Rottach-Egern:
Nachbarschaftsstreit mit Kosmetikfehler: Der Gruber-Flüchtlingsstreit

Eine Stiftung, die Kosmetikerinnen ausbilden will. Ein Nachbar, dem die Größe der Schule dazu nicht gefällt. Üblicher Streit am Tegernsee? Wir haben uns die Protagonisten näher angeschaut …

Foto: Redaktion

Die Gruber-Schönheitsfarm darf nicht weiterbauen, weil ein Nachbar klagte und erst einmal einen Baustopp erwirkt hat. Das endgültige Urteil kommt nicht. Jetzt droht das Unternehmen damit, Geflüchtete dort unterzubringen. Im Rottach-Egerner Reiffenstuelweg. Es ist der Auftakt zur neuesten Tegernseer Schönheit-Seifenoper mit Stirnrunzel-Risiko und Lachfalten-Garantie.

Kosmetik-Ikone Gertraud Gruber

Gertraud Gruber, Gründerin der Schönheitsfarm in Rottach-Egern, starb 2022, kurz vor ihrem 101. Geburtstag. Stets war die Gemeinde der Unternehmerin eng verbunden. Sie brachte über Jahrzehnte eine wohlhabende Klientel in den Süden des Sees, engagierte sich in sozialen Projekten und sorgte über die Jahre für angenehme Steuererträge.

Wohl auch deswegen sah die Gemeinde recht wohlwollend auf einen Bauantrag für ein Seminargebäude am Reiffenstuelweg 10. Bereits für ein Schönheitszentrum des Unternehmens, am Berta-Morena-Weg, hatte man den Flächennutzungsplan geändert. Auch beim Schulungskomplex wenige Meter weiter drückte man aufs Gas. Sowohl Kommune als auch das Landratsamt nickten den Plan Ende 2021 ab. Es wurde gebaut. Schnell. Zweigeschossig und mit Tiefgarage.

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Nachbar Hermann Elmering stoppt den Bau

Im Sommer 2023 war der Außenbau so gut wie fertig. Einer war damit nicht glücklich: Dr. Hermann Elmering. Der ist nicht nur in Rottach-Egerns Verwaltung ein sehr bekannter Unternehmer und eben Nachbar, der das Projekt nicht vor der Nase haben.

Mit einem Eilantrag vor dem Verwaltungsgerichtshof (VGH) München konnte er einen vorläufigen Baustopp erzielen. Eine der Gründe: Das gewerblich genutzte Seminargebäude entsteht ­­­– laut Bebauungsplan – in einem lockeren Wohngebiet, sei „nicht genehmigungsfähig“ gewesen, der Weg am Gebäude für den zu erwartenden Verkehr viel zu klein. Seitdem ruht alles auf der Baustelle. Es brennt nur ein grelles Licht im Innern des Baus. Geld für Strom scheinen die Experten für Schönheit noch zu haben.

Warten auf … das Urteil

Man wartete also auf ein Urteil. Und Warten kostet im Baugewerbe immer Geld. Die Gertraud Gruber Stiftung hat mittlerweile das Unternehmensruder übernommen. An der Spitze steht Irene Boop, einst engste Vertraute der Gruber und nun Vorstand der Gertraud und Josef Gruber Stiftung.

Sie lächelt viel und vertritt die Interessen des Unternehmens gegenüber den letzten Bürgermeistern immer meinungsstark. Schon zu Grubers Lebzeiten war man bei anderen Gemeinden vorstellig geworden. Ob es bessere Baubedingungen gäbe? Letztlich blieb das Unternehmen in Rottach-Egern: Zu Jubiläen, Firmenfeiern und Geburtstagen musste man, wenn man eine Funktion am See innehatte, antanzen.

Gruber war so etwas wie die Brauerei und das Herzogliche Haus gegenüber in Tegernsee. Hier sprechen Bürgermeister die Chefin gern mit “Durchlaucht” an – kurz ein kommunales Schwergewicht. Da ist doch so ein Seminargebäude leicht durchzudrücken, so wohl der Gedanke. Schauen wir über die Straße weiter zum Kläger Dr. Hermann Elmering. Der hat in der Rottach-Egerner Rathaus-Verwaltung einen Ruf wie Donnerhall. Oder, wie man dort vieldeutig sagt: “Der ist auch nicht auf der Brennsuppn dahergekommen.”

Protagonisten des Nachbarschaftsstreits

Wer ist das? Dr. Hermann Elmering, sein Spitzname soll “Wurm” sein, war als Unternehmensberater und Besitzer interessanter Immobilien erfolgreich. In den 90er Jahren saß er im Aufsichtsrat von Thyssen Krupp Elevator. In diese Zeit, genauer 1996, fällt der Erwerb von mehreren Postgebäuden im Tegernseer Tal (Gmund, Tegernsee, Rottach-Egern) und Bad Tölz. Und gern kam es dort mit den Kommunen zum Streit. Elmering soll oft die Gebäude nicht rechtzeitig renoviert haben und Leerstand in Kauf genommen haben.

