Parkraum-Diskussion in Tegernsee – die Fakten

Selten wurde auf der TS das recht trockene Thema Parkraum in Tegernsee so heftig diskutiert wie jüngst nach der Stadtratssitzung. Einige fühlten sich von Aussagen einiger Ratsmitglieder diskreditiert, andere fanden, dass die Neuen im Rat sich erst einmal informieren sollten. Wir haben für eine sachliche Diskussion die Fakten gesammelt und ein erstes Fazit gezogen.

Für die Erweiterung der Tiefgarage Richtung Kurgarten müssen die Linden weg.

Worum geht es? Im Zentrum des Hangstädtchens befinden sich über den Daumen 200 Parkplätze. Diese werden von Anwohnern, Mitarbeitern diverser Praxen, Firmen oder Verwaltungen und eben auch von Besuchern genutzt. Parkraum – klingt dröge, ist aber ein heißes Thema, weil örtliche Politiker daran ihr Profil schärfen, alte Rechnungen begleichen und neue Gräben aufreißen können.

Der Vertrag: Ende 2025 läuft der Pachtvertrag der Stadt Tegernsee mit den Eigentümern des Zentralparkplatzes aus. Das Areal gehört einem Konsortium der Familie Pierburg aus Berlin. Zudem gehört ihr auch das Schlosscafé neben dem Areal. Grundstücke im Zentrum – das ist mehr als ein Lotteriegewinn. Was immer die Kommune im Zentrum plant – Pierburgs sitzen mit am Tisch. Der Parkplatz hat Platz für 120 Autos, 115 Menschen haben ein Abo. Sie zahlen eine jährliche Gebühr (150 Euro) und sparen sich zwar die Tagesgebühren, haben jedoch kein Anrecht auf einen Platz. Viele von ihnen kommen aus umliegenden Gemeinden, arbeiten in Tegernsee im Gastro-Service, Kanzleien oder Praxen.

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Ein Wegfall des Parkraums wäre, auch angesichts der überschaubaren ÖPNV-Angebote eine Mühsal. Warum nicht einfach mit der Pacht fortfahren? Familie Pierburg soll in Verhandlungen mit der Kommune immer wieder eine Fortführung des Parkplatzes abgelehnt haben. Die Berliner waren mehr an einer Bebauung interessiert. Dazu gibt es einen Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan, jedoch (noch) keine Veränderungssperre. Geschäfts- und Wohnräume versprechen höheren Profit als stehende Autos. Aber so einfach ist das nun auch wieder nicht.

Bei der Gestaltung hat die Kommune mitzureden, zudem muss so etwas, mit dem Schloss gegenüber, in einem Denkmalschutz-Kontext gesehen werden. Das kann auch für entschlossene Berliner schwierig werden. Manchmal ist der Spatz in der Hand besser, in diesem Fall eine Parkraum Fortsetzung, als die Taube auf dem Dach in Form einer vagen Bebauungsidee. Aber Bürgermeister Hagn will nicht bis Ende 2025 warten, will sich selbst Optionen offenhalten. Welche Optionen hat die Stadt?

1. Tiefgarage

Unter dem Kurgarten befindet sich eine Tiefgarage mit 95 Plätzen. Ein Teil ist verpachtet, letztlich sind derzeit 42 Plätze frei verfügbar. Mit einer baulichen Erweiterung könnten weitere 158 Plätze unter dem Kurgarten geschaffen werden. Geschätzte Kosten: circa sieben Millionen Euro. Das kann, nach den Erfahrungen des Feuerwehrhaus-Baus, auch gern mal deutlich teurer werden. Für diesen Bau müssten die Linden im Kurgarten fallen. Diese 19 Bäume sind im Kataster registriert und wurden von einer Fachfirma begutachtet. Ergebnis:

Die allermeisten Linden seien in einem extrem schlechten Zustand, haben zum Teil bis zu 90 Prozent Schädigung. Da hilft auch nicht ein Lied von Alexandra. Neue Großbäume könnten allerdings dort auch wegen der unterirdischen Bebauung nicht mehr wachsen. Die Stadt will die Tiefgarage der Kreissparkasse Miesbach-Tegernsee abkaufen. Es ist keine zwingende Voraussetzung, würde aber den Aufwand (z.B. Verkehrsführung) erheblich erleichtern. Die Verhandlungen laufen dazu seit Jahren. Die Bank darf nicht zu billig abgeben, also auf ihr zustehende Einnahmen verzichten und Sonderabschreibungen riskieren, die Stadt kann für Parkraum nicht unendlich viel zahlen.

