinen Plan B in der Hinterhand. Webers Blockade lässt sie alle im Regen stehen, zum Punching Ball verzweifelter Eltern werden. Und Kühns wolkige PR-Ankündigungen haben alle für bare Münze genommen. Mit etwas Erfahrung hätte er und seine Ratstruppe das erahnen können. So ein Fehler darf nicht mehr passieren. Über 80 Familien stehen vor der Tür. Das ist kein putziger Streit mit einem Betonbaron. Das hat existenzielle Folgen für einige Eltern, die jetzt heißdrehen.

Synergie oder Monopol?

Und dann ist da Weber. Auch ihm wird Dreck hinterhergeworfen. Sein Verhältnis zu seiner Hauskirche sei nicht immer als einfach zu beschreiben. Für manche sei er eine ausgesprochene Krawallschachtel, weniger menschelnder Hirte, mehr menschlicher Härtefall. Aber Weber bewegt, und das ist in diesem Tal selten und doch wichtig, eben in kurzer Zeit sehr viel. Zudem: Sein wirtschaftlicher Erfolg im Tal basiert auch auf massive Spendenbereitschaft hiesiger Vermögender. Beim Einsammeln dieser Gelder gibt es auch Konkurrenz…

Während andere auf staatliche Fördertöpfe hoffen, schuf und schafft Weber Fakten. Da hat der evangelische Geistliche viel geleistet, muss aber zukünftig weiter liefern. Offiziell nennt sich das Synergie, inoffiziell ist es ein Care-Monopol. Konkurrenz aber ist wesentlich für Qualität. Und noch etwas: Dieser Erfolg der letzten Jahre, so wirkt es auf manche, verführt auch, ganz generell gesprochen, zu einem nicht gesunden Maß an Selbstliebe. Beim theologischen Seminar “Versöhnung und Brückenbauen” war Weber wohl Kreide holen.   

Die Lösung ist nah, aber Drama ist schöner

Es ist von außen betrachtet, als wolle man aus einer misslichen, aber regelbaren Situation mit aller Macht ein unlösbares Drama inszenieren. Neuester Höhepunkt in der Tegernseer Seifenoper: Der Landrat meldet sich zu Wort. Durfte rechtlich zwar bei der Sache nicht mitschnabeln. Hat aber Kinder. Und ist ja auch irgendwie für alle(s) zuständig. Und schon hebt man das lokale Problem auf eine regionale Ebene.

Der Streit wäre in einer konstruktiven Sitzung bei Kaffee und Kuchen innerhalb eines Nachmittags geregelt. Eitelkeiten und persönliche Verletzungen lässt man bei der Garderobe und sucht den Kompromiss. Einigt sich auf die Fakten:

  • Weber kann eine Gemeinde nicht zwingen, ihn dauerhaft als Träger zu akzeptieren.
  • Wiessee braucht schnell Personal für die Betreuung.

Da schlucken beide Seiten Kröten, vereinbaren eine (wegen meiner auch für die Kommune etwas kostenintensivere) Überbrückungszeit, bis man in Wiessee eine Lösung für alle! Eltern gefunden hat. Kühn reicht Weber die Hand. Foto für heimische Blätter, und die Messe wäre gelesen (der musste sein). Ergebnis: Eltern haben einen entspannten Sommer. Kinder werden von Herbst an versorgt. Weber hat eine Brücke gebaut, Kühn trotz Kinderlosigkeit eine Menge für die Kleinen und ihre Eltern getan. Das alte/neue Personal hat optimale Arbeitsbedingungen, bekommt auch noch ein Startgeld. Und der Landrat kann sich wieder um Flüchtlinge kümmern. So wäre das in einer idealen Welt. Die handelnden Personen, ob Kirchen- oder Gemeinderatsvertreter wissen das.

Allein – es wird weiter am Drama gearbeitet. Fehlt nur noch eine Demo mit weinenden Kindern und Plakaten mit “Wer betreut mich jetzt?” in Kinderschrift. Und im Hintergrund wird vielleicht noch persönlicher Schmutz über alle ausgeodelt. Tegernseer Sommertheater eben.    

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