Meckerzwiebeln, hört die Signale

Nach dem Erfolg der “Muhaggl-Kolumne” wollten wir zum Jahreswechsel etwas Versöhnliches bringen. Unser Autor Martin Calsow musste zwar dazu gezwungen werden, aber das Ergebnis bringt jetzt sogar die Schneeflocken im Tal zum Schmelzen.

Meckerzwiebeln gibt es überall. Aber nirgendwo treiben sie so herrlich das Wasser in die Augen wie hier im Tegernseer Tal.

Eine Kolumne von Martin Calsow:

Was haben wir uns in den letzten Monaten aufregen können. Da war das Ehepaar mit dem Duftproblem. Verursacht durch eine Bäckerei. Da war der Betonbaron, der schmollend Gastwirtschaften schließt. Da waren Bauherren, die aus ihrem Stück Land alles, aber auch alles, herausquetschen wollten. Sogar Tiefgaragen mit Autolift waren dabei.

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Dann gab es da die Berufsbayern, die bei jedem missliebigen Zugezogenen ein Haberfeldtreiben veranstalten wollten. Die im Heimatblättchen in anonymen Kommentaren ihren Wutschaum auskübelten. Das Tal ist schön. Jeder will ein Stück dieser Idylle haben. Will da wohnen. Aber mit den Bewohnern ist das so eine Sache. Wer gehört zu dieser Idylle? Wer prägt, wer erhält und entwickelt sie weiter?

Wer charakterisiert das Oberland?

Etwa die Meckerzwiebeln, die jedem Zugezogenen das Mitsprache-, wenn nicht sogar das Daseinsrecht absprechen? Jene Tal-Bewohner, die auf das Geburtsrecht hinweisen, dabei aber gern vergessen, dass sie ohne Zugezogene längst nicht so ein Leben führen könnten, wie sie es jetzt tun? Wer trägt die Identität des Oberlands?

Etwa jene, die es professionell für eigene Zwecke „verkaufen“? Die Bau-Entwickler? Die Veranstalter von fragwürdigen Elite-Treffen? Oder die Gastro-Könige, die mit Sterneköchen das Tal zwar bekannt, aber bestimmt nicht ursprünglich machen? Die Welt jenseits des Tals ist unverbindlicher geworden. Die Genussgesetze „Jeder, wie er will“ und „Unterm Strich bleib ich“ kommen auch zu uns. Sie werden zu Stein in Form eines Schuhschachtelhauses.

Wer setzt sich noch ein?

Sie zeigen sich aber eben auch in den Nachwuchsproblemen der Vereine. Das Ehrenamt wirkt in einer Spaß-Gesellschaft wie aus der Zeit gefallen. Engagement ohne Nutzen? Kommunale Politik? Wer will noch stundenlang nach Feierabend in muffigen Zimmern mit anderen über Platzgestaltung und Radwege debattieren, sich aber dafür später im Netz und im Freundeskreis schräg anmachen lassen? (Auch wir in der Stimme haben uns zuweilen im Ton vergriffen und geloben Besserung).

Ein Hotel am Bahnhof Gmund, ein Jodschwefelbad – das sind massive und zukunftsweisende Projekte. Eine Frischzellenklinik, also das Abschlachten von Tieren für faltige Geldige, könnte man zwar juristisch gesehen zulassen, moral-ethisch jedoch nicht. Solche Dinge können in öffentlichkeitsfernen Sitzungen überhaupt erst auf die Spur gebracht werden, weil niemand Öffentlichkeit und politische Rechtfertigung einfordert.

Wer nimmt Einfluss und ändert was?

Die Gestaltung unseres Tals wird nur deswegen von wenigen Gruppen geprägt, weil wir auf unsere Mandatsträger nicht genügend Einfluss nehmen, Teilhabe einfordern. Warum nicht die Gestaltung von Plätzen auf eine breite Basis stellen, sie sogar von Bürgern selbst mitgestalten lassen? Warum sprechen wir die Räte und Bürgermeister nicht häufiger auf der Straße an? Warum fordern wir sie nicht auf, regelmäßig durch die Gemeinde zu gehen und Projekte vor Ort erklären und diskutieren zu lassen?

Warum werden örtliche Schulen nicht stärker in das Leben des Tals eingebunden, damit SchülerInnen Teilhabe und Partizipation frühzeitig am direkten Beispiel lernen? Wo diskutieren wir, was für uns Leitkultur ist, was für uns das Oberland ist: auf Festtagsreden und in Touristenbroschüren. Wir lassen andere machen, jammern aber hinterher gern und oft. In Weyarn hat ein Bürgermeister das sperrige Wort der Partizipation jahrelang in Taten gegossen. Es hat sich gelohnt. Wieso schafft das so ein Ort an der Autobahn und nicht wir hier im Tal?

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