Mein Herz hängt am Wald

Interview mit einem, der den Wald liebt und dennoch realistisch bleiben will. Gerhard Waas, Förster und Landtagskandidat der Grünen Bayern, hat uns letzte Woche in der Redaktion besucht.

Besuch in der Redaktion mit Jagdhund. Gerhaard Waas, Landtagskandidat der Grünen und Julia Jäckel, Redaktionsleiterin der Tegernseer Stimme.

Mit welchem Gefühl schauen sie gerade auf die Landtagswahlen?

Das ist ganz schwierig. Also, was mich persönlich betrifft, da bin ich Realist. Ich weiß, dass ich, wenn ich überhaupt Chancen habe, dass die sehr, sehr gering sind. Und, was die Politik insgesamt betrifft, mir tut das momentan leid, dass alles so ins Extreme geht, dass Gemeinsamkeiten verloren gehen und dass so extreme Positionen bezogen werden. Und da ist das Gefühl der Sorge für die politische Zukunft.

Sie sind Förster. Was bedeutet der Wald für sie?

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Der Wald ist für mich … (Pause). Ich habe jeden Tag im Wald gespielt, als Kind, wir wohnten direkt am Waldrand. Das ist für mich ein ganz, ganz großes Stück Heimat; der Wald. Dann ist für mich der Wald natürlich auch das Thema, von dem ich lebe und mit dem ich lebe. Mein Herz hängt am Wald. Und wenn ich waldpädagogische Führungen mache und sage, ihr dürft auch die Bäume umarmen; dann sagen sie, hast du das schon mal gemacht? Natürlich habe ich schon Bäume umarmt. Dann darf man auch mal fühlen: Wie rau ist die Rinde? Wo sind da die Äste? Den Wald einfach mit den Sinnen erfassen: die Vögel hören – auch die Bäume kann man hören –, wenn der Wind durchstreicht. Wir gehen oft so unaufmerksam durch den Wald. Aber wenn ich mich auf die einzelnen Dinge konzentriere, die uns der Wald bietet, das ist einfach ganz, ganz toll.

Wie wichtig ist denn der Wald für den Landkreis?

Für den Landkreis und auch für andere Landkreise ist der Wald ganz, ganz wichtig. Wir sind jetzt auf dem Weg in den Klimawandel. Wir sind erst am Anfang und haben aber bereits 1,8 Grad Erwärmung bei uns. Wenn sie an die Regenfälle jetzt in Griechenland denken, 750 Millimeter, 75 Zentimeter in 24 Stunden. 75 Zentimeter! Das kann auch der Wald nicht mehr abpuffern. Wenn es aber 20 Zentimeter sind oder 200 Millimeter, die kommen öfter mal vor. Da puffert der Wald ab; und der Waldboden saugt Wasser auf. Anders als ein Grünlandboden, der ja auch befahren wird, wo das Wasser zu 98 oder 99 Prozent einfach wegrauscht. Beim Wald, da wird ein Teil gleich wieder verdunsten, ein Teil tropft ab, zwar langsamer, und ganz, ganz viel wird dann auch im Waldboden versickern. Natürlich läuft auch im Waldboden was ab. Aber es ist viel, viel weniger.

Wenn wir die Wälder hier nicht hätten im Tegernseer Tal, … stellen sie sich 200 Millimeter vor. Das rauscht von den ganzen Hängen sofort runter. Auch die Verzögerung bringt da viel. Wenn die 200 Millimeter einfach auseinandergezogen werden, dann schaffen das unsere Bäche und unsere Durchlässe das Wasser abzutransportieren. Wenn das aber auf einen Rutsch kommt, dann haben wir hier unten überall Überschwemmungen. Und nicht von Flüssen, sondern von den Abläufen an den Hängen. Diese Starkregenfälle werden kommen. Deswegen müssen die Gemeinden – also aus meiner Sicht –, das machen sie ja auch zunehmend, Starkregenrisiko-Analysen machen, damit sie wissen, wo kommt denn das Wasser runter? Und diese Risikoanalysen hängen ganz, ganz, ganz stark vom Bewuchs ab. Der Bewuchs hält das Wasser am besten zurück.

