Schon gut eine halbe Stunde vor Beginn des „Abverkaufs“ um 14 Uhr ist auf dem angrenzenden Parkplatz an der Seepromenade kein freier Stellplatz mehr zu finden. Auch die Hotelanfahrt ist längst schon beidseitig zugeparkt. Viele Fahrzeuge haben auswärtige Kennzeichen und etliche auch einen Anhänger angekuppelt. Groß ist offenbar die Erwartung, noch günstige Schnäppchen machen zu können. Zunächst musste sich die immer größer werdende Menschenmenge gedulden, denn der „nächste Verwandte“ Lederers, der anonym bleiben möchte, kommt mit einer gehörigen Verspätung und fährt ziemlich ungeniert mit seinem alten Porsche durch die wartenden Kaufinteressenten.
Etliche von ihnen aus nah und fern wollen aber auch nur nochmals das Lederer sehen, bevor es demnächst abgerissen werden soll. „Uns treibt die Neugierde her, wie das Hotel einmal ausschaute. Wir brauchen nix“, sagt ein Gmunder. Denn der letzte Vorhang für den vormaligen Eigentümer Josef Lederer ist gefallen. Ende des Monats ist für ihn mit seinem Wohnrecht Ultimo. Bis dahin versucht die Familie des 80-Jährigen die Restbestände des Inventars noch zu versilbern. Das Motto: alles muss raus.
„Furchtbarer Zustand“
„Ich suche noch ein bisschen altes Hotelsilber“, sagt eine Touristin aus Hannover. Gekommen sei man aber ohne große Erwartungen. „Was soll hier nach so vielen Jahren Leerstand schon noch zu finden sein, vielleicht finden wir ein paar Kleinigkeiten“, hofft ein Ehepaar aus Bad Wiessee. Eine Interessentin aus Bad Tölz mit einem kleinen Gästehaus könnte ein paar Gartenmöbel gebrauchen. „Wir haben zuhause eine Ferienwohnung, vielleicht ist etwas dabei, Gläser oder Geschirr“, meint ein Ehepaar aus dem Leitzsachtal. Aber es schaue nicht gerade einladend aus. „Das ist ja in einem furchtbaren Zustand“.
Sie wolle das Hotel nochmals von innen sehen, da sie früher mit ihrem Mann schon einmal hier war, sagt eine Schlierseerin. Deswegen kommen etliche der Besucher. Viele wollen vor dem Abriss nochmals das einst legendäre Lederer besichtigen, wie ein Ehepaar aus Wolfratshausen bei seinem Sonntagsausflug. „Wie viele andere wollen wir nur mal gucken, es ist ja offensichtlich ein gesellschaftliches Ereignis“, meint ein Ebersberger. Es steuere ja nun auf eine Lösung für das gesamte Hotelgelände zu.
„Dafeits Graffel“
Als dann mit etlicher Verspätung die Neugierde doch befriedigt wird, werden die Interessenten sich selbst überlassen. Keine Organisation, keine Hinweisschilder, nichts. Hilflos irren ältere Menschen über versiffte, dunkle und aufgerissene Flure. Im einstigen Speisesaal klafft ein riesiges Loch an der Decke, der Fußboden ist aufgeweicht. „Grauenhaft“, ist zu hören, wie der Eigentümer habe einfach „alles vergammeln lassen“.
„Nur Graffel, ois restlos dafeit“, schimpfte ein Kreuther Interessent. „Man kann doch nicht alles vergammeln lassen und dann noch verkaufen“, ist von einem elegant gekleideten älteren Ehepaar aus Tegernsee zu hören. „Die Einrichtung hätte schon vor zehn Jahren verkauft werden müssen“. Inzwischen würden die feuchten Möbel „miefen“. Da müsse man ja Sorge haben, dass man eine Pilzvergiftung bekomme.
Abstauber kommen auf ihre Kosten
Doch nicht alle sind angewidert. Vor allem in der Küche gehen die Restbestände an Geschirr und Thermokannen weg wie sprichwörtlich warme Semmeln. Eine Rottacherin ersteht ein künstliches Blumengebinde für fünf Euro, die im Geschäft „richtig teuer“ wären, ansonsten seien die Zimmer „scheußlich und muffig“. Ein Wiesseer will nochmals schauen, ob die schmiedeeisernen Wandleuchten noch da sind, für die er sich bereits vor drei Wochen interessierte.
Stolz trägt ein anderer Käufer seine Deckenleuchte aus Kristall vor sich her. „Zehn Euro“ habe er dafür bezahlt, meint der Tourist aus Kassel. Plümos und Decken haben zwei junge Frauen aus Starnberg ergattert. „Für den Hund“, wie sie extra betonen. Sieben Leuchten für den Flur aus Schmiedeeisen sind es bei einem Mainzer Urlauber-Ehepaar. Statt der geforderten 140 Euro hätten sie nur die Hälfte bezahlt. Selten war die Hotelruine so gefragt wie heute.
Hier einige Eindrücke – Bilder: Klaus Wiendl
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