Es war der Aufreger vor zwei Jahren: das Luxuschalet im Bergwald von Bad Wiessee. Gemeinderäte waren erzürnt, Wanderinnen stutzten, was ein Münchner Immobilienhändler sich mitten in die Natur gesetzt hat. Jetzt wandert das zuständige Gericht zum Augenschein auf den Berg …
Zwei Jahre blieb es still um den Skandalbau im Bergwald. 2021 hatte der Münchner Unternehmer S. eine einfache Jagdhütte zu einem hübschen Ferienhäuschen umbauen lassen: Solaranlage, möblierte Terrasse, beheizbarer Badezuber mit Seeblick. Drinnen hochwertiges Mobiliar, kuschelige Betten, eine gut ausgestattete Küche. Alles ohne Genehmigung. Nach unseren Recherchen, und nach der Intervention einiger Wiesseer Gemeinderäte, reagierte im April 2022 schließlich die Bauaufsicht des Landratsamtes Miesbach. Wegen der umfangreichen Maßnahmen gehe man davon aus, dass der Bestandsschutz für die Hütte erloschen „und eine vollständige Beseitigung des Gebäudes anzuordnen ist”, teilte damals das Landratsamt mit. Man forderte den Bauherrn zu einer totalen Beseitigung der Umbaumaßnahmen auf. Der Münchner und sein Anwalt sahen das nicht ein, klagten dagegen beim Verwaltungsgericht München.
Gerichtstermin am Berg
Jetzt geht es im Fall ‘Münchner Luxus auf fast 1000 Höhenmeter’ weiter: Ende September 2024, so erfuhr die Tegernseer Stimme, wird sich das Gericht vor Ort das Luxus-Chalet anschauen. Solche Termine haben, wie schon bei der Saurüsselalm und anderen Projekten im Außenbereich, durchaus Unterhaltungscharakter, geben sie doch weit entfernt lebenden Juristen einen guten Eindruck von den örtlichen Besonderheiten.
Das Landratsamt als Aufsichtsbehörde gibt sich gelassen und schreibt: “Es wird davon ausgegangen, dass in diesem Termin das Verfahren abgeschlossen werden kann, sodass weitere Termine/Sitzungen vorerst nicht nötig sind.” Sollte der Aufforderung des Landratsamts stattgegeben werden, müsste S. umfangreich zurückbauen. Die eingesetzten Abertausende von Euro wären abzuschreiben; die Kosten für den Rückbau kämen hinzu. Nur: So radikal hat man in hiesigen Gefilden selten bei vermögenden Bauherrn agiert. die Expertise raunt: Es wird auf einen für beide Seiten gesichtswahrenden Kompromiss hinauslaufen. Etwas Rückbau hier, etwas mehr versteckter Luxus dort. Weniger Badezuber, dafür weiterhin exklusive Luxus-Aussicht auf den See.
Wenn München gewinnt
Aber was, wenn S. aus München das Verfahren gewinnt? Was macht das Landratsamt dann? “Sollte der Bauherr dieses Klageverfahren gewinnen, würde dies aber nicht unbedingt dazu beitragen, künftig ungenehmigte Bauausführungen im Landkreis zu unterbinden.” Übersetzt: Gewinnt Luxus-Bauherr S, wird die Miesbacher Behörde zukünftig Schwarzbauten leichter dulden. Der zuständige Bürgermeister für Bad Wiessee ist Robert Kühn. Der Wiesseer Kommunalpolitiker hat sonst nichts gegen Luxusalmen, ist gern gesehener Gast auf der Saurüsselalm und wurde dort erst kürzlich mit einem Bundestagsabgeordneten gesichtet.
Doch der nicht genehmigte Bau im Norden des Bergwalds lässt auch bei ihm die Stirn runzeln: “Das ist sicher sehr hübsch geworden, aber der Bauherr ist hier aus meiner Sicht deutlich zu weit gegangen. Das war mal eine Jagdhütte. Das kann man wirklich nicht durchwinken.” Die Gemeinde besitzt auf der anderen Seite des Weges, der zum Chalet führt, mehrere Hektar Wald. An eine umfangreiche touristische Nutzung, womöglich mit Feuer-Risiken, ist dem Politiker nicht gelegen. Wie Kühn uns sagt, wird er bei dem Gerichtstermin vor Ort dabei sein.
Wie und ob das das Gericht vor Ort entscheidet, werden wir Ende September berichten. Vielleicht ist es für andere Projekte in örtlichen Bergwäldern wegweisend …
Randnotiz
Die Nutzung des Chalets wurde im Herbst 2022 kurz öffentlich, als eine Besucherin, Insta-Name: macocoxx, euphorisch Bilder vom Innern der Hütte auf ihren Account stellte. Nach einem gehörigen Shitstorm nahm die junge Dame dann ihre digitalen Eindrücke aus dem Netz. Dumm nur: Das Netz vergisst nicht. Positive Projekt-Promo war das sicher nicht.
Luxus-Almen – das waren vor allem in der Pandemie-Zeit begehrte Ziele der Münchnerinnen und anderer Städter. Hiesige Immobilienmakler wie Füsser sprangen auf den Zug, provozierten mit Wurfsendungen örtliche Kommunalpolitiker. “Wenn Sie … eine solche Hütte verkaufen oder verpachten möchten, dann wird nicht verhandelt, sondern nur genickt”, warben sie damals. Mittlerweile ist der Trend für das exklusive Natur-Abseits etwas abgeflaut, hohe Zinsen und eine schwächere Wirtschaft machen Makler das Geschäft schwer. Für Extravaganzen bleibt da wenig Raum, so man nicht über fast endlose Mittel besitzt.
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