Wer nichts hat, bekommt gern gute Tipps. Wie Kreuth. Die arme Kirchenmaus am Südende des Tals konnte jüngst nicht einmal eine moderate Erhöhung des TTT-Budgets mittragen. Wo ist zwischen Weissach und Glashütte mehr zu holen?
Seit einem Vierteljahrhundert ist Josef Bierschneider Bürgermeister der Gemeinde Kreuth. Keiner seiner Kollegen kann das vorweisen. Aber anders als die Bürgermeister jenseits der Weissach, muss Bierschneider jedes Jahr mit äußerst spitzem Bleistift seinen Haushalt zusammensetzen. Während die Stadt Tegernsee, mit ähnlicher Einwohnerzahl, 2023 mit einem Gesamthaushalt von über 32 Millionen Euro arbeiten konnte, stand dem Bergsteigerdorf lediglich 15 Millionen Euro zur Verfügung. Kurz: Kreuth ist die arme Kirchenmaus im Tegernseer Kommunalzoo.
Erst jüngst reisten Emissäre der TTT und anderer Gemeinden in den Mezzogiorno des Tals, um sich die leeren Kassen erklären zu lassen. Nicht einmal einen 50.000 Euro Anteil an einer Budgeterhöhung für die Tourismus-Behörde könne und wolle man zahlen. Gleichzeitig aber pochten die Kreuther auf ihre kommunale Autonomie. Das macht keine Freunde im Rest des Tals.
Schnell ist man in anderen Gemeinden mit guten Vorschlägen zur Einkommenssteigerung bei der Hand. Da wären die Parkplatzgebühren: Im umtriebigen Bad Wiessee hat man seit Anfang 2023 eine einheitliche Gebührenordnung geschaffen. Sie beinhaltet zehn Euro für ein Tagesticket. Das gilt für jene, die länger als 150 Minuten parken. Zum Vergleich: In München verlangt die Kommune elf Euro für das Tagesticket.
Erst gab es einen Aufschrei am Westufer, Vertreter der CSU sahen Gefahren für den Handel und die Gastronomie. Aber das ist alles alter Kaffee. In diesem Jahr wird die Gemeinde über 390.000 Euro aus der Bewirtschaftung aller Parkflächen einnehmen. Vornehmlich die Wanderparkplätze am Söllbach und Sonnenbichl sollen die Werttreiber sein. Aber solche Cashcows hat doch Kreuth auch? Wer im Winter noch halbwegs verlässlich auf den schönsten Loipen fahren will, fährt bis nach Wildbad und Bayerwald.
Im Sommer locken die Almen: Siebenhütten, Königsalm, Tegernseer Hütte oder Schwarzentenn. Auch unter der Woche sind die Parkplätze mehr als ausgelastet. Aber Kreuth verlangt 40 Prozent weniger als die Wiesseer. Sepp Bierschneider erklärt das mit der Sozialverträglichkeit.
Wir wollen, dass auch nicht vermögende Familien und Personen bei uns wandern gehen können. Zudem hatten wir den Preis für ein Tagesticket auch bereits von 5 auf 6 Euro kürzlich erhöht. Josef Bierschneider
Nun steckt in Kreuth der Teufel im Detail: Die Gemeinde besitzt nur einen Parkplatz (Wertstoffhof), die anderen sind gepachtet. Mal gehören sie den Staatsforsten, mal dem Herzoglichen Haus, mal Eigentümergemeinschaften. Denen wird eine feste Pacht sowie eine mögliche Umsatzpacht gezahlt. Sollten die Einnahmen aus den Gebühren die Basispacht übersteigen, werden die Verpächter an den Umsätzen beteiligt. Sie müssten also an einer Erhöhung originär interessiert sein. Aber: Die Alm-Gastronomen sehen Erhöhungen natürlich kritischer, fürchten bei deutlichen Erhöhungen das Wegbleiben der Kundschaft.