Zweitens ist da Wald für viele Menschen hier Einkommen, also die Grundlage ihres Einkommens. Im Vergleich zu Gesamtbayern haben wir sehr viel Wald. Der durchschnittliche Bayer hat zwei Hektar Wald. Bei uns haben die Waldbesitzer oft 15 bis 20 Hektar Wald, manche noch mehr. Der Wald ist wichtig für unsere Zimmerer, Schreiner, für unser Bauwesen; und auch touristisch ist er besonders wichtig.

Sie haben neulich getwittert, im Zusammenhang mit der Neuversiegelung von Böden, dass sie für eine Politik stehen, die nachdenkt, bevor der Banker kommt. Was heißt das für sie?

Wenn wir so tun, als ob wir unbegrenzt Fläche hätten, könnten wir so weitermachen wie bis jetzt. Aber als Schlierseer weiß ich am ehesten, dass das so nicht geht. Im Gegensatz zum Beispiel zu Warngau hat Schliersee links und rechts die Hänge; und wir haben eigentlich ganz wenig bebaubare Fläche. Tegernsee ist da das Negativ-Beispiel, weil man in die Hänge reinbaut; da will ich überhaupt nicht reinbauen. Also, das sind ja ganz wichtige Grundentscheidungen. Ja, wir könnten jetzt da weiterbauen, wir können das sofort verkaufen, wir können das alles zu Bauland machen, aber wollen wir das? Wo die überall ihre Häuser hingesetzt haben, das möchte ich nicht! Ich möchte unsere Landschaft halten. Gleichzeitig weiß ich auch, dass der Druck groß ist. Wir werden uns dem nicht entziehen können. Es ist ja Geld da, und die zahlen jeden Preis, zum Teil. Ich möchte erstens, dass bei uns Menschen leben, die auch wirklich da sind. Zweitens möchte ich, dass wir, wenn wir Flächen ausweisen, dann nachverdichten.

Die Grünen haben für das Hotel “Vitalresort” in Schliersee gestimmt, da wird sehr viel Weidefläche draufgehen, und sogar der Flächennutzungsplan, der eigentlich auf 16 Prozent ausgelegt war, wird vergrößert. Warum?

Grundsätzlich wäre ich bei den Leuten, die gesagt haben, ich brauche kein Hotel mehr. Aber auf dieser Fläche gibt es seit 40 Jahren einen gültigen Bebauungsplan, der eine Hotel-Bebauung, also eine touristische Bebauung vorsieht. Da waren drei große Häuser, drei oder vierstöckig; so baut man heute nicht mehr. Der letzte Vorschlag, der also vor diesem kam, das war ein achtstöckiges Hotel, ein Klotz. Den haben wir abgelehnt, weil wir gesagt haben, das kommt uns nicht hierher. Es ist seit 40 Jahren klar, dass das ein Hotelstandort ist. Da bin ich zu sehr Beamter, als dass ich dann sagen würde, wir machen es zur Wohnbebauung. Das wäre für den Käufer ganz interessant, der macht dann einen sauberen Reibach. Aber das wäre allen anderen gegenüber, die auf das Grundstück auch geboten haben, nicht in Ordnung.

Warum?

Ja, weil das dann jeder hätte machen können, wenn man gewusst hätte, dass das danach Wohnbebauung werden darf. Außerdem haben wir Leute im Gemeinderat, die gesagt haben, wir brauchen unbedingt das Hotel. Wenn man schon unbedingt ein Hotel braucht, dann möchte ich das nicht irgendwo entstehen sehen, wo jetzt gar nix drauf ist. Hier ist der Bebauungsplan da. Das wird zwar jetzt als Grünland genutzt, ist aber trotzdem bebaubare Fläche. Und dann kommt jemand, der sagt, er will im Stile der langen Bauernhäuser bauen, zwei so Häuser reinsetzen und dann ein paar kleinere drumherum, alles aufgelockert. Letztendlich sind wir jetzt, bei einer GRZ (Grundflächenzahl) von 0,21.

Und: Wir können da gar nix machen, da gibts ein Baurecht. Wir könnten einen neuen Bebauungsplan angehen, dann darf der aber nicht zurückfallen (hinter den Paragraf 34 Baugesetzbuch / Anmerkung der Redaktion).

Wenn sie einen Wunsch freihätten. Was würden sie sich politisch wünschen?

Ich würde mir wünschen, dass die Grünen so stark und die CSU so schwach ist, dass wir zusammen koalieren müssen, und wir würden eine richtig gute Koalition bilden, zusammen mit Ilse Aigner als Ministerpräsidentin.

Herzlichen Dank für ihre Zeit!

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