Bad Wiessee
Kinderbetreuung wird zum Politikum

Die Gemeinde Bad Wiessee hat einen überraschenden Entschluss gefasst: Sie will einen neuen Träger für die Kinderbetreuung der unter Dreijährigen und den Hort. 16 Jahren lang war die evangelisch-lutherische Kirchengemeinde fester Partner. Das ist jetzt Geschichte.

Ein glücklicher Bürgermeister, Robert Kühn, vor “seinem” neuen Kinderhaus. Foto: Redaktion

Es ist eine nüchtern gehaltene Pressemitteilung. Zum 01. September wechselt die Trägerschaft der Kinderkrippe und des Horts. Das teilt heute die Verwaltung in Bad Wiessee mit. “Hintergrund dieser Entscheidung sind die hohen Bedarfe für das neue Betreuungsjahr, die unter bisherigen Trägerschaft nicht ausreichend abgedeckt werden kann.” Vorausgegangen war dieser Pressemitteilung eine Ankündigung der Evangelischen Kirche an die Eltern.

Hortbrief mit Kündigung Foto: Redaktion

In einem Hortbrief haben die betroffenen Eltern von der Kündigung erfahren. Die evangelisch-lutherische Kirchengemeinde schrieb, dass sich die Gemeinde Bad Wiessee “finanzielle und inhaltliche Änderungen im bisherigen, talweit für alle Gemeinden gültigen, Vertrag wünscht, die wir nicht erfüllen können.” Und weiter: “Aus formalen Gründen sind wir … gezwungen, die bestehenden Betreuungsverträge zu, 31. 08. 2024 zu kündigen.”

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Was heißt das?

Seit 16 Jahren war die evangelische-lutherische Kirchengemeinde Tegernsee unter Federführung des Pfarrers Dr. Martin Weber die Säule in der frühkindlichen Betreuung. Anfangs noch sehr improvisatorisch, hat Weber den Gemeinden im Tal bei der Pflichtaufgabe Kinderbetreuung oft genug aus der Patsche geholfen, nimmermüde Spendengelder für die Einrichtungen aufgetan und damit unzähligen Familien die Sorge der täglichen Betreuung abgenommen. Aber immer ging es auch um die Örtlichkeiten, Platz war selten ausreichend vorhanden.

Alles neu, bald ziehen hier die Krippen-Kinder in Bad Wiesse ein- und um. Foto: Redaktion

Dank neuem Kita-Zentrum in Bad Wiessee sind die Räumlichkeiten da. Fünf Gruppen, so Bürgermeister Robert Kühn, könnten aufgebaut werden. Das war seit zwei Jahren bekannt. Doch die evangelische Kirche soll nicht genug Personal für diese Gruppen gefunden haben.

Somit wurden Eltern, die ihr Kind dringend unterbringen wollten, abgewiesen. Angeblich soll nur Personal für maximal zwei Gruppen vorhanden gewesen sein, die dritte konnte somit aufgrund Personalmangels gar nicht aufgestellt werden.

Fachkräfte und Personalmangel

Nur: Es ist kein Einzelfall. Alle Gemeinden kämpfen mit Personalmangel in diesem Bereich. Jüngst musste Gmund das Betreuungsangebot einschränken und stark improvisieren. Nach einem internen Hin und Her hat sich nun die Gemeinde Bad Wiessee entschieden, einen Schlussstrich zu ziehen. Sie schreibt: “Voraussichtlich Ende Juni wird seitens der Gemeinde zu einem Infoabend eingeladen, bei dem sich der neue Träger vorstellen wird.”

In diesem Zeitraum, so die Gemeinde weiter, werden Anmeldetage für die beiden Einrichtungen durchgeführt. So könne dann “eine Betreuung vom 01. 09. 2024 gewährleistet werden.” Offen ist derzeit noch der neue Träger.

Im Tegernseer Tal ist ein privater Betreiber aus Gmund bekannt. Das ‘Kinderland Weyarn’ hat 15 Standorte im Oberland. Auch die katholische Kirche ist schon viele Jahre mit der Kinderbetreuung im Tal vertraut, bisher allerdings nur für Kindergartenkinder.

Versorgungssicherheit gewährleistet?

Robert Kühn sagt uns, dass er den Eltern in Bad Wiessee, eine Versorgungssicherheit vom 01. September 2024 an versprechen kann. Die Evangelische Kirche ist hingegen ratlos. Im Hortbrief schreibt sie, dass sie nicht wisse, wie es weitergehe, betont, dass sie “‘unseren’ Kindern noch die bestmögliche Zeit und Betreuung bieten, die uns möglich ist.”

Wird die Kinderbetreuung zum Spielball?

Immer mehr, so wirkt es auf den außenstehenden Betrachter, wird die immer umfassender werdende außerfamiliäre Kinderbetreuung zu einem Spielball ökonomisch-politischer Auseinandersetzung. War sie anfangs noch sehr improvisiert und auf ehrenamtliches Engagement einzelner Akteure angewiesen, wird es zunehmend zu einem hochprofessionellen, aber eben auch wirtschaftlich eng gestecktem Bereich.

Man sollte den Bürgermeister Robert Kühn nun beim Wort nehmen, wenn es um eine rechtzeitige neue Trägerschaft für den Herbst 2024 geht.

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