Juni 1998. Ein ICE rast mit 200 km/h gegen eine Brücke. Mehr als 270 Menschen sind im Zug. Sieben Minuten nach dem Unfall sind die ersten Retter da. Schnell sind auch die Journalisten vor Ort. Wollen live berichten. Gegen drei Uhr plötzlich Rufe und Befehle. Man glaubt noch jemanden in dem Trümmerfeld zu orten. Geräte stoppen, alles wird ausgeschaltet.
Jeder, Ärzte, Feuerwehrler, Soldaten und Reporter schweigen, hören in die Stille. Langsam nehmen sie ein nachhaltiges Geräusch wahr. Es klingelt. Erst vereinzelt, dann immer häufiger. Die Handys der Opfer läuten. Am anderen Ende die besorgten Angehörigen. Was ist mit meinem Mann, meiner Frau, dem Bruder? Lebt das Kind? Ihre Anrufe gehen ins Leere.
Wenn wir die Bilder von Bad Aibling sehen, packt uns das Grauen. Aber schnell gehen wir in den Alltagsmodus zurück. Wir sprechen es nicht aus. Wir sind froh, nicht im Zug, unter den Opfern oder ihren Angehörigen gewesen zu sein. Das ist eine gesunde, menschliche Reaktion. Gesund ist es auch, weiterhin Vertrauen in öffentliche Transportmittel zu haben. Sonst bliebe uns nur der Rückzug aus dem Leben.
Kein Hyper-Individualismus – nur Menschlichkeit
Anders geht es den Rettungskräften, den Männern und Frauen, die ohne Zögern in die Wracks steigen, die schlimmsten Verletzungen sehen und behandeln müssen. Kein Mensch ist eine Maschine. So viel Leid in wenigen Stunden schüttelt keiner schnell ab. Sie werden darüber reden, reden müssen.
Es ist in diesen Tagen immer ein düsteres Bild von unserem Land gezeichnet worden, ob von links oder rechts. Sehen wir aber, wie schnell, hochgradig effizient und mit welchem großartigen Engagement vom Helikopterpiloten bis zum Wasserwachtler gestern gearbeitet wurde, wollen wir Danke sagen und uns mit Respekt verneigen.
Das ist dann auch nicht immer eine Frage des Materials und der Ausstattung. Wer das behauptet, dem sei ein Blick auf die katastrophale Betreuung nach dem Hurrican Katrina in den USA empfohlen. Wer sich immer wieder über Steuerlast und zu viel Staat erregt, dem seien die Bilder von den Rettern empfohlen, Menschen, die sich freiwillig der Katastrophe aussetzen, um Leid zu lindern. Einfach so. Das gilt auch für die spontane Bereitschaft zur Blutspende. Kein Hyper-Individualismus – nur Menschlichkeit.
Aber Dank allein reicht nicht. Jeder kann etwas tun. Feuerwehr, THW und Rettungsdienste brauchen Nachwuchs. Vereine sind auf finanzielle Zuwendungen angewiesen. Wo wir schon beim Spenden sind. Noch immer sind die Blutkonserven in Krankenhäusern und Diensten wie den BRK knapp. Also: wir sehen uns beim nächsten Blutspendetermin, das ist das Mindeste.
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