2. Horn-Areal

Geht man von der Tiefgarage Richtung Norden befindet sich auf der rechten Seite das Horn-Areal. Hier befand sich einst ein alter Eisenwarenladen. Das Gebäude wurde abgerissen. Heute liegen hier 36 Parkplätze, wovon 23 dauerhaft vermietet werden. Auf diesem Gelände könnte ein Parkhaus entstehen. Baulich ist das eine Herausforderung, weil der Platz extrem beschränkt ist. Für etwas mehr als 4 Millionen Euro könnten, so eine Planung, hier über mehrere Etagen bis zu 113 Plätze entstehen. Ob hier auch die ortsüblichen SUV eine Heimat finden könnten, ist fraglich.

3. Reduzierung

2017 hat der einstige Stadtrat in Tegernsee einen Beschluss zum Parkraum gefertigt. Tenor: Wir müssen den wegfallenden Raum kompensieren, wenn der Zentralparkplatz wegfällt. Der rechnerische Überschuss in der TG sollte durch Auflösungen an der Oberfläche (mehr Platz für Fußgänger und Radfahrer) kompensiert werden. Die Verwaltung solle mit Verhandlungen und Gutachten vorankommen.

Viel ist seitdem nicht passiert. Der Beschluss steht. Aber die Zeiten ändern sich. Neue Parteien, neue Sichtweisen haben Einzug gehalten. Der Verkehr, speziell jener aus München, hat massiv zugenommen. Nur wenige glauben noch, dass die 120 oder 159 Parkplätze diesen Ansturm lindern. Ein Chaos wegen Parkplatzsuche ist ja auch durchaus ordnungsamtsseitig beizukommen. Bürgermeister Hagn wird nicht müde, seine Prioriätengruppen für Parkräume zu definieren: Zuerst die Anwohner, dann die Einzelhändler, dann die Besucher. Und da bleibt die Frage, wie eben Ärzte, Anwälte, Verwaltungschefs die Autos ihrer Mitarbeitenden unterbekommen wollen. Nur: dieser Quell- und Pendlerverkehr sorgt eben auch für Stau und Lärm. Es sind nicht nur Besucher, die die engen Straßen am Hang verstopfen.

Die Sichtweisen

Im Grunde spielen sich, wie immer in der Politik, Einzelinteressenten zu Allgemeinplätzen auf. Die eine Seite, meist Freie Wähler und CSU, glauben noch an alte Verkehrsformeln des letzten Jahrhunderts. Autos bedeuten Besuch, bedeuten Umsatz, bedeuten Steuern. Autos brauchen Platz. Fertig ist die Rechnung. Die andere Seite agiert ebenso schlicht. Baum fällen ist widerlich. Die Klimakatastrophe steht an Tegernsees Tür. Alles, was Emissionen freisetzt, muss raus. Dahinter stecken gern auch einmal alte Rechnungen. Beispiel: Ein Parkhaus auf dem Horn-Areal war schon immer der Traum von Ex-Bürgermeister Janssen. Dessen Frau will das Vermächtnis, so wirkt es auf den Beobachter, vollenden. Aber das ist auch ein Detail. Eine neu gegründete Initiative will Bäume schützen, hat sich aber vorsichtshalber nicht nach deren Zustand erkundigt.

Das Thema ist viel zu komplex, hat für Tegernsee so viele weiterführende Fragen, dass eine Fokussierung auf Details nahezu sinnlos erscheint. Welche Perspektiven, sprechen wir einmal das verpönte Wort “Visionen” aus, hat die Stadt im Zentrum? Da kommt man wieder auf die oben erwähnte Berliner Familie Pierburg und auf eine andere, etwas ältere Familie. Wie könnte für Tegernsee eine mögliche Bebauung des Zentralparkplatzes denn wirken? Gmund hat es vorgemacht: Zwischen “Maximilian”, dem REWE und den Geschäften auf der anderen Seite hat sich ein gut angenommenes Quasi-Zentrum entwickelt. Das wurde vom dortigen Rat und Bürgermeister mit Geduld und Weitsicht auf schwierigem Terrain gedacht und entwickelt – übrigens mit Hilfe der Wittelsbacher. Und auch, oder gerade in Tegernsee liegt vielleicht der Schlüssel zu einer erfolgreichen Zentrumsentwicklung beim Herzoglichen Haus.

Das Fazit

Wer also wie der SPD-Mann Thomas Mandl eine breite Bürgerbeteiligung fordert, sollte wissen, welche Büchse der Pandora er da öffnet. Denn das Thema eignet sich angesichts der Komplexität nicht für einfache Parolen und Lösungen. Es ist ein klassisches dickes Kommunalbrett, dass die Räte zu bohren haben. Dafür wurden sie gewählt. Sie haben alle miteinander in den letzten Sitzungen mit erstaunlicher Disziplin (mit einigen Ausfällen) das Für und Wider diskutiert. Als Beobachter muss man den Herrschaften, die Stunden am Abend für ihre Stadt opfern, auch dafür Respekt zollen.

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