Bierschneider ist nicht generell gegen eine Anpassung an das Wiesseer Preismodell. “Wir hatten das immer im Kontext mit dem ÖPNV-Angebot gesehen. Wenn nun, wie vom Landkreis geplant, ein grenzüberschreitender Busverkehr stündlich die Parkplätze bedient, dann ist die Anpassung auf zehn Euro möglich.” Der Haken dabei: Das wird vermutlich erst etwas im Laufe des Jahres 2025.
Auch Christian Kausch, Geschäftsführer der Tegernseer Tal Tourismus, hätte nichts gegen eine Harmonisierung der Parkpreise:
Ich bin nach wie vor für ein talweit aufeinander abgestimmtes lenkendes Konzept, welches nicht nur die Parkgebühren als solche beinhaltet, sondern zB. auch die jeweilige ÖPNV-Anbindung, Auslastung, Gastronomie, Einheimische etc. berücksichtigt. Christian Kausch, Geschäftsführer TTT
Das allerdings wird von vielen Experten im Tal, die sich mit den Eigenheiten der Gemeinden auskennen, als Titanen-Aufgabe angesehen. Also lieber erst einmal die Preise im Ort anheben und hoffen, dass andere mitziehen? Höhere Gebühren werden auch schnell in der Öffentlichkeit erst einmal als “Abzocke” verteufelt. Denn die Preise gelten auch für Einheimische. Es sei denn, sie nutzen die “Möglichkeit, zum Preis von 30 Euro pro Jahr für Kreuther Bürger, 60 Euro pro Jahr für andere, einen auf ein bestimmtes Autokennzeichen lautenden Jahresparkschein im Rathaus zu erwerben”, wie es auf der Website der Gemeinde so schön heißt.
“Sind das alles denn nicht nur Peanuts?”, fragt man sich. Nun, Kreuths Parkplatzgebühren spülten im letzten Jahr immerhin 300.000 Euro in die Gemeindekasse. Da wäre eine Erhöhung der Tagesticketpreise um fast 67 Prozent ein echter Brocken, denn die Besucherinnen und Besucher im Süden bleiben meist länger als 150 Minuten in den Bergen oder auf den Loipen. Die TTT-Budgeterhöhung wäre jedenfalls leicht wieder einzuspielen.
Aber schauen wir uns nur ein paar weitere Zahlen aus dem Haushalt in Kreuth einmal an. Der Anteil des Gewerbesteueraufkommens, der direkt auf Betriebe aus den Bereichen Gastronomie und Übernachtung zuzurechnen ist, lag im vergangenen Jahr bei 10 – 15 Prozent des gesamten Gewerbesteueraufkommens, also bei rund 200.000 Euro, der Fremdenverkehrsbeitrag liegt bei 330.000 Euro. Der Kurbeitrag bringt der Kommune immerhin 500.000 Euro Einnahmen.
Sieht man diese Zahlen, wird die Bedeutung von Parkgebühren deutlich. Sepp Bierschneider dazu:
Wir wollen unsere Gäste auch nicht vergraulen. Schließlich leiden dann wieder gastronomische Betriebe in der Nähe der Wanderparkplätze. Josef Bierschneider
Kreuth steckt in einem Dilemma. Weder werden von privaten Milliardären Millionen Euro in die Gemeindekasse gespült, noch besitzt Kreuth ein E-Werk oder einen Bahnhof. Es fehlen einfach Unternehmen, die Steuergelder in die Kasse spülen. Da wirkt das Label Bergsteigerdorf fast ein wenig selbstironisch. Kreuth, so sagen Zyniker, ist die Badstraße am Tegernseer Monopoly-Tisch, braucht dringend in den nächsten Jahren neue Einkunftsmöglichkeiten, wenn es nicht weiter als arme Kirchenmaus mit wenig Handlungsspielraum gelten will.
Aber auch das stimmt: Es ehrt einen Gemeinderat und einen Bürgermeister, wenn sie die massive Erhöhung von Parkgebühren erst einmal als unsozial ablehnen.
SOCIAL MEDIA SEITEN