Bürgermeister Hafner und die Post

In Rottach-Egern wollte der einstige Bürgermeister, Franz Hafner, 2013 dem Unternehmer das Postgebäude in der Ortsmitte abkaufen, auch weil es zunehmend rottig wirkte. Am Ende fand Hafners Nachfolger, Christian Köck, eine Lösung mit dem streitbaren Unternehmer. Elmering ist also kein Leichtgewicht, sitzt Konflikte auch gern mal aus. Er ist vor allem kein üblicher Maschendrahtzaun-Nachbar, der über Lautstärke oder fallendes Laub klagt und – verliert. Jemand wie Elmering spielt auf Sieg – immer.

Im Reiffenstuelweg. / Foto: Redaktion

Benno Ziegler

Der Eilantrag am VHG führt nun nicht zu einem Eil-Urteil. Das Warten schmerzte die Schönheitsfarm-Unternehmer so sehr, dass sie sich juristischen Beistand aus München holten: Benno Ziegler. Der 55-jährige Anwalt, Fachrichtung u. a. Bau- und Architektenrecht, legt sich gern mit staatlichen Stellen oder deren Unternehmungen an: Mal ist es die SWM wegen einer Tramlinie, mal die Stadt München wegen angeblichen Pfusch am Bau. Auch hier am See ist Ziegler schon einmal schräg aufgefallen. Der Verein “Rettet den Tegernsee” hat ihn angestellt. Lief nicht so gut.

Gern gehen solche Auseinandersetzungen als Vergleich aus. Dazu muss man folgendes wissen: Für einen außergerichtlichen Vergleich erhält der Anwalt eine zusätzliche Gebühr. Gleichzeitig ermäßigen sich die Gerichtsgebühren vor dem Zivilgericht auf ein Drittel der für das Urteil anfallenden Gebühren. Die Gerichte sind überlastet, und den Richtern ist meist an einer effizienten Erledigung von Rechtsstreitigkeiten gelegen.

Ein Vergleich macht dem Richter am wenigsten Arbeit. Dann muss er – überspitzt gesagt – nicht denken, vor allem aber kein Urteil schreiben. Doch wie zwingt man die Gegenseite in einen Vergleich? Ziegler ist versiert im Umgang mit der Öffentlichkeit. Gern und oft wird er mit seiner Sicht in Medien zitiert. Erst recht, wenn sie mit Aufreger-Potential geschmückt wird: In Rottach-Egern erklärt Ziegler nun, man wolle das eigentliche Seminargebäude im Reiffenstuelweg in eine Unterkunft für Geflüchtete umwandeln. 54 hätten da schon Platz.

Eine Aussage mit Sprengkraft in einer derzeit aufgeheizten Diskussion um die Unterbringung von Migranten. Der Vorschlag überraschte die Kommune, die erst jüngst im Schlaglicht geraten war, weil sie im Verhältnis zu anderen Gemeinden im Landkreis sehr wenig Wohnraum für Flüchtlinge bereitgestellt hat. Vorsichtshalber hat die Gruber-Seite Bürgermeister, Christian Köck, in der letzten Woche mit einer neuen Betriebsbeschreibung konfrontiert: Eine „Asyl-/Gemeinschaftsunterkunft für unbegleitete, jugendliche Flüchtlinge sowie für geflüchtete Eltern mit ihren Kindern“.

Nebenrolle Landratsamt?

Und auch das Landratsamt, das für die Unterbringung verantwortlich ist, war nicht informiert, erfährt darüber, laut eigener Aussage, aus der Zeitung. Recht schnell war jedem klar: Hier wird auf dem Rücken von Flüchtlingen, Kommunen und Behörden ein Nachbarschaftsstreit ausgefochten. Das ist moralisch mindestens fragwürdig, und Christian Köck sieht für das Traditionsunternehmen Gruber durchaus auch Reputationsrisiken. „Flüchtlinge als Druckmittel zu nutzen, dürfte dem Ruf des Unternehmens nicht dienlich sein”, sagt er.

Das Landratsamt wird, so sagen sie, den Vorschlag prüfen. Aktuell planten die Miesbacher eigentlich eine Groß-Unterkunft am VIVO-Wertstoffhof in Warngau. Das stieß auf massive Proteste. Der Hinweis, man könne doch noch in Rottach-Egern Platz schaffen, könnte weiter nördlich bei den Warngauern auf offene Ohren stoßen.

Ein Streit zwischen zwei Nachbarn kann so eine regionale Dimension erhalten, die die staatlichen Stellen auf keinen Fall gebrauchen können. Rottach-Egern braucht gerade nicht ins Blaue formulierte Unterkunftsvorschläge, ob von Münchner Anwälten, noch von SPD-Genossen. Und auch das Landratsamt hat gerade alle Hände voll zu tun, die aufgeheizte Stimmung runterzukochen, um radikalen Kräften im Landkreis nicht noch mehr Futter für Angriffe zu geben.

So wird aus einer Dorf-Posse schnell ein vergiftetes Drama mit Protagonisten, die allesamt den Weg zum Kompromiss vertun. Einen Weg, den zivilisierte Menschen gerade mit dem Thema “Migration” gehen sollten. Kommunen in Geiselhaft für die Eigeninteressen zu nehmen – das ist schon sehr fragwürdig